Der Ring der Erde

Kapitel 14

Langsam ging sie durch den nur spärlich beleuchteten Gang und gelangte in die Halle. Eine drückende Stimmung herrschte und die meisten der Männer waren draußen. Die wenigen, die in der Halle waren, bemerkten sie nicht. Langsam ging sie zu einem Essenskorb, schnappte sich leise ein Stück Brot und schenkte sich Wein, verdünnt mit Wasser ein. Dann ging sie in eine dunkle Ecke der Halle und setzte sich auf den Boden. Sie beobachtete, wie ganze Massen von Männern und Kindern in die Waffenkammer hinab gingen und bewaffnet wieder herauskamen. Ihr zerriss es fast das Herz, als sie kleine Jungen erblickte, die mit voller Angst ein Schwert hielten, das fast genauso lang war wie sie selbst.
´So was dürfte nicht geschehen… es ist zu traurig… Kindersoldaten… vor langer Zeit, im dritten Reich, wurden auch Kinder an die forderste Front geschickt, aber sie waren nichts als Kanonenfutter… die gib es jetzt sogar noch in Afrika…bei Ihnen hier ist es ähnlich. Zu gerne würde ich etwas tun… aber ich weiß genau, dass sich die Meinung des Königs nicht ändern lässt… er mag mich schon sowieso nicht… hab ihm wohl etwas die Show gestohlen… aber diese Kinder… sie sollten in die Höhlen gehen. Doch ich bezweifele, dass mir jemand helfen wird.´
Langsam kaute sie auf dem Brot rum und wünschte sich plötzlich die ganzen Annehmlichkeiten ihres Zuhauses zurück. Sie versuchte die schrecklichen Bilder der Kinder zu verdrängen und mit Belanglosigkeiten zu ersetzten.
´Was würd ich jetzt alles für eine Pizza geben… aber ob ich die hinunter bekommen würd weiß ich jetzt auch nicht. Oder Chinesische Nudeln im Shanghai Restaurant!
Über eine Dusche würde ich mich auch freuen… mit den ganzen Duftölen, dem Shampoo und den Frotteehandtüchern, die nicht so kratzen wie die hier. Ein flauschiges Bett und dazu ein romantischer Film…`
Ihre Gedanken schweiften ab und blieben jedoch letzten Endes an der Schlacht hängen.
´Ich hoffe, es wird mir nicht allzu sehr zusetzten. Immerhin denken alle, dass ich schon einmal Orks gesehen habe… wie die wohl aussehen? Muss schon schlimm sein, so wie die Leute immer von ihnen sprechen. Erkenbrand hätte mir vielleicht mal Tote zeigen können. Dann hätte ich gewusst auf was ich mich hier einlasse.´
Ihr Magen zog sich unangenehm zusammen.
´Ich wünschte Erkenbrand wäre hier… er gibt mit immer die Sicherheit die ich brauche… schade, dass ich eigentlich nur freundschaftliche Gefühle oder brüderliche für ihm empfinde. Er wäre sicher ein guter Fang… vor allem ist er immer so nett zu mir gewesen und hat mich respektiert.´
„Setzt Euch nicht der kühle Stein langsam zu.“
Fragte jemand und sie hob ihren Kopf. Vor ihr stand Aragon, der immer noch etwas lädiert aussah. Er ging zu ihr und setzte sich neben ihr hin. Tief seufzte er und Gweneth wartete neugierig was er zu sagen hatte.
„Ihr wollt also Kämpfen, Gweneth?“
„Ist das nicht offensichtlich, Aragorn?“
Er lächelte leicht und sah auf die Menge der Menschen.
„Ihr kennt also meinen Namen…“
„So wie Ihr meinen kennt… war es des Königs Befehl, dass Kinder, die noch nie eine Waffe hielten in die Schlacht geschickt werden?“
Aragorn nickte düster und lehnte sich an die Wand. Gweneth beobachtete ihn kurz und sie sah, wie er vor ihren Augen ein normaler, verletzlicher Mensch wurde.
„Er will sein Volk beschützend…“
„Und dabei wirft er den Orks Kinder zum Fraß vor.“
Unterbrach sie ihn scharf und ihr Gesichtsausdruck wurde härter.
„Man sollte die Kämpfen lassen, die es verstehen zu Kämpfen.“
Aragorn schmunzelte und strich sich mit der Hand durch sein Haar.
„Und ihr könnt kämpfen?“
Blitzschnell fuhr ihr Kopf herum und funkelte ihn an.
„Würde ich ansonsten eine Rüstung tragen, die eigens für mich gefertigt wurde?“
Dann wand sie sich wieder ab und spielte mit der Brotscheibe in ihren Händen herum.
„Gamling bildete mich aus.“
„Dann müsst ihr wahrlich gut sein, wenn ihr seine Schülerin ward.“
Gweneth lächelte leicht und sah ihn freundlicher an.
„Ich bin gut… doch wie gut das wird sich zeigen.“
Ihr Blick fiel plötzlich auf seine rechte, verletzte Schulter, die noch nicht versorgt wurde.
„Wartet hier!“
Mit einem Satz war sie auf den Beinen und mit schnellen Schritten war sie in dem Gang des Krankenflügels. Sie wusste, dank ihrer Verletzungen, in welchem Raum Alkohol und Verbandsmaterial aufbewahrt wurde und zielstrebig ging sie darauf zu. In dem kleinen Raum schnappte sie sich schnell eine kleine Flasche, zwei kleine Tücher und ein langer, schmaler Stück Stoff. Damit ausgestattet ging sie wieder in die Halle zurück, in der reges Treiben herrschte und ging zu Aragorn, der immer noch auf dem Boden saß.
Sie kniete sich neben ihm und besah sich die Wunde. Auf seinem Oberarm zog sich ein langer, tiefer Schnitt.
„Ihr müsst euch nicht drum kümmern.“
Murmelte Aragorn und wollte ihr den Arm schon entziehen, als sie ihm einen bösen Blick zuwarf und er sie dann doch ließ. Sie tauchte ein Stück des Stoffes in Alkohol und säuberte die Wunde. Aragorn zuckte zwar kurz zusammen, doch auf seinem Gesicht konnte sie keine Regung erkennen. Schnell hatte sie die Wunde gesäubert, mit einem alkoholgetränkten Tuch belegt und verbunden. Sie stellte das Zeug in die Ecke und setzte sich wieder neben ihm.
„Ich danke Euch, auch wenn es nicht von Nöten war.“
Sie zuckte nur mit den Schultern und lächelte ihn dann an.
„Es war von Nöten. Noch die kleinste Verletzung kann zu einer Blutvergiftung führen und den stärksten Mann nieder ringen.“
„Kennt ihr euch im heilen aus.“
Jetzt lachte Gweneth und schüttelte den Kopf.
´Arztserien, Mittelalterfilme angucken und Mittelalterbücher lesen kann manchmal recht hilfreich sein.´
„Nein, aber wie man kleine Wunden behandelt ist Allgemeinwissen.“
Er sah sie abschätzend an.
„Meine Reisen führten schon über die meisten Teilen Mittelerdes. Doch eine Frau wie Ihr mit Eurem äußeren und Eurem Wissen ist mir noch nie begegnet.“
„Dann ward ihr noch nie weit südlich genug.“
Meinte sie nur knapp und hoffte er würde aufhören zu fragen.
„Legolas erzählte mir Eure Geschichte, wie ihr hier her gelangtet.“
Innerlich seufzte Gweneth tief auf und hoffte, sie würde nicht mit ihrer Tarnung auffliegen.
„Ich nahm immer an, dass alle Länder südlich von Gondor dem schwarzen Herrscher folgen würden. Wieso wurdet ihr dann überfallen?“
`Oh, oh.`
„Nicht alle Länder im Süden stehen unter seiner Herrschaft. Mein Land hat sich gegen ihn gestellt, auch wenn es damit allein sein mag. Es ist nicht einfach für uns, aber wir lassen uns nicht unterdrücken… vermutlich waren die Überfälle ein Racheakt von Sauron oder Saruman, da wir uns ihnen nicht anschlossen und seine Boten in die Wüste schickten.“
„Wir wird euer Land genannt?“
´Oh, scheiße… wie heißt das nochmal alles südlich von Gondor? Irgendwas mit haradadwahhh… hariwi… ach keine Ahnung!´
„Ich komme aus Haradwah, liegt südlich von der Hauptstadt von Harad. Ein kleines Land, kaum zu sehen auf den Karten Mittelerdes.“
Aragorn zog seine Augenbrauen hoch und sie fürchtete, dass er wusste, dass sie log.
„Es müssen starke Orks gewesen sein, die Euch entführten, wenn sie durch die Wüste mussten. Dabei verabscheuen sich das Licht.“
„Ich war genauso überrascht wie Ihr.“
Log sie munter ins Blaue hinein. Beide schwiegen und innerlich zitterte Gweneth, ob er ihr glauben würde.
„Verzeiht, aber ich muss mich langsam für den Kampf vorbereiten. Ich danke Euch für die Pflege meiner Verletzung, wenn Ihr mich nun entschuldigen würdet.“
Er stand auf und nickte zum Abschied. Gweneth nickte ebenfalls und als er nicht mehr zu sehen war, entspannte sie sich innerlich.
´Hoffentlich hat er nichts bemerkt.´
Sie ließ ihren Kopf gegen den kühlen Stein sinken und schloss die Augen. Die kühle des Steins durchdrang sie und bald fing sie an zu frieren. Schnell nahm sie einen Schluck vom Wasser-Wein-Gemisch und fühlte sich sogleich besser. Die Stimmung wurde immer drückender und Traurigkeit schlich sich in ihr Herz. Sie dachte an ihr Haus, ihre Eltern und ihre beste Freundin. Eine Welle der Einsamkeit überrollte sie und die Dunkelheit schien immer näher zu rücken. Schnell blinzelte sie ihre Tränen weg und versuchte nicht krankhaft an ihr altes zu Hause zu denken. Es gab momentan wichtigere Dinge, als ihre Gefühlswelt. Kurz schniefte sie leise auf und fing sich wieder. Hastig aß sie nun ihr Brot und trank ihren Becher aus.
„Herrin, Gweneth?“
Ertönte eine unbekannte Stimme und sie hob erstaunt ihren Kopf. Vor ihr stand der braunäugige Mann, der sie fassungslos ansah.
„Was tut Ihr hier? Alle Frauen und Kinder sind in die Höhlen gebracht worden. Ich dachte Ihr wäret dabei gewesen?!“
„Ich werde nicht in die Höhle gehen! Die ganze hier, war meine Idee und ich will dabei sein, wenn sie umgesetzt wird.“
„Es ist zu gefährlich!“
Nun stand sie langsam auf und richtete sich in ihrer vollen Größe auf. Leider war sie immer noch kleiner als er und demzufolge war ihre Erscheinung für ihn nicht im mindestens bedrohlich.
„Mag sein…, dennoch werde ich kämpfen und mich nicht verstecken!“
„Ihr seid eine Frau, Ihr solltet nicht Kämpfen! Überlasst das den Männern!“
Sein Gesicht war gerötet vor Zorn, dennoch wollte sie ihm nicht nachgeben.
„Und was soll ich Eurer Meinung nach lieber tun? Hinuntergehen und Däumchen drehen? Oh nein, mein Herr, ich kann und ich will nicht tatenlos rumsitzen, mit Angst im Herzen ob die Menschen, die mir am nächsten sind morgen womöglich nicht mehr leben! Und nur weil ich einen Frau bin, sollte ich nicht von jemand bevormundet werden! Kein König, kein Herrscher kann mir Befehle erteilen! Ich bin frei und alt genug selbst meine Entscheidungen fällen zu können.“
Atemlos sah sie ihn an und durchbohrte ihn mit ihren Blicken. Er schwieg nur kurz und musterte sie.
„Dennoch solltet ihr nicht kämpfen…“
Fügte er nun ruhiger hinzu und seine braunen Augen sahen sie nun sanfter an.
„Weshalb? Und sagt jetzt nicht, weil ich eine Frau bin.“
Er schien zu überlegen und sah sie lange an.
„Ihr habt nicht die nötige Durchhaltekraft und körperliche Stärke um Orks zu töten.“
Kurz hielt er inne und fuhr dann zögernd, fast als wäre es ihm peinlich zu sagen:
„Außerdem wäre es eine Tragödie, wenn solch eine schöne Frau wie Ihr es seid von diesem Antlitz der Erde verschwinden würde.“
Sie hatte damit gerechnet, dass er auf die Körperlichen Schwächen von ihr zu sprechen kam, dennoch hatte sie nicht mit einem Kompliment gerechnet. Zwar hatte sie schon früher Komplimente bekommen, doch noch von keinem Mann wie ihm. Stolz und aufrichtig in seiner mächtigen Rüstung stand er vor ihr und sah sie ernst aus seinen rehbraunen Augen an. Ihr Herz machte einen kleinen Hüpfer und sie Ärgerte sich deswegen.
„Ihr habt Recht.“
Murmelte sie mit schwacher Stimme und ärgerte sich, dass sie sich so hilflos und schwach anhörte. Sie atmete tief ein und mit jedem Wort wurde ihre Stimme wieder fester.
„Ich bin schwächer als Ihr… darin besteht kein Zweifel. Aber dafür bin ich wendiger und schneller.“
Gweneth erwiderte seinen Blick stur und lächelte ihn an, als sie in seinen Augen Sorgen lesen konnte.
„Macht Euch um mich keine Sorgen… ich hatte nicht vor in der ersten Reihe zu kämpfen. Ich werde versuchen nützlich zu sein. Zwar kann ich gut mit dem Schwert umgehen, aber so gut bin ich dann auch nicht, dass ich die ganze Nacht hindurch kämpfen kann.“
„Kann ich Euch nicht umstimmen?“
Fragte er mit rauer, eindringlichen Stimme und ihr lief eine angenehme Gänsehaut den Rücken hinunter.
„Nein… nicht wirklich…. Selbst wenn Ihr mich einsperren würdet, würde ich einen Weg wieder hinaus finden.“
Kurz schwiegen sie sich an und sahen sich in die Augen.
„Ihr erinnert mich an meine Schwester Éowyn.“
Meinte er plötzlich und sie hob verdutzt ihre linke Augenbraue hoch.
„Sie würde auch am liebsten kämpfen, doch nun ist sie in den Höhlen und mir bestimmt nicht gerade freundlich gesinnt.“
„Nein, ich denke das wird sie Euch noch ziemlich lange nachtragen.“
Meinte sie mit einem Grinsen und musste an die stolze Éowyn denken, die nun vor Wut kochend in den Höhlen saß.
„Ich hoffe nicht! Manchmal wünschte ich lieber mit einem Drachen zu kämpfen, als mit ihr zu diskutieren.“
Sagte er mit gefürchteter Miene und verzog sein Gesicht. Das brachte Gweneth zum Lachen und er stieg in ihr kurzes Lachen mit ein. Er löste etwas in ihr aus, das sie eine lange Zeit lang nicht mehr gespürt und nach dem sie so sehnlichst gesucht hatte. Doch kein Mann aus ihrer Welt, hatte ihr Herz in so kurzer Zeit zum Erzittern gebracht wie er. Liebevoll betrachtete sie sein Lachendes Gesicht und sie versuchte sich jegliche Lachfalte ins Gedächtnis einzuprägen. Er war so anders als Leoglas, dessen offensichtliche Schönheit und Perfektion das Herz zum Erzittern brachte.
Plötzlich verbäugte er sich leicht vor ihr und verdutzt sah sie ihn an.
„Ich stellte mich noch gar nicht vor. Mein Name lautet Éomer, Éomunds Sohn und dritter Marshall der Mark.“
Nun verbäugte sie auch sich und grinste ihn an.
„Wie Ihr schon erwähnt hattet, heiße ich Gweneth, die aus dem Süden kam.“
Eine plötzliche, tiefe Zuneigung überrollte sie und sie konnte nichts tun als sie hinzufügte.
„Es würde mich zutiefst Ehren, Herr Éomer, wenn Ihr mich nicht so förmlich ansprechen würdet.“
Er schien kurz überrascht zu sein, doch ein Lächeln stahl sich dann auf sein Gesicht.
„Wenn das dein Wunsch ist, komme ich dem gerne nach.“
Leicht verbäugte er sich vor ihr und sie grinste ihn dick an.
„Wollen wir nicht hinausgehen Das kochende Öl verbreitet nicht gerade ein angenehmer Geruch.“
„Sicher.“
Nebeneinander liefen sie durch die große Halle und die kleine. Draußen, stellten sie sich an die Brüstung bei den Treppen und Gweneth lehnte sich dagegen. Sie bemerkte, wie er sie musterte und sah ihn fragend an.
„Ist etwas?“
Fragte sie und ertappt sah er schnell weg.
„Verzeih, doch nie zuvor sah ich eine Frau in Rüstung… es ist etwas ungewohnt.“
Leicht lächelte sie und strich mit der Hand über den kühlen, alten Stein.
„Bist du in deiner Heimat, auch eine Kriegerin?“
Fragte er neugierig und zauberte ein dickes Grinsen auf ihr Gesicht.
„Nein… in meiner Heimat bin ich eine Künstlerin. Ich male, zeichne und behaue Stein zu Figuren. Das Kämpfen erlernte ich erst hier.“
„Ist es bei Euch im Land verboten als Frau zu kämpfen?“
Er lehnte sich nun ebenfalls gegen die Brüstung und sie merkte, wie nah er ihr war. Ihre Arme berührten sich fast. Kurz biss sie sich auf die Lippe um sich wieder auf ihr Gespräch zu konzentrieren.
„Nein. Es gibt auch Frauen, die Kriegerinnen sind… in meinem Land sind Frauen und Männer gleichgestellt.“
Überrascht zog er seine dunklen Augenbrauen hoch und sah hinab in den Hof des zweiten Rings.
„Dann… verrichten auch Männer Frauenarbeit?“
„Was verstehst du unter Frauenarbeit?“
Er überlegte und seufzte.
´Offensichtlich will er nicht das falsche sagen. Wie süß!´
„Nun, hier in Rohan, Gondor und den meisten anderen Ländern wird das kochen, putzen und Erziehen der Kinder den Frauen überlassen. Ebenso stricken und schneidern…“
„Bei uns machen das die meisten Frauen auch noch… doch können sie sich auch dagegen entscheidet und… kriegerischen Dienst leisten oder zu mindestens Arbeiten gehen. Aber du hast recht, das wären auch bei uns die typische Frauenarbeit.“
Dabei lächelte sie leicht und dachte plötzlich an ihre Mutter, die immer gerne gestrickt hatte. Ein Stich bohrte sich in ihr Herz und ein Schatten huschte über ihr Gesicht. Éomer schien es bemerkt zu haben.
„Verzeih, Gweneth, dass ich von deiner Heimat sprach. Es muss düstere Erinnerungen geweckt haben.“
Doch sie schüttelte den Kopf und verbannte das Bild ihrer Eltern aus ihrem Kopf.
„Schon gut… ich vermisse zwar meine Heimat und alle die ich dort kenne, aber selbst wenn ich könnte, kann ich nicht umkehren.“
„Warum nicht?“
Sie drehte langsam ihren Kopf und sah ihn lange an.
„Wie könnte ich in Zeiten wie diesen gehen? Ich würde mich schrecklich fühlen, alles hinter mich zu lassen, nicht wissend, was hier geschieht. Außerdem will ich nicht von der Gefahr weglaufen… wie ein Feigling.“
Fügte sie murmelnd hinzu.
„Manchmal wäre es besser, man wäre ein Feigling und würde davon laufen. Zu mindestens würde man dann am Leben bleiben.“
„Das würde ich so nicht sagen.“
Verwundert sah er Gweneth an und zog wieder seine Augenbrauen hoch.
„Ich persönlich denke, dass man so lange Lebt wie Go… wie es Eru vorgesehen hat. Ob man dabei vom Feind getötet wird oder von einer Leiter fällt und sich das Genick bricht ist Schicksal.“
„Ihr glaub an Schicksal?“
Raunte er und wieder lief ein wohliges Schaudern durch ihren Körper.
„Manchmal.“
Sanft lächelte sie und sah in den dunklen Himmel, der sich am Horizont langsam rot färbte.
´Es war bestimmt das Schicksal, das mich hier her gebracht hat.´
„Gweneth…“
Sagte er plötzlich mit sanfter, eindringlicher Stimme, doch dann wurde er von einem hellen Horn, das in weiter Ferne tönte unterbrochen. Innerlich verfluchte sie das Horn, das ihn unterbrochen hatte.
„Wer mag das sein?“
Sie zuckte nur mit den Schultern und warteten ab. Das Tor wurde geöffnet und im Gleichschritt schritt eine kleine Armee durch die Höfe, bis sie vor den Treppen stoppte. Sie alle trugen lange Umhänge, die sie fast komplett umgaben. Nur ab und an konnte man das glitzern goldener Rüstungen erkennen. Jeder Von ihnen hielten in der rechten Hand einen langen Bogen. Sie waren hoch gewachsen und hatten feine, ernste  Gesichtszüge.
„Elben!“
Murmelte sie und sah die Neuankömmlinge freudig an.
König Théoden ging an ihnen vorbei und blieb unterhalb der Treppe stehen. Fassungslos sah er auf die Elben, als ein Mann hervortrat. Er trug einen roten Umhang, der ihn allerdings nicht verbarg und somit seine goldene, fein gearbeitete Rüstung zeigte. Seine Haare waren blond und das Deckhaar in Flechten zurückgebunden. Freundlich ging er auf den König zu und verbäugte sich. Erst jetzt konnte sie seine spitzen Ohren sehen.
„Wie ist das möglich?“
Fragte Théoden erstaunt und an den Elb gewandt.
„Ich bringe Kunde von Elrond von Bruchtal. Eins bestand ein Bündnis zwischen Elben und Menschen. Vor langer Zeit kämpften und starben wir Seite an Seite.“
Sprach er huldvoll mir sanfter, melodischer Stimme. Plötzlich standen Aragorn und Legolas auf den Treppen und starrtenden Neuankömmlinge überrascht an. Der Elb und der König hatten die beiden Bemerkt und sahen sie an.
„Dies Bündnis wird nun erneuert.“
Sprach der Elb weiter und lächelte zaghaft. Aragron schritt schnell die Stufen hinunter und sagte etwas auf elbisch. Stürmend umarmte er dann den Elb und sprach:
„Ihr seid wahrlich Willkommen!“
Schließlich begrüßten sich Legolas und der Elb auf elbische Art und Weise. Sie legten die Hand auf die Schulter des anderen und sahen sich freudig an. Auf einen geheimen Befehl hin, wanden sich die Elben um und setzten geräuschvoll ihre langen Bogen ab.
„Wieder mit den Menschen in die Schlacht zu ziehen, erfüllt uns mit Stolz.“
Sprach er nun wieder an den König gewandt. Der schien noch völlig perplex und nickte nur. Aragorn zog den Elb und Théoden beiseite und Éomer richtete sich neben ihr auf.
„Gweneth. Ich werde gebraucht.“
Raunte er bestimmend und Sie nickte, Angst legte sich auf ihr Herz.
´Toll, jetzt muss ich mich auch noch um ihn Sorgen.´
„Pass auf dich auf Éomer!“
„Pass du auf dich auf! Mögen wir beide die Nacht überleben.“
Schweigend sahen sie sich an, bis er schließlich ihr zunickte und sie leicht enttäuscht zurück ließ. Sie wusste zwar nicht, was sie von ihm erwartet hatte, aber solch eine kühle und distanzierte Geste war es nicht.
´Obwohl… immerhin kennen wir uns ja erst seit heute… aber interessanterweise zieht er mich mehr an, als Legolas es je tun würde. Vielleicht liegt das daran, dass ich mehr auf den robusten typ steh, als auf Jünglinge. Und selbst wenn ich mich rein theoretisch in Legolas verlieben würde, ist er ein Elb und lebt ewig, während ich alter und irgendwann wie eine faltige Rosine eingeh.´
„Herrin?“
Ertönte eine Stimme hinter Ihnen und riss sie aus ihren Gedanken. Einer der zwei Soldaten, die über das Öl wachen sollten, stand vor ihnen.
„Wohin sollen wir das Öl bringen, Herrin?“
„Bringt zwei zu den Toren, verteilt die restlichen drei entlang des Walls.“
Er verbeugte sich vor ihr und ging wieder hinein in die Burg.
Die Ölkesseln wurden an ihr vorbei geschleppt und sie ging hinterher. Bei jedem Ölkessel gab sie vier Männer die Aufgabe sich darum zu kümmern und gab ihnen Warnungen, was passieren würde, wenn das Öl das Wasser berührt.
„Und falls es regnet, dann deckt das Öl mit euren Umhängen ab!“
Gab sie die letzte Instruktion und eilte dann zum Nächsten.
Der Himmel hatte sich schon verdunkelt und die angespannte Atmosphäre war greifbar zu spüren. Still gingen Männer hin und her uns positionierten sich. Schließlich hörten sie von weit draußen Kampfeslärm, die von dem Wall, der in einiger Entfernung zur Hornburg war, herüberschallte.
´Sie kommen.´
Von den anderen hatte sie nichts mehr gesehen und niemand schien sie auch zu beachten. Schließlich entschied sie sich über die Tore zu gehen und eilte die Treppe nach oben, währenddessen zog sie sich ihren Helm über.
Dort standen schon viele Krieger, die ihre Speere mit unbewegter Miene umklammerten und sie entdeckte weiter vorne drei Jugendlichen, die ängstlich ihre Äxte hielten.
Vorsichtig schob sie sich durch die großen Männer, die sie ohne zu murren hindurchließen und gelangte so zu einer Schießscharte, durch die sie hindurchsah.
Doch was sie dort sah, drang ihr durch Mark und Bein. Eine Feuerflamme schien ihnen entgegen zu kriechen und wohin das Augen blickte waren nur Feinde. Vom weiten und im Schein ihrer Fackeln erhaschte sie einen Blick auf deren Gesichtern. Solch schreckliche Fratzen hatte sie noch nie in ihrem Leben gesehen. Rote und gelbe Augen glühten in verstümmelten Gesichtern. Tiergeräusche drangen über ihre wulstigen und gespalteten Lippen. Mache waren riesig und stolzierten mit erhobenem Haupt und grunzen über die Felder. Manche schlürften mehr und manche waren gebeugt und alle waren in irgendeiner Weise entstellt.
Sie schluckte schwer und fing vor Angst an zu zittern. Ihr wurde es regelrecht schlecht und ihre Finger verkrampften sich, als diese Kreaturen immer näher kamen. Unweigerlich stiegen ihr Bilder von Dämonen aus Höllendarstellungen in den Sinn und sie wusste, dass diese Kreaturen nichts weiter waren als herzlose Dämonen, die alles Zerfleischen wollten was ihnen in den Weg kamen.
Gweneth hatte gehofft, dass sie es schaffen würde, das alles zu ertragen, doch jetzt merkte sie deutlich, dass sie in einer anderen Welt, mit anderen Gefahren groß geworden war.
´Vielleicht sollte ich nicht die ganze Zeit hier Kämpfen. Ich behindert bestimmt die andern Krieger…. Mensch Gweneth! Jetzt sei Mal kein Angsthase… aber Angst habe ich schon… sogar ziemliche Angst… vielleicht sollte ich einfach den Anfang mitmachen und mich dann zurückziehen… immerhin konnte ich Aragorn behilflich sein mit seinen Wunden und vielleicht kann ich den Heilerinnen hier behilflich sein…. Ich könnte Leben retten… und sogar versuchen die Jungen mit einzubeziehen.´
Schnell pfiff sie die drei Jungen zu ihr, die sie neugierig ansah und schließlich näher trotteten. Eigentlich wusste sie, dass sie nur eine Ausrede gesucht hatte dem zu entfliehen, aber dies war ihr erster Kampf, ihre erste Begegnung mit Orks. Da durfte man, ihrer Meinung nach, etwas schummeln.
„Hört mir gut zu! Wenn die beiden Ölkessel leer sind, werde ich in die Burg gehen und ihr werdet mitkommen.“
Sie wollten protestieren doch sie hob die Hand.
„Ich brauch nämlich eure Hilfe. Wenn hier die Schlacht ausbricht, möchte ich, dass ihr drei zusammen über das Schlachtfeld geht und die Verwundeten einsammelt und zu mir bringt. Das ist eine wichtige Aufgabe und ihr könnt mir helfen Leben zu retten! Werdet ihr mir helfen?“
Fragend sah sie die drei abwechselnd an, die schließlich zustimmten. Obwohl sie in Gweneths Augen sehr mutig waren, waren es dennoch Kindern. Sie schienen genauso froh zu sein, nicht lang kämpfen zu müssen wie Gweneth.
„Gut, dann bleibt in meiner Nähe. Ich werde versuchen Euch zu schützen“
Meinte sie und richtete ihr Augenmerkt wieder auf die Feinde, die immer näher rückten und deren Rüstungen scheppernden.
Die Luft war zum Zerschneiden gespannt und sie spürte, wie Adrenalin durch ihren Körper strömte. Stumm standen alle da und starrten auf das kommende Unheil. Die Elben schienen wie Statuen, die mit unbewegter Miene hinaussahen. Plötzlich donnerte es und Gweneth zuckte erschrocken zusammen. Ein weiterer Donner mit einem grellen Blitz fegte über den Himmel und Regen fiel erst zaghaft, dann in Strömen auf sie hinab. Das Scheppern der Orkrüstungen wurde immer lauter und ließ sie innerlich noch mehr erzittern.
´Nun beginnt es also.´

Kapitel 1-10

1

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5

6

7

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9

10

Kapitel 11-20

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18

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20

Kapitel 21-30

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28

29

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Kapitel 31-40

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38

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Kapitel 41-50

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44

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47

48

49

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Kapitel 51-60

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