Der Ring der Erde

Kapitel 13

Sie schob sich durch die Menschen, die sie allesamt neugierig und erstaunt musterten und lief die Treppenstufen hinauf, zu ihrem Lieblingsplatz. Dort angekommen kletterte sie auf die Brustwehr und setzte sich im Schneidersitz hin. Die Wachen, die an ihr vorbei liefen nickten ihr zu und beachteten sie dann wenig. Sie waren es schon gewohnt, dass sie hier oben ihre Zeit verbachte.
„Herrin, es ist gefährlich auf der Brüstung zu sitzen! Ihr könntet herunter fallen!“
Sprach sie plötzlich jemand an und sie drehte ihren Kopf. Etwas hinter ihr stand ein großer junger Mann mit rötlichem Bart und in der typischen Rüstung der Mark. Sein langer grüner Mantel wehte sanft im Wind und das Panzerhemd, das wie Schuppen aussah leuchtete leicht. Sein silberner Helm war schlicht, dennoch war auf dem Scheitel ein Pferdekopf herausgearbeitet, an dessen Ende eine schwarze Pferdesträhne befestigt war. An seiner Seite baumelte ein Langes Schwert und in der Hand hielt er einen langen Speer.
„Dies ist mein Lieblingsplatz, ich bin es gewohn hier oben zu sitzen. Ich seid neu hier, nicht wahr?“
„Ja, Herrin. Ich komm aus Edoras und bin erst heute angekommen.“
„Wie ist Euer Name?“
„Halph, Hamephs Sohn, Herrin.“
„Ich heiße Gweneth… wenn Ihr besorgt um meine Sicherheit seid, Haleph Sohn des Hamephs, dann leistet mir doch Gesellschaft und sorgt dafür, das sich nicht herunterfalle.“
Und mit diesen Worten drehte sie sich um und sah wieder in die Ferne. Der Wind blies sanft und sie öffnete ihr langes dunkles Haar. In sanften Wellen fiel es nun ihrem Rücken hinunter und wog leicht in der Brise. Sie dachte an ihr zu Hause, an Erkenbrand und an den Ring, den sie am Finger trug. Plötzlich viel ihr ein Lied ein, dass sie früher oft gehört hatte und nun den Drang verspürte es zu singen.
„Stört es Euch, wenn ich ein Lied aus alten Tagen singe?“
Er stand neben ihr, denn er fürchtete immer noch, dass sie herunter viel.
„Nein, Herrin.“
Leicht lächelte sie und atmete tief ein. Nachdem sie sich an die Melodie erinnert hatte, kam der Text wie ganz von selbst.

Weißt du noch wies war?
Kinderzeit… wunderbar
Die Welt ist bunt und schön
Bis du irgendwann begreifst
Dass nicht jeder Abschied heißt
Es gibt auch ein Wiedersehn

Immer vorwärts Schritt um Schritt
Es gibt keinen Weg zurück
Was jetzt ist wird nie mehr ungeschehn
Die Zeit läuft uns davon
Was getan muss ist getan
Und was jetzt ist wird nie mehr so geschehn

Ein Wort zu viel in Zorn gesagt
Nen Schritt zu weit nach vorn gewagt
Schon ist es vorbei
Was auch immer jetzt getan
Was ich gesagt hab ist gesagt
Und was wie ewig schien ist schon Vergangenheit

Immer vorwärts Schritt um Schritt
Es gibt keinen Weg zurück
Was jetzt ist wird nie mehr ungeschehn
Die Zeit läuft uns davon
Was getan muss ist getan
Und was jetzt ist wird nie mehr so geschehn

Ach und könnt ich doch
Nur ein einzges Mal
Die Uhren rückwärts drehn
Denn wie viel von dem
Was ich heute weiß
Hätt ich lieber nie gesehn

Dein Leben dreht sich nur im Kreis
So voll von weggeworfner Zeit
Deine Träume schiebst du endlos
Vor dir her
Du willst noch leben irgendwann
Doch wenn nicht heute
Wann denn dann?
Denn irgendwann ist auch ein Traum zu lange her

Immer vorwärts Schritt um Schritt
Es gibt keinen Weg zurück
Was jetzt ist wird nie mehr ungeschehn
Die Zeit läuft uns davon
Was getan muss ist getan
Und was jetzt ist wird nie mehr so geschehn

Ach und könnt ich doch
Nur ein einzges Mal
Die Uhren rückwärts drehn
Denn wie viel von dem
Was ich heute weiß
Hätt ich lieber nie gesehn

(Kein weg zurück – wolfsheim)

Ihr Gesang hallte noch etwas nach, als sie ihn beendete. Traurig sah sie weiterhin in die Ferne und überlegte sich, was geschehen wäre, wenn sie nicht zur Tankstelle gegangen wäre, wenn sie den Ring nicht bekommen hätte… wäre sie dann gestorben? Als sie bemerkte, was sie gerade dachte, schollt sie sich innerlich.
´Die was wär wenn, Fragen sind unnötig… ich werde es sowieso nie erfahren. Und vielleicht ist das auch besser so.´
„Das war ein sehr schönes, aber trauriges Lied.“
Meinte jemand neben ihr und sie erschrak kurz. Sie hatte vollkommen die Anwesenheit von Haleph vergessen.
„Das war es wirklich.“
Ertönte eine helle Stimme hinter den beiden und sie drehte sich Ruckartig um. Kurz schwankte sie, doch eine feine Hand schoss nach vorne und hielt sie am Handgelenk fest, bevor Haleph reagieren könnte. Legolas ließ sie los, als sie wieder ihr Gleichgewicht fand und bot ihr seine Hand an. Dankbar nahm sie seine Hand in ihre und sprang so von der Brustwehr. Dankend lächelte sie ihn an, ließ seine leicht raue, dennoch zarte Hand los und strich ihr schokoladenfarbenes Kleid glatt.
Vor ihr standen Gimli, Aragorn, Théoden, Gamiling und zwei Männer, die sie nicht kannte. Der eine hatte dunkleres, fast schon rotes Haar und klare graue Augen, die hier fast jeder zu haben schien. Der zweite Mann besaß blondes Haar, welches ihm bis zu den Schultern vielen und aus seinen hellbraunen Augen, die im hellen Licht einen grünen Hauch besaßen, sah er sie abschätzend an. Sein Bart war dunkler und kürzer als seine Haare. Er war etwas größer als Théoden, mit breitem Kreuz und imposant in seiner Erscheinung. Seine dunklen Augenbrauen hatten sich abschätzend zusammen gezogen und legten somit seine Stirn in leichte Falten. Er trug eine andere, prunkvollere Rüstung und sie vermutete, dass er aus Edoras kam. Sie war hauptsächlich aus Leder und war mit metallenen Symbolen beschlagen.
„Wir haben Euch gesucht, Herrin.“
Meinte Gimli und stellte seine Axt ab, die beinahe genauso lang war wie er.
„Weswegen wurde ich gesucht?“
Fragte sie leicht nervös und verbeugte sich respektvoll, als Théoden sie ansah. Normalerweise hätte sie sich nie vor jemanden verbeugt, doch diese Autorität die in ihm wohne brachte sie dazu.
„Ich hörte von Gamling, dass es Euch zu verdanken ist, wie die Burg und der Wall gesichert wurden. Ich muss zugeben, dass ich sehr überrascht war von Euch zu hören.“
„Weil ich eine Frau bin, Herr?“
Warf sie dazwischen und sah ihn fest an. Langsam nervte sie es, dass die Männer dieser Welt  dachten, Frauen wären aus Porzellan. Die unbekannten Männer zuckten kurz zusammen und sie konnte die bösen Blicke von ihnen auf sich spüren. Immerhin hatte sie es gewagt ihren König zu unterbrechen und zwar auf eine recht unhöfliche Art und Weise. Er hingegen schien ihr es nicht übel zu nehmen und lächelte sogar.
„Wenn ich ehrlich bin dann ja, ich war überrascht von einer Frau zu hören, die hier größeren Respekt und Ehrerbietung genießt als ich.“
Gweneth schluckte schwer und sah ihn abwarten an. Je nachdem was für ein Mensch er war, würde sie entweder im Kerker landen, ihren Kopf verlieren oder es würde alles gut gehen.
„Hättet Ihr vielleicht die Güte uns in die Hallen zu begleiten, denn in aller Öffentlichkeit Dinge zu besprechen, die nicht für alle Ohren bestimmt sind, ist nicht ratsam.“
Gweneth nickte und ging Legolas hinterher, der leichtfüßig die Stufen hinab ging. Der kleine Trupp ging durch die Burg ins Innere der Halle und dort wurden die beiden Türen mit lautem gepolter geschlossen. Théoden wendete sich wieder zu Gweneth, deren Herz vor Aufregung laut pochte.
„Gamling erzählte mir bereits, wie Ihr hier gelangtet und dann halft die Burg auszubauen. Woher hattet Ihr diese wagemutigen Ideen?“
´Oh, verdammt.´
„Sie… waren einfach da.“
Log Gweneth und merkte, dass das auf keinen Fall ausreichen würde. Also versuchte sie es anders zu erklären.
„Wie erklärt ein Geschichtenschreiber seine Geschichten, wie ein Dichter das Entstehen seiner Gedichte? Sie nehmen im Kopf Gestalt an und entwickeln sich zu etwas großartigem. Ich kann Euch nicht genau sagen woher ich diese Ideen nahm. Sie erschienen mir einfach.“
Alle schwiegen und Gweneth erwiderte Théodes Blick fest.
„Nun gut. Es freut mich auf jeden Fall, dass die Burg nun uneinnehmbar geworden ist.“
„Verzeiht mein König, aber das ist sie nicht.“
Wiedersprach sie und erntete wieder böse Blicke von den zwei fremden Männern. Die anderen warteten nur gespannt ab. Ihr schien es sogar, als würde Aragon leicht schmunzeln. Offenbar gab es nicht viele, die es wagten einen König zu unterbrechen. Aber viel zu verlieren hatte sie nicht, vor allem wollte sie klar machen, dass sie keine schwache Frau war, die zu jedem ja und amen sagte.
„Es gibt in jeder Burg eine Schwachstelle. Die, die ich fand, besserte ich aus, doch es gibt gewiss noch welche. Wenn der Feind sie ausgemacht hat, wird er sie auch ausnutzen. Man sollte alles bedenken! Die eigene überzeugte Stärke, kann einem blind machen für alles weitere. Wir sollten nicht den Abend vor dem Morgen loben.“
Fügte sie hinzu und wartete nun ab. Der König schien zu überlegen und sie hoffte, dass sie nicht irgendwelche unsichtbaren Linien überschritten hatte.
„Ihr sprecht weise… doch um Fehler nun aufzudecken ist es wahrlich zu spät. 10 000 Orks werden gegen Nacht hier sein.“
Gweneth schluckte und eine Gänsehaut kroch ihr den Rücken runter. Das war wirklich eine beängstigende Zahl, die sie innerlich erzittern ließ. Schnell versuchte sie die Fassung wieder zu finden und atmete tief durch.
„Würdet ihr mit erklären, was es mit diesem Öl auf sich hat?“
Fragte Théoden und sah zu den fünf Kesseln, die gefüllt mit Öl waren.
„Ich dachte mir, dass es vielleicht eine gute Idee wäre, Öl zu erhitzen und dann auf die Orks hinab zu gießen. Auch kann es hilfreich sein die Tore zu schützen, wenn man es entzündet.“
König Théoden nickte und sah dann die Männer an.
„Es dämmert bereits, wir wollten uns für die bevorstehende Schlacht bereit machen. Gamling, bringt alle in die glitzernden Höhlen, die nicht kämpfen können. Éomer, geh hinaus und koordiniere die Mannen.“
Er nickte allen zu, die sich leicht vor ihm verbäugten und Gweneth tat es ihnen gleich. Die Männer gingen von dannen und sie beobachtete, wie Legolas, Gimli und Aragorn hinab zu der Waffenkammer gingen. Der Mann mit den braunen Augen, dessen Name offensichtlich Éomer war, ging zu den Flügeltüren.
Sie drehte sich um und lenkte ihre Schritte Richtung Gemacht, nicht merkend, dass ein Augenpaar ihr folgten.

Dort angekommen öffnete sie ihre Truhe und legte ihre Rüstung auf ihr Bett
Langsam strich sie mit ihren Fingern über ihre Rüstung und atmete tief ein.
´Nun ist es also soweit… mein Training macht sich jetzt bezahlt! Auch wenn ich Angst vor dem bevorstehendem habe.
Immerhin seh ich jetzt zum ersten Mal Orks, auch wenn ich allen anderen was anderes erzählt habe. Ich muss aufpassen, dass ich mir das nicht anmerken lasse, denn dann bin ich schneller in den Höhlen als ich bis drei zählen kann.´
Sie schnaubte laut und entkleidete sich dann bis auf BH und Unterhose. Als erstes zog sie die Lederhose an, die sie mit Knöpfen verschloss.
Das Leder war weich und dennoch dick und schmiegte sich angenehm an ihre Beine. Ein hellgrüner Pullover folgte und sie schloss einen Knopf an den Handgelenken. Damit rutschten die Ärmel nicht mehr nach oben und gaben Halt. Darüber zog sie den grünen kurzärmligen, Wams, der aus einem dickeren Stoff gewebt war.
Dann setzte sie sich auf ihr Bett und schlüpfte in die dunkelbraunen Stiefel, die sie mit Schnüren verschloss.
Schnell ging sie in die Hocke und freute sich, dass sie eine große Bewegungsfreiheit in den Sachen besaß.
Dann stand sie wieder auf und sah auf die Rüstung hinab.
Mit dem linken Arm und den Kopf schlüpfte sie in den Brustpanzer und schnallte ihn dann an ihrer rechten Seite fest. Erfreut konnte sie feststellen, dass er ihr immer noch passte. Sie zog ihre langen Haare aus der Rüstung und flocht sie zu einem Zopf.
Danach befestigte sie ihre Schulterpanzer, die sie an den Trägern mit Schnallen anheftete und mit weiteren Riemen an ihrem Oberarm sicherte.
Darauf folgten die Oberschenkel- Und Schienbeinschoner die sie ebenso mit Schnallen befestigte.
Schließlich legte sie ihr Schwert an und betrachtete sich danach von oben herunter. Sie sah wirklich aus, wie eine Kriegerin. Stolz erfüllt sie und sie schnappte sich noch den dunkelgrünen Umhang, den die ebenfalls an den Schultern befestigte.
Zuletzt zog sie noch ihre Handschuhe an, die ihr bis den Ellenbogen ging und atmete tief durch. Vorsichtig nahm sie ihren schweren Helm in die Hand und zurrte ihn mit einem ledernen Band an ihrem Gürtel fest.
Sie sah aus ihrem Fenster und merkte, dass der Abend schon anbrach.
´Bald ist es soweit… aller Schicksale in dieser Burg und vielleicht der von Mittelerde entscheidet sich heute.´
Tief atmete sie ein und öffnete die Tür, nicht sicher, ob sie für den Krieg genug gewappnet war.

Kapitel 1-10

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