Das Feuer in ihren Augen

Zum Manuskript:

Es wurde 2020 fertiggestellt und ca. 2-3 Jahre daran geschrieben. Noch wartet das Manuskript auf eine Überarbeitung, damit die nächsten Schritte Richtung Veröffentlichung genommen werden können. Die Testleser sind schon jetzt überzeugt. Es ist ein Fantasy Buch mit ca. 400 Seiten. Die Geschichte wird aus der Ansicht der beiden Hauptcharaktere erzählt, wobei diese sich immer wieder abwechseln. Auch hier gibt es detaillierte Kampfsequenzen, die für Leser unter 12 nicht geeignet sind.

Ein besonderer Dank gilt meiner Betaleserin, welche meine Grammatik, Rechtschreibung und Satzbau korrigiert hat. Sie möchte namentlich nicht genannt werden. Trotzdem vielen Dank!


Klappentext:

Die Welt hat die Drachen in ihre humanoide Form gezwungen und versklavt. Ajia, einer der letzten Wilden, wird gefangen genommen und versklavt. Nir, der für sein Haus eine neue Sklavin kaufen muss, ist fasziniert von ihren Augen. Sie sind nicht orange, sondern in ihnen brennt ein Feuer. Ein Feuer, das ihn nicht unberührt lässt. Seine Entscheidung, Ajia in sein Haus zu holen, verändert nicht nur sie, sondern das Schicksal aller Menschen und Drachen.


Hier ein kleiner Vorgeschmack auf meine Geschichte:

Kapitel 1

Nircariger

Der Himmel über dem Land Silce verdunkelte sich langsam, als die goldene Sonne hinter den hohen Bergen verschwand und ihre letzten Strahlen des Tages in ein Fenster des Verwaltungsturms im fünften Stock warf. Das Licht streifte den Arm eines jungen Mannes, der endlich, mit leicht zittrigen Beinen, die vorletzte Etage erreicht hatte. Müde lehnte er sich gegen einen dunklen Holzbalken und wischte sich leicht atemlos den Schweiß von seiner Stirn. Danach fuhr er sich mit klammen Fingern durch seine dunkelbraunen, halblangen Haare und versuchte, sie erfolglos etwas zu ordnen. Er wusste, dass sein Vater Wert auf seine Erscheinung legte und nicht wollte, dass sein ältester Sohn ein schlechtes Licht auf ihn warf. Tief atmete er noch einmal ein, versuchte sein nervös schlagendes Herz zu beruhigen und warf einen kurzen Blick hinein in den langen Gang, der sich nun vor ihm eröffnete. Am Ende des Ganges befand sich eine große, goldene Tür und jedes Mal, wenn er sie erblickte, lief ihm eine kalte Gänsehaut den Rücken hinunter. Erneut atmete er tief ein, straffte seine Schultern und sprach sich innerlich Mut zu. Er zog seinen ledernen Beutel auf seinem breiten Rücken zurecht und ging dann, so leise wie es ihm möglich war, den breiten Gang entlang. Wie jedes Mal, wenn er hier war, wanderte sein Blick automatisch zu den kostbaren Schnitzereien, welche den ganzen Gang überzogen. Goldene und silberne Linien waren in das kostbare Holz eingearbeitet und leuchteten hell im Schein der traditionellen, weißen Papierlaternen, die von der Decke hingen und in deren Licht die eingeritzten Figuren zum Leben erwachten. Die Darstellungen erzählten von dem mutigen Mann Déor, welcher als Erster einen Drachen in die Knie zwang und somit den Krieg gegen die mächtigen Kreaturen einläutete. In jahrzehntelangen Schlachten und Gefangennahmen wurden die Drachen bezwungen und das Zeitalter der Menschen begann. Fasziniert blieben seine grünen Augen immer wieder an den Darstellungen der Drachen hängen. Sie waren überdimensional groß und ihre bösartigen Fratzen entstellten deren eidechsenhaften Gesichter.
´Ob die Drachen tatsächlich so aussahen? `, fragte er sich leise.
Langsam ließ er seinen Blick weiterwandern und stellte dann leicht erschrocken fest, dass er den Gang durchschritten hatte. Seine grünen Augen wanderten hektisch über die fast komplett vergoldete, mit floralen Mustern verzierte Tür und er hielt einen kurzen Moment inne. Erneut strich er sich die Haare glatt und war bedacht darauf, dass seine Kleidung ordentlich und nicht zerknittert war. Tief atmete er ein, ehe er zögernd seine Hand erhob und mit den Knöcheln gegen die Tür klopfte.  
„Herein!“, ertönte eine tiefe Stimme, die ihn zusammenzucken ließ.
Schnell drückte er die goldene Klinke nach unten und trat ein. Kaum hatte er die Tür geöffnet, schlug ihm kühle Luft, vermischt mit dem Geruch von altem Papier entgegen und es bot sich ihm ein nur allzu bekannter Anblick. Mittig im Büro stand ein massiver Holztisch mit geschwungenen Füßen und dicker Arbeitsplatte, auf der sich unzählige Pergamente und in Leder gebundene Bücher tummelten. Kerzen in metallenen Kerzenständern flankierten die Bücher und warfen ein schauriges Schattenspiel an die Wände. Diese waren fast komplett mit deckenhohen Bücherregalen zugestellt und schienen von Büchern und Pergamentrollen überzuquellen. Hinter dem großen Schreibtisch saß ein bulliger Mann in einem großen, gepolsterten Sessel, auf dessen Glatze sich das Licht der Kerzen brach. Schnell schloss Nir die Tür hinter sich und blieb mit leicht gesenktem Kopf stillstehen, so wie es die Regel verlangte.
„Guten Abend, Herr Vater“, sprach er leise zur Begrüßung und der bullige Mann hinter dem Schreibtisch sah langsam auf.
Unweigerlich hob auch Nir sein Haupt und sah seinen Vater direkt an. Seine hellblauen Augen bohrten sich in Nirs, der seinen Blick nicht abwenden konnte. Kalter Schweiß lief ihm den Rücken hinunter, als sein Vater ihn endlich freigab, um Nirs Erscheinung zu mustern. Nir konnte sehen, wie die kleinen Falten um seine Augen kurz zusammenzuckten und er wusste, dass es seinem Vater missfiel, wie er aussah.
„Du bist spät!“, knurrte sein Vater und sah wieder auf ein Pergament hinab, das vor ihm ausgerollt lag.
„Verzeiht, es wird nicht wieder geschehen“, meinte er schnell und verhaspelte sich beinahe bei seinen Worten.
Angstvoll schlug sein Herz, denn er wusste nur zu gut, wie zornig sein Vater wegen kleinster Dinge werden konnte.
„Ich hoffe für dich, dass es noch warm ist“, brummte sein Vater erneut, würdigte ihm jedoch keines weiteren Blickes.
Nir setzte rasch seinen Beutel auf dem Boden ab und mit schnellen Handgriffen packte er einen metallenen, schweren Kasten aus. Dann erhob er sich wieder und ging eilig zum massiven Schreibtisch seines Vaters.
„Wo soll ich es hinstellen?“
Erneut hob sein Vater den Kopf und funkelte ihn beinahe wütend aus eisblauen Augen an. Mit einem Kopfnicken deutete er auf eine kleine, freie Stelle zwischen Pergamentrollen, alten Büchern und brennenden Kerzen. Nir zögerte keinen Moment und stellte den warmen Kasten vorsichtig zwischen all die wichtigen Dokumente. Kurz nachdem er seine Hände zurückgezogen hatte, packte sein Vater den Kasten grob, öffnete einen metallenen Verschluss und schob den Deckel beiseite. Der Geruch von gebratenem Kaninchen, gedünsteten Kartoffeln und Speck schlug ihnen entgegen. Obwohl Nir schon seit einer Weile gegessen hatte, war der Duft dennoch verlockend und er beugte sich unweigerlich etwas vor, um in den Kasten blicken zu können. Doch bevor er hineinsehen konnte, schlug sein Vater den Deckel wieder zu und stellte den Kasten beiseite.
„Schließe noch das Fenster, bevor du gehst“, befahl sein Vater, wieder den Blick auf das Pergament gerichtet.
Innerlich seufzte Nir, denn insgeheim hatte er sich Dank von seinem Vater erhofft, vergeblich. Schon lange hatte sein Vater kein gutes Wort mehr für ihn übrig.
„Ja, Vater“, antwortete er stattdessen und ging zur Fensterseite des Büros.
Dort waren drei breite Glasfenster eingelassen, von denen das mittlere offenstand. Nir nahm die Verriegelung in die eine und das Fenster in die andere Hand, doch bevor er es schloss, ließ er seinen Blick über die atemberaubende Aussicht schweifen. Er konnte in dieser Höhe über den Großteil der Stadt Reinrac blicken, die sich leuchtend vor ihm erstreckte. Von seinem Standpunkt aus, konnte er die großen Osttore erblicken, welche die innere von der äußeren Stadt trennten. Selbst die alte, steinerne Stadtmauer, die sich über drei Stockwerke hoch erhob und breit wie ein Haus war, ließ sich ohne Probleme ausmachen.
„Schließe das verdammte Fenster!“, brüllte sein Vater und ließ Nir heftig zusammenzucken.
Mit wild pochendem Herzen schloss er das Fenster vorsichtig und warf dann noch einmal einen schnellen Blick durch die Glasscheibe auf die funkelnde Stadt.
„Verzeiht, Vater“ murmelte er schnell und verbeugte sich leicht.
Er hörte seinen Vater noch leise grummeln, dieser schien Nir jedoch nicht weiter zu beachten. Langsam hob Nir wieder seinen Blick und beobachtete seinen Vater, wie er ein paar Pergamentrollen nahm und sie zu einem der drei gewaltigen Regale brachte. Obwohl sein Vater mehr als sechs Fuß maß, brauchte er dennoch eine kleine Trittleiter, um ganz nach oben zu gelangen. Nir verfolgte ihn mit seinen Augen, wie er wieder hinunterstieg und sich dann plötzlich zu ihm umdrehte. Kalte Augen sahen direkt in seine und ließen ihn innerlich erzittern.
„Ich brauche dich nicht mehr. Geh!“, befahl sein Vater, setzte sich wieder an seinen Schreibtisch und zog eine neue Pergamentrolle hervor, die er sorgsam ausrollte.
„Ja, Vater. Gehabt Euch noch wohl“, sprach Nir schnell, verbeugte sich, packte den ledernen Beutel fester und stürmte aus dem Büro.
Erst als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, wich langsam die Anspannung aus seinem Körper und sein Herz beruhigte sich allmählich. Er wischte sich den kalten Schweiß von seiner Stirn und bemerkte, dass seine Hand leicht zitterte.
´Warum bin ich immer der Idiot, der sein Abendessen hier hochbringen muss! ´, dachte er verärgert und fuhr sich mit einer Hand durch seine wuscheligen, dunkelbraunen Haare, um sie zu lockern.
´Warum ist Morango nicht daheim gewesen!? Normalerweise erledigt sie diese Aufgabe! Aber nein, da ich ja der Erstgeborene bin, muss ich dies erledigen, sobald sie verhindert ist! Wieso kann er nicht einmal hierherkommen? ´
Laut schnaubend ging er wieder den Gang entlang zur Treppe und ging die steilen Holzstufen wieder nach unten.
´Nur weil er der Zweitgeborene ist, kann er sich doch nicht vor allem drücken! ´, ärgerte sich Nir weiterhin, konnte es ihm tief in seinem Herzen jedoch nicht verübeln, dass sein Bruder ihrem Vater aus dem Weg ging.
Es war kein Vergnügen, auch nur ein Wort mit ihm zu wechseln und Acek stand ohnehin nicht besonders hoch in der Gunst ihres Vaters. Nir schüttelte unweigerlich den Kopf, als er immer tiefer stieg und er nun schon den ersten Wächtern in ihren schwarzen Rüstungen begegnete, die ihm freundlich zunickten. Es war unter den höherpositionierten Menschen bekannt, dass er der Sohn von Wunjen, dem obersten Sekretär des Statthalters, war. Da der Statthalter von Silce jedoch nur herumhurte, trank und feierte, bis seine fünfzehnjährige Amtszeit abgelaufen war, hatte der oberste Sekretär die alleinige und völlige Macht inne. Somit war sein Vater einer der mächtigsten Männer in der Region und Nir dazu auserkoren, seine Nachfolge anzutreten. Schon allein der Gedanke, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, ließ ihm übel werden. Aber er hatte keine Chance, sich seinem Schicksal zu entziehen. Er würde sich dem Willen seines Vaters beugen, so wie er es immer tat. Nir stieg immer tiefer die Treppen hinunter, bis er schließlich in den großen Eingangsbereich gelangte. Die Wände waren überzogen mit kostbaren, filigranen Schnitzereien und Wandkerzenhalter aus reinstem Silber trugen armdicke, weiße Kerzen, welche die hölzerne, kunstvoll gestaltete Decke erhellten. Jene bestand aus Darstellungen der vier großen Gottheiten, welche die vier Elemente verkörperten und die Decke auf ihren mächtigen Schultern zu tragen schienen. Nir hingegen hatte kein Auge für deren Schönheit, geschweige denn verfolgten seine Augen die aufwendigen Marmormosaikarbeiten, die sich schwungvoll und in unterschiedlichsten Farben über den Boden zogen. Er hatte nur den Drang, das Gebäude so schnell wie möglich zu verlassen und wäre am liebsten gerannt, wenn es der Anstand ihm nicht verboten hätte. Er nickte nur noch schnell der Empfangsdame zu, die hinter einem hölzernen Schreibtisch saß und ihm freundlich zulächelte. Dann eilte er an ledernen Sitzmöglichkeiten vorbei, bis er endlich die schweren Flügeltüren erreichte und nach draußen trat. Frischer Wind schlug ihm entgegen und schien ihm die schwere Last von seinen Schultern zu fegen. Tief atmete er die angenehm kühle Abendluft ein und genoss den Moment, aus dem erdrückenden Gebäude heraus zu sein. Mit etwas leichterem Herzen ging er die letzten steinernen Stufen hinunter und warf dann einen Blick hoch auf das Verwaltungsgebäude, das sich wie ein Finger in den dunklen Himmel erhob. Es war komplett aus hellem Holz gebaut und stand somit im harten Kontrast mit den grauen Steinhäusern in seiner Umgebung. Die Türen und Fensterläden waren reich mit goldenen Schnörkeln verziert und hier und da konnte er lebhafte Schnitzereien erkennen. Am Dach und oberhalb der Fenster hingen schneeweiße Papierlaternen, die stets entzündet waren und die Fassade erhellten. Nir wandte sich langsam von dem beeindruckenden Gebäude ab, das für ihn jedoch nichts anderes bedeutete, als einen langen Aufstieg und den Launen seines Vaters ausgesetzt zu sein. Er ging seufzend weiter und plötzlich erklang etwas, das er noch nie in seinem ganzen Leben gehört hatte. Ein markerschütterndes, tiefes Brüllen hallte über die Stadt, das ihm unter die Haut fuhr und ihn innerlich erstarren ließ. Auf den Fersen drehte er sich um und sah nach Westen, wo sich das mächtige Gebirge Himmelflucht erhob. Wie ein riesiger, schwarzer Zahn ragte der gewaltige Berg Eiovagl empor, an dessen östliche Flanke die Stadt gebaut worden war und seine schneeweiße Spitze aus der Dunkelheit der Nacht hervorstach. Erneut ertönte dieses furchteinflößende Brüllen und eine unangenehme Gänsehaut breitete sich auf seinen Armen aus. Seine Nackenhaare hatten sich leicht aufgestellt und ein Zittern durchfuhr seinen Körper.
´Was war das? So etwas habe ich noch nie gehört! Mag das… womöglich ein Drachenruf gewesen sein? Nein, das kann nicht sein. Wilde Drachen gibt es in dieser Gegend schon lange nicht mehr und schon seit Jahrzehnten wurde keiner mehr gefangen, geschweige denn erblickt´, schalt er sich innerlich und rieb sich über seine fröstelnden Arme.
Angestrengt lauschte er weiter in die Nacht hinein, konnte jedoch nichts weiter hören, als das Treiben der Stadt um sich herum. Nir schüttelte leicht den Kopf und entspannte sich langsam wieder. Wärme kehrte in seinen Körper zurück und die Gänsehaut verschwand. Kurz zögerte er noch, doch dann setzte er seinen Heimweg fort.
´Was für ein Tier kann aber ansonsten so einen mächtigen Schrei ausstoßen? So wie es geklungen hat, kam es vom Gebirge, doch dort befinden sich nur Kuh- und Schafweiden. Keiner von ihnen bringt so etwas zustande. ´
In Gedanken versunken, überquerte er den breiten, ringförmigen Marktplatz, der sich um das Verwaltungsgebäude zog und betrat die südliche Himmelsstraße. Sobald Nir die Himmelsstraße betreten hatte, stieg ihm der Geruch von gebratenem Fleisch in die Nase, gefolgt vom Duft süßer Teigwaren und süffigem Wein. Obwohl es schon recht spät war, waren noch viele Menschen unterwegs, weswegen noch einige Stände in den Straßen geöffnet waren. Dahinter erhoben sich eng aneinander gepresste, zweistöckige Steinhäuser, an deren flachen Schindeldächern weiße Papierlaternen hingen und an jeder Ecke der hellen Dächer befanden sich kauernde Abbildungen der vier Gottheiten, zum Schutze des Hauses. Nir verlangsamte seinen Schritt und beobachtete das bunte Treiben, doch niemand außer ihm schien das Gebrüll bemerkt zu haben.
´Wahrscheinlich hörten sie es in ihrem Suff nicht mehr´, dachte er leicht bitter, als ihm zwei Männer schwankend entgegenliefen und sich dann an einem Gebirgsbrunnen erfrischten, von denen es hunderte in der Stadt gab.
Leicht seufzend wandte er sich von ihnen ab und ging die gerade Straße weiter. Hin und wieder wurde er von Betrunkenen angerempelt, die auf dem Weg nach Hause waren und lallend Lieder zum Besten gaben. Ein paar Mal wurde er von Verkäufern mit Bauchläden angesprochen, aber nachdem sie erkannten, wer er war, ließen sie ihn in Ruhe, sobald er ablehnte. Je weiter er ging, desto weniger Menschen waren auf der Straße und so erweckte es seine Aufmerksamkeit, als er eine Menschentraube am Rand der Straße erblickte. Hoffnung loderte in ihm auf, dass sie womöglich das Brüllen gehört hatten. Schnell ging er näher, merkte jedoch schnell, dass nicht das Brüllen Anlass für die kleine Menschentraube war.
„Diesen Fraß soll ich essen?“, rief ein stark untersetzter Mann mit Glatze, dessen Wangen schon stark gerötet waren, „nicht mal meinem Hund würde ich so was Widerliches zum Fressen geben!“
Demonstrativ hob der Mann eine völlig perfekt aussehende, gebackene Feige hoch und zeigte sie den Umstehenden, die zustimmend murmelten. Nir runzelte verwirrt die Stirn, ging noch näher heran und konnte die dürre Verkäuferin an ihrem groben, roten Baumwollkleid und deren langen schwarzen Haaren erkennen, die ihr wie ein Vorhang ins Gesicht fielen. Sie stand in sich zusammengesunken hinter ihrem Wagen voller Backfeigen und schien bei jedem Wort des Mannes ängstlich zusammenzuzucken. Wut kochte in ihm hoch, denn er mochte es nicht, wenn Frauen schlecht behandelt wurden. Plötzlich schleuderte der Mann die Feige in das Gesicht der Frau, die erschrocken zurückwich und gegen die Wand hinter sich stolperte. Selbst Nir zuckte überrascht zusammen und ließ seine Wut gegenüber dem Mann und den Menschen drumherum steigern.
„Das nächste Mal bleib von der Straße fern! Niemand mag deinen Dreck kaufen!“, keifte der Mann und sah die Frau mit glasigen Augen wütend an.
Zustimmendes Gemurmel schien ihn nur noch mehr anzustacheln und mit einem Mal, spuckte er mitten in die Feigen hinein. Nir konnte das nicht länger mit ansehen, schob sich grob durch die Menschen und wollte schon etwas sagen, als sein Blick wieder auf die Frau fiel und ihm seine Worte ihm Hals stecken blieben.
„Hohl gefälligst deinen Besitzer, denn diese Leute in dieser Stadt wollen deinen selbstgemachten Fraß nicht!“, brüllte der Mann laut mit drohend erhobenem Zeigefinger und ging dann grimmig von dannen.
Die umstehenden Menschen wendeten sich ebenso langsam ab, doch beschwerten sich noch deutlich hörbar über die junge Frau und mehr als einmal fielen abfällige Schimpfwörter zu jener, die zitternd an der Wand lehnte. Nir stand da wie angewurzelt und versuchte das Mitgefühl hinunter zu drängen, das unweigerlich in ihm hinaufgekrochen war. Sein Blick glitt noch einmal zu der jungen, hübschen Frau, die sich mit leicht bebenden Fingern das Fett von der Wange wischte. Ihre dunkelorangen Augen waren zu Boden gerichtet und mit einer kleinen Handbewegung wischte sie kurz über ihre Augenwinkel, während sie zitternd in die Hocke sank. Für einen kurzen Moment lang sah er vor seinem geistigen Auge die Abbildungen der Drachen im Gang vor sich, die so mächtig und böse ausgesehen hatten. Nur jene gebrochenen, versklavten Wesen waren übriggeblieben und er wusste nicht warum, doch stimmte ihn der Gedanke etwas traurig. Langsam glitt sein Blick weiter hinunter und blieb an dem schwarzen, metallenen Ring um ihren Hals hängen, der matt das Licht der Laternen zurückwarf. Starr sah er auf den Ring, bis er sich bewusstwurde, wie blöd er aussehen musste und erwachte aus seiner Starre. Mit aller Macht wendete er den Blick von der Sklavin ab und zwang seine Füße, den Weg weiter zu gehen. Seine Gedanken hafteten jedoch weiterhin bei der jungen Frau, die so schwach und zerbrechlich gewirkt hatte. In Gedanken versunken wich er hier und da Betrunkenen aus, welche die Straße nutzten, um sich zu erleichtern und immer wieder schob sich ihr armseliger Anblick vor sein geistiges Auge. Je weiter er nach Süden gelangte, desto nobler und teurer wurde die Gastronomie und desto weniger Trubel herrschte auf der Straße. Bald darauf war er allein und mit einem Seufzen hob er seinen Blick und betrachtete die weißen Papierlaternen, welche die Straße erhellten und vor den geöffneten Lokalen hingen. Sein Blick schweifte umher und betrachtete die nun immer seltener werdenden Lokale, die langsam großen Wohnhäusern Platz machten. Obwohl die Mauern der Grundstücke im selben Grau gehalten waren, wie die Steinhäuser der Mittelständischen und Armen, erhoben sich dahinter die Anwesen in einem ganz anderen Antlitz. Zuerst wurden sie nur größer und deren metallenen Fensterläden reicher an Verzierungen, doch immer mehr und mehr wurde das teure Holz aus dem Süden verwendet. Immer mehr Verzierungen zogen sich über Wände und Fenster, während immer größere Teile der Häuser aus dunklem Holz gebaut waren. Wegen der hohen Mauern konnte er meist nur einen Blick auf deren letzten Stock und das Dach erhaschen, doch selbst im diffusen Licht des Mondes und der Laternen erkannte er die Schönheit der noblen Holzhäuser. Plötzlich blieb er mit dem Fuß an etwas hängen und fiel der Länge nach hin.
´Heut ist nicht mein Tag! ´, dachte er sich, während der glatte Stein des Weges ihm ins Gesicht drückte und er sich mit einem Seufzen aufrichtete.
Kurz klopfte er sich den Dreck von seinen Kleidern, ehe er hinter sich sah, um nach der Ursache seines Sturzes zu suchen. Auf dem Boden lag umgedreht ein großer Einkaufskorb aus Weidenruten und darum befanden sich mehrere Früchte, in alle Himmelsrichtungen zerstreut. Etwas schwarz und matt Glänzendes lag halb unter dem Korb verborgen und erweckte seine Aufmerksamkeit. Neugierig bückte er sich und zog das schwarze Etwas unter dem Korb hervor. Überrascht hielt er nun einen aufgeschnittenen Sklavenring in seiner Hand und drehte ihn so, dass er das Wappen darauf erkennen konnte. Im Schein der Laternen erkannte er eine Feder, die auf einem aufgeschlagenen Buch lag. Wie vom Blitz getroffen, ließ er den Ring fallen, wich erschrocken ein paar Schritte zurück und sah dann voller Horror auf seine Hand hinab, in der er den Ring gehalten hatte. Giftrotes Blut klebte daran und Kälte kroch in jedes seiner Glieder. Geschockt zuckte sein Blick zurück auf den Boden und erkannte erst jetzt große, helle Flecken, die in eine dunkle Seitengasse führten. Leicht taumelnd wich er weiter zurück und wischte hektisch das Blut mit einem Stofftaschentuch von seiner zitternden Hand. Plötzlich sah er in weiter Entfernung zwei Wächter mit Laternen in den Händen die Straße hinablaufen und Nir war kurz wie festgefroren.
´Nachtwächter! Ich muss hier weg! ´
Schnell stopfte er sein mit Blut beflecktes Taschentuch zurück in seine Hosentasche, drehte sich auf den Fersen um und ging zügig seines Wegs. Er wurde unbewusst immer schneller, mit der Hoffnung im Herzen, dass er sich versehen hatte und kein Dagon aus seinem Haus getötet worden war. Doch gaben die Blutjäger niemals ihre Opfer wieder her, sondern ließen sie ausbluten, um aus dem heilenden Blut Medikamente herzustellen. Der Rest des Körpers wurde den Hunden zum Fraß vorgeworfen und allein bei der Vorstellung wurde es Nir unglaublich schlecht. Fieberhaft überlegte er, wer das Haus vor ihm verlassen hatte und mit einem Mal wusste er, wessen Blut an seinem Taschentuch klebte. Es schnürte ihm die Kehle zu und Tränen stahlen sich aus seinen Augenwinkeln. Sein Herz dröhnte schwer in seiner Brust, als er an die immer freundliche Morango dachte, mit ihrem schneeweißen Haar und dem ewig währenden Lächeln in ihrem noch so jungen Gesicht. Die Sicht verschwamm vor seinen Augen und keuchend ließ er sich mit schmerzendem Herzen gegen eine Steinwand sinken. Der Schmerz schnürte ihm die Luft ab, ließ ihn erzittern und sich zusammenkrümmen. Ungehindert ließ er den Tränen freien Lauf und rutschte mit dem Rücken langsam die Steinwand herunter, bis er auf dem Boden saß. Er vergrub sein Gesicht in seinen Händen, krümmte sich zusammen und weinte lautlos in der Dunkelheit.

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