Kapitel 19
Verwirrt sah sie Gandalf an, der sie immer noch anstarrte. Doch meinte sie hinter seinem verwirrten und entsetzten Blick tiefe Zuneigung zu erkennen.
„Ich… ich denke Ihr verwechselt mich mit jemanden.“
Erst als ihre Stimme ertönte, wich der erschrockene Blick aus seinen Augen und kurz schüttelte er seinen Kopf.
„Natürlich, verzeiht Gweneth, ich habe Euch mit jemand verwechselt, der ihr sehr ähnlich seht.“
Jetzt war Gweneths Neugierde geweckt, gerade weil er wusste, dass sie einen Ring trug und sogar an welcher Hand.
„Würde es Euch stören kurz mit mir unter vier Augen zu sprechen?“
Fragte er, wobei es mehr nach einer Aufforderung, als nach einer Frage klang.
Gweneth spürte, dass Erkenbrand sich versteifte und tief einatmete.
„Verzeiht, Herr Gandalf, aber ich fürchte Ihr müsst Euch noch ein wenig gedulden. Gweneth ist verletzt und ermattet. Sicher könnt Ihr Morgen mit ihr sprechen.“
Meinte Erkenbrand beschützerisch und sah Gandalf standhaft an.
„Schon gut, Erkenbrand.“
Zwar schmeichelte ihr es, dass er um ihr Wohl besorgt war, aber dennoch konnte sie das selber entscheiden.
´Außerdem, bin ich äußerst neugierig… Wer wohl diese Mallos ist? Vielleicht kann er mir ja alle Fragen beantworten, die ich habe.´
„Ich werde nur meine Wunde versorgen lassen und mich erfrischen. Danach würde ich mich sehr gerne mit Euch unterhalten.“
Gandalf nickte ihr zu und lächelte leicht.
„Mein Zimmer befindet sich auf Eurer Ebene, die letzte Türe auf der linken Seite ist die meine.“
Gweneth nickte und Gandalf setzte geschwind seinen Weg fort. Erkenbrand stand noch kurz da und Gweneth bat ihn, sich umzudrehen, damit sie die Gefährten sehen konnte. Er tat wie geheißen und sie konnte nun in die Gesichter der drei lesen, dass sie ebenso überrascht von Gandalfs Verhalten war wie sie selber. Jedoch bemerkte sie auch, dass Éomer gegangen war und verspürte ein Ziehen in der Brust. Jedoch versuchte sie nicht an dessen Bedeutung zu denken.
„Wisst ihr, wer diese Mallos ist?“
Ihr Blick ging zwischen Aragorn und Legolas hin und her, die jedoch beide ratlos schienen.
„Nicht einmal du, Legolas? Sie müsste eine besondere Person gewesen sein, wenn sie solchen Respekt gegenüber Gandalf genießt.“
„Selbst in der langen Zeit in der ich lebe, ist dieser Name mir vollkommen unbekannt. Wie steht es mit dir, Aragon? Du kennst Gandalf besser und länger als fast kaum jemanden.“
„Mit Ausnahme von Frodo vielleicht.“
Aragorn lächelte leicht und fuhr jedoch dann ernster wieder fort.
„Doch auch ich habe diesen Name auch noch nie gehört. Jedoch werden wir es auch nicht in Erfahrung bringen, es sei denn Gandalf möchte sein Wissen mit uns teilen. Du musst wissen, Gweneth, dass er nur so viel verrät, wie er preisgeben mag.“
Langsam stieg Aragorn die Stufen hoch und Gimli und Legolas schlossen sich ihm an. Als sie auf derselben Höhe waren wie sie, setzte sich auch Erkenbrand in Bewegung.
„Wie ist Gandalf so?“
Aragorn schien zu überlegen, während sie durch die Vorhalle schritten.
„Ein fähiger Zauberer und ein weiser Mann. Ein Freund in Nöten und ein guter Gefährte. Jedoch birgt er viele Geheimnisse, die er nicht gerne preisgibt.“
„Auch spricht er nicht so gerne von sich selbst.“
Brummte Gimli, als sie in die Haupthalle eintraten, in der schon ein paar Männer die Leichen beiseite räumten.
„Glaub mir, Mädel, aus dem bekommst du nichts raus, was er es nicht auch sagen will. Wir haben es oft genug probiert… oder zu mindestens die Halblinge.“
Er lachte leise und die beiden Gefährten grinsten.
„Halblinge?“
Fragte Gweneth neugierig, denn Erkenbrand hatte von ihnen nichts erzählt.
„Es gibt sie also wirklich. Bei uns leben sie nur in alten Sagen und Legenden, die nur noch die wenigsten wissen.“
Meinte Erkenbrand worauf Aragorn antwortete.
„Sie gibt es durchaus. In euren Augen mögen sie wie Kinder aussehen, sind aber in Wirklichkeit ausgewachsen. Sie leben weit weg von hier, in einem grünen Land und sind besonders gesellige Gefährten.“
„Und nichts als Blödsinn haben die im Kopf!“
Polterte Gimli und knurrte leise.
„Die stellen jeden Unsinn an, der nur möglich sein kann!“
„Die muss ich unbedingt kennen lernen.“
Meinte sie mit einem Grinsen im Gesicht und Erkenbrand blieb stehen, ebenso die drei Gefährten.
„Ich bringe dich hoch.“
Murmelte Erkenbrand.
„Ich hoffe du bekommst mehr aus Gandalf heraus, als wir es vermögen würden.“
Brummte Gimli.
„Wir werden sehen.“
Antwortete sie lächelnd und sah dann zu Legolas und Aragon die ihr beide zunickten.
„Mögest du einen erholsamen und nicht allzu kurzen Schlaf erfahren.“
Säuselte Legolas mit seiner melodischen Stimme und lächelte wieder sein strahlendes Lächeln.
„Danke.“
Sie warf einen kurzen Blick zu den glitzernden Höhlen, deren Tore immer noch verschlossen war. Offensichtlich sollte erst einmal das Schlachtfeld bereinigt werden, bevor man die Frauen und Kinder mit den Leichen und dem Unglück der Schlacht konfrontierte.
Erkenbrand ging plötzlich zielstrebig auf einen der Männer zu, die gerade damit beschäftigt waren, Orkleichen hinaus zu schaffen und die anderen zu sammeln.
„Schickt eine Heilerin hoch in Gweneth Gemacht. Sie ist verletzt und soll umsorgt werden.“
Befahl er mit rauer und kräftiger Stimme, worauf der Krieger ohne zu Murren nickte, eilig eine Flügeltüre öffnete und in die Höhlen huschte. Erkenbrand drehte sich um und trug sie in die Richtung ihres Gemachs.
„War das wirklich nötig? So schlimm ist doch meine Verletzung gar nicht.“
Meinte sie, während er die Wendeltreppe hinauf stieg.
„Keine Verletzung sollte man unbehandelt lassen. Nur weil du jetzt dem Tod entgangen bist, kann er dich immer noch holen.“
´Also auf gut Deutsch, sie soll sich nicht entzünden… hätte ich ja auch dran denken können. Aber … fühle ich mich trotzdem nicht wohl dabei, jemanden von den Kranken abzuziehen, damit man sich um mich kümmert. Ich hoffe es kommt keiner zu Schaden, wenn sie fehlt.´
Schon waren sie in ihrem Gang und öffneten dann umständlich die Türe zu ihrem Gemach. Dort setzte er sie behutsam auf ihr Bett und setzte sich dann selbst auf die Bettkante. Sorgen beschatteten seine Augen und mit einem Mal sah er älter und müder aus. Unwillkürlich streckte sie ihren unverletzten Arm aus und berührte sanft seine Wange. Ihm entfuhr ein tiefer Seufzer und sie lächelte schwach.
„Du siehst so aus, wie ich mich fühle.“
Meinte sie und zog ihre Hand zurück.
„So schlimm also?“
Sie nickte und Erkenbrand strich sich über seinen Bart.
„Du hast mir wirklich Angst gemacht, Gweneth.“
„Ich weiß… es tut mir leid.“
„Du hättest nicht kämpfen sollen.“
„Wer weiß was dann geschehen wäre.“
Er schützte seine Lippen.
„Dann wärest du aber nicht verletzt.“
„Das kann man nie wissen… und im Vergleich zu anderen geht es mir gut.“
Zweifelnd sah er sie an und sie hoffte, dass er es ihr abnehmen würde. Denn wirklich gut ging es ihr nicht.
„Das muss doch vollkommen neu für dich sein… der Krieg, der Tod und all… all das hier! Wie kann es dir da gut gehen? Du lebtest in Frieden und bist hier gestrandet, zur schlimmsten nur erdenklichen Zeit unseres Zeitalters!“
Gweneth zuckte mit den Schultern und sah auf ihre Hände hinab.
„Es ist schwer… keine Frage… aber, nun bin ich hier. Ich muss das alles akzeptieren… all das hier! Ich würde sonst… untergehen.“
Murmelte sie und sah betroffen auf ihre Hände hinab. Sie mochte es nicht über ihre Gefühlswelt zu sprechen, denn dann wäre sie gezwungen über ihr erlebtes nachzudenken und dafür war sie noch nicht bereit.
„Erzähl mir wie es dir ergangen ist… es hieß, dass ihr am Ufer des Isen geschlagen worden ward.“
Erkenbrand seufzte und sah kurz an ihr vorbei, bevor er zu erzählen begann.
„Das wurden wir auch. Die Orks waren in der Überzahl und zersprengten unsere Truppe. Wir waren gezwungen in kleinen Gruppen zu fliehen und wir wussten nicht wie viele von uns überleben würden. Ziellos ritten wir umher und immer wurden wir von Orks angegriffen, als wir versuchten umzukehren. Doch dann fand uns Gandalf und mit seiner Macht schafften wir es die Orks zu schlagen und die zerstreuten Gruppen in ganz Rohan zu einigen. Als wir bereit waren, kehrten wir um, um euch Hilfe zu leisten und es schien, als kämen wir gerade rechtzeitig.
Mit Gandalf an der Spitze schlugen wir die Orks nieder, die nicht mehr mit uns gerechnet hatten und konnten sie somit töten.“
Er hielt kurz inne, als ob er etwas abwägen wollte, schwieg aber dann.
„Mit seiner Macht?“
Er lächelte leicht und strich sich wieder über seinen Bart.
„Weniger mit Magie als du gern geglaubt hättest. Nein, Gandalf besitzt die Fähigkeit Furcht in des Feindes Herzen und Mut in die des Freundes zu legen. An seiner Seite fühlt man sich, als ob man nicht zu fürchten braucht. Eine sehr beeindruckende Fähigkeit.“
„Du hältst sehr viel von ihm.“
„Ja, das tue ich. Ohne ihn wäre die Schlacht um Helms Klamm verloren gewesen.. und ich hätte dich verloren.“
In seine Augen trat erneut diese Traurigkeit, die Gweneth tief im Herzen berührte.
Sie strich ihm schnell über den Arm, als ob sie ihm versichern wollte, dass sie neben ihm saß.
„Es ist nun alles gut…“
Flüsterte sie und sah ihm jedoch nicht in die Augen. Sie hätte ansonsten das Gefühl gehabt ihn zu belügen. Erkenbrand wollte erneut ansetzen, doch er wurde von einem leisen Klopfen unterbrochen.
„Herein!“
Rief Gweneth und eine Heilerin, die sie vom Sehen her kannte trat ein. Als sie Erkenbrand entdeckte, verbeugte sie sich schnell.
„Mein Herr, verzeiht dass ich Eure Unterhaltung störe.“
Er jedoch winkte ab und stand dann auf. Kurz lehnte er sich zu Gweneth und raunte ihr ins Ohr: „Sei nicht immer so stark.“
Dann küsste er sie auf den Scheitel und lächelte sie müde an.
´Ich bin nicht so stark, wie du denken magst´
„Wir sehen uns, ja?“
Gweneth nickte und grinste breit, aber ebenso müde. Ohne noch ein Wort zu sagen ging er zur Tür, warf ihr ein Lächeln zu und verschwand.
Somit wurde Gweneth Aufmerksamkeit auf die Heilerin gelenkt, die gerade Wasser in eine Schüssel leerte und den Lappen befeuchtete.
„Soll ich Euch helfen Eure Rüstung abzulegen?“
„Ja, bitte.“
Die Heilerin trat näher und vorsichtig zogen beide die Rüstung aus, bis sie in Unterwäsche vor der Frau saß.
Zuerst wurde ihre Wunde mit Alkohol gereinigt, was Gweneth die Tränen in die Augen trieb und schließlich verbunden. Der Rest von ihrem Körper wurde ebenso wenig verschont und unter dem sanften Druck des Lappens gereinigt. Unter dem Dreck und dem Blut von ihr und anderen, zeigten sich langsam große blaue Flecke und unzählige Kratzer, die auf jedem ihrer Glieder zu sein schien.
Leicht verärgert betrachtete Gweneth auf ihrem Oberschenkel einen Fußball großen blauen Fleck, der sich langsam lila färbte. Vorsichtig strich sie mit der Fingerkuppe über die blaue Haut, während die Heilerin ihr den Rücken wusch.
´Scheiße… den hab ich bestimmt noch ewig.´
Nach einigen Minuten hatten sie Gweneth fertig gewaschen und deren verschmutztes und dreckiges Haar gekämmt. Sorgsam wurden diese zusammengebunden und sie half ihr in ein dunkelblaues Kleid und ihre Schuhe. Ihr verletzter Arm wurde in eine Schlinge gelegt und damit hatte die Heilerin ihr Werk vollendet.
„Ich danke Euch, für Eure Hilfe.“
„Gerne geschehen, Herrin.“
Sie verbeugten sich voreinander leicht und dann ging die Heilerin schnell aus ihrem Gemach. Gweneth atmete noch einmal tief durch und versuchte ihr Herz zu beruhigen, dass vor Nervosität etwas schneller schlug, als sie an das zukünftige Gespräch mit Gandalf dachte.
´Jetzt hab dich nicht so… du wolltest die ganze Zeit wissen, was es mit dem Ring auf sich hat und nun liegt dir die Antwort quasi zu Füßen! Okeeee…dann geh ich Mal! Auf zum Zauberer!“
Und mit diesen Gedanken stand sie auf, verließ ihr Gemach und ging durch den Gang zum Gemach des Zauberers.
Kurz vor der besagten Tür blieb sie kurz stehen, atmete noch einmal tief ein um Mut zu sammeln und klopfte dann.
„Herein!“
Ertönte es daraufhin dumpf und leicht zögernd öffnete sie die Tür.
Dieses Zimmer war größer, wenngleich genauso weiß gekalkt wie ihres und dennoch ganz anders. Ein riesiges Himmelbett stand neben zwei großen Fenstern, die mit dicken dunklen Vorhängen verdeckt waren. Ein Wandschrank stand gegenüber dem Bett und auch hier befand sich ein großer Zuber. Rechts des Bettes befand sich ein großer, schlichter Kamin und davor standen zwei Stühle, auf denen einer Gandalf saß.
Durch das Feuer des Kamins war es hier gemütlich warm und sie fühlte sich sogleich wohl, obwohl der Zauberer sie mit hellen blauen Augen musterte.
Sie schloss die Tür hinter sich und begrüßte ihn mit einem nicken. Er war aufgestanden und begrüßte sie mit derselben Art und Weise.
„Nehmt doch Platz, Gweneth.“
Er deutete auf den Stuhl ihm gegenüber und sie folgte seiner Geste. Nervös strich sie sich eine Strähne hinter ich Ohr und er sah sie aus seinen blauen Augen freundlich, wenn gleich auch abschätzend an.
„Wie ich sehe, seht Ihr nicht nur in der Rüstung umwerfend aus.“
Gweneth lächelte dank des Kompliments und zupfte kurz an ihrem Kleid rum.
„Obwohl ich kämpfe, heißt das nicht, dass ich keine Frau bin, Gandalf.“
Sagte sie gerade raus und er lachte leise darauf. Leicht strich sich über seinen weißen Bart der im Schein des Feuers orange leuchtete. Seine Augen ruhten auf ihr und Gweneth fühlte sich seltsam geröntgt. Eine kurze stille herrschte, die jedoch Gweneth nicht brechen wollte.
„Die Ähnlichkeiten sind wirklich verblüffend.“
Murmelte er plötzlich und seine Augen glitzerten von etwas, das sie nur schwer zu deuten wusste. Schalk, Freude aber auch eine tiefe Melancholie konnte sie ausmachen. Die Neugierde war in Gweneth nun vollends entfacht und unweigerlich lehnte sie sich etwas nach vorne.
„Mit dieser Mallos?“
„Oh ja. Mehr als Euch bewusst sein mag.“
„Und wer ist sie?“
Gandalf seufzte tief und sah sie dann eindringlich an. Ihr Herz pochte vor Aufregung schneller.
„Bevor ich dir diese Frage beantworten kann, würde ich gerne erneut Euren Ring betrachten.“
Überrascht sah sie ihn an, denn er hatte ihn bereits gesehen und sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Dennoch zögerte sie nur kurz. Sie drehte ihre linke Hand so, dass er gut zu sehen war und im Schein des Feuers brach er sich in tausenden Farben.
Gandalf beugte sich nach vorne und betrachtete den Ring genauer. Dann lächelte er leicht und seine rauen, langen Hände strichen über den Stein des Ringes.
„Ihr kommt nicht aus dieser Welt, nicht wahr?“
Fragte er plötzlich und Gweneth wurde es auf einmal unglaublich heiß. Dennoch wusste sie instinktiv, dass sie ihm nichts verbergen konnte und entschied sich die Wahrheit zu sagen.
„Woher wisst ihr das?“
Flüsterte sie nun schon fast und beugte sich neugierig weiter nach vorne.
„Erzählte Euch Erkenbrand, wie unsere Welt entstand? Von Morgoth und Sauron?“
Eifrig nickte sie und er holte tief Luft.
„Nun gut, dann lasst mich mit dem Anfang beginnen ansonsten würdet Ihr es vielleicht nicht verstehen… Im zweiten Zeitalter wurden von den Elbenschmieden in Eregion und von Sauron in Mordor Ringe der Macht geschaffen und die zu den mächtigsten Zauberwerkzeugen von ganz Mittelerde zählten und es immer noch sind.
Alle Ringe bestanden aus einem Band aus Edelmetall und mit einem außergewöhnlichen Edelstein besetzt, bis auf den Herrscherring, der mit besonderen Zeichen beschrieben war. Sie vermochten das Leben eines Sterblichen bis ins Unendliche zu verlängern, wenngleich dieser seine Vitalität nach und nach verlor und sein Dasein für ihn immer mehr zur Qual wurde.
Zunächst fertigte die Gwaith-i-Mírdain, das waren eine Vereinigung von Elben aus dem Volke der Noldor, mehrere geringere Ringe unter Saurons Anleitung. Einige Zeit später schmiedete dieser im Feuer des Orodruin, der auch Schicksalsberg genannt wird, heimlich einen Meisterring, der die Macht besaß, alle anderen zu beherrschen. Jedoch wurden noch weitere Ringe von Celebrimbor, dem Obersten der Gwaith-i-Mírdain, allein und ohne Saurons Wissen geschaffen.
Als Sauron von Celebrimbors Verrat erfuhr, verlangte der Dunkle Herrscher alle Ringe für sich. Die Neun Ringe und einige der Sieben Ringe konnte er im Verlauf der Kriege mit den Elben in seinen Besitz bringen. Der Legende nach wurden jedoch die vier Ringe von Celebrimbor erfolgreich vor ihm versteckt.
Die Neun Ringe gab Sauron an Könige, Magier und große Krieger der Menschen weiter, die er zu Knechten seines Willens machte und die allmählich ins Schattenreich übertraten. Aus ihnen wurden die Ringgeister, Saurons gefährlichsten Waffen, die später Nazgûl genannt wurden.
Die Zwerge vermochte Sauron mit den Sieben Ringen nicht unter seine Herrschaft zu zwingen, da diese nur daran dachten, ihren Reichtum zu vermehren.
Die vier Ringe, die unberührt von der Bosheit Saurons waren, wurden eingesetzt um Wissen zu erweitern, zu heilen und gutes zu vollbringen.
Der eine trägt den Namen Vilya, der Ring der Luft, der in Bruchtal bei Elrond verwahrt wird. Nenya, der Ring des Wassers, befindet sich in Lothlórien bei der Herrin Galadriel und der dritte Ring Narya, der Ring des Feuers besaß einst Círdan, der Schiffbauer bevor er ihn mir übergab.“
Er hob seine linke Hand und wenige Sekunden später erschien an seinem Mittelfinger ein massiver goldener Ring, besetzt mit einem Rubin. Gweneth keuchte und sah Gandalf ungläubig an, als der Ring wieder von seinem Finger verschwand.
„Nur wenn ich es möchte oder der Herrscherring gebrochen ist, ist der Ring sichtbar.“
Er ließ seine Hand sinken und sah nun Gweneth eindringlich an.
„Und was habe ich damit zu tun?“
Flüsterte sie leise, besah ihren Ring und eine leise Vorahnung beschlich sie. Mit den Fingerspitzen strich sie über die drei goldenen Stränge, die kunstvoll ein wunderschönes, zartes Muster bildeten.
Gandalf folgte ihrem Blick und fuhr dann fort zu erzählen.
„Dieser Ring wird Amanya genannt, der Ring der Erde, der vierte der so lange verschollen war.“
Ihr Herz schlug ihr im Hals und sie konnte noch nicht wirklich begreifen, was das nun für sie bedeutete.
„Wie kommt es, dass er nun im meinen Besitz ist? Ich komme nicht von dieser Welt!“
Er seufzte und wirkte plötzlich im Schein des Feuers ungeheuer alt. Erst da fragte sie sich, wie lange er wohl schon auf dieser Welt wandelte.
„Ich werde all eure Fragen beantworten, jedoch erlaubt es mir von dem Anfang zu erzählen.“
Gweneth nickte schnell und er fuhr fort.
„In den Zeiten des Ersten Zeitalters wurde eine Elbin geboren mit dem Namen Mallos, die so ganz anders war, als ihre blasshäutigen Verwandten. Ihre Haut war wie trockene Erde, ihre Haare wie der Stamm eines Baumes und in ihren Augen vereinten sich die Edelsteine und Edelmetalle der Welt. Ihr Lächeln war gleich eines funkelnden Diamanten und ihr Lachen wie der Gesang des Wassers.“
Seine blauen Augen leuchteten plötzlich und ein leichtes Lächeln legte sich auf seine Lippen.
„Sie war eine beeindruckende Elbin und ich habe ihre Weisheit, Güte und ihre Verbundenheit zur Natur sehr zu schätzen gewusst.
Es war also nicht verwunderlich, dass sie die Hüterin von Amanya wurde.
Durch diesen Ring, spürte sie die Schwingungen von der Natur und half den Elben und später den Menschen sich mit ihr auseinander zu setzen und sie zu achten.
Das war jedoch nicht die einzige Macht, die in dem Ring inne wohnte. Mit ihm konnte sie gleich eines Flügelschlages über Arda wandeln und zu jeder Zeit an jeden Ort gelangen.
Doch dann bemerkte sie, dass es nicht nur ihre Welt gab, sondern eine andere, die friedlich neben unsere existierte. Ihr gelang es schließlich die Grenze zwischen den Welten zu überschreiten und in diese einzutreten.“
Er fixierte Gweneth plötzlich und sie konnte sich schon denken, was das für eine Welt gewesen war.
„Als sie wieder heimkehrte, war sie begeistert von dem Einfallsreichtum der Menschen, die ohne Magie und fremde Hilfe prächtige Bauwerke schaffen konnten.
Wir alle glaubten ihr wenig, bis sie uns eines Tages in diese Welt mit hinüber nahm und wir dies mit unseren eigenen Augen sehen konnten.
Wir alle waren beeindruckt, doch keiner konnte und wollte dort leben, denn dank unserer Erscheinung und unserer Unsterblichkeit war uns dies zu Nichte gemacht worden. Außerdem war Arda unsere Heimat.
Wir kehrten also zurück und betraten die Welt nicht noch einmal, außer Mallos, die an den Menschen mit dem wachen Geist Gefallen gefunden hatte.
Dies hätte ewig so weiter gehen können, bis Galadriel eine Vision hatte und Mallos in den Zauberspiegel sah.
Was sie gesehen haben musste, musste schrecklich gewesen sein, denn sie verschwand in die andere Welt und kehrte nie mehr zurück.“
„Was sah sie in dem Spiegel?“
„Das weiß ganz niemand genau, außer Galadriel und Mallos. Galadriel erwähnte nur ein einziges Mal, dass sie eine mögliche Zukunft sah, wie sich Sauron den Ring bemächtigte und beide Welten versklavte und auslöschte.“
Ihr lief ein Schauer über den Rücken.
„Mit den Waffen der Menschen, wäre das kein Problem.“
Flüsterte sie und hielt ihren Blick starr ins Feuer gerichtet. Somit sah sie nicht seinen etwas ungläubigen und dennoch neugierigen Gesichtsausdruck.
„Was könnten dies für Waffen sein? Stärkere Waffen als die, die er bereits besitzt können doch nicht existieren!“
Halb belustigt schnaubte sie auf und sah Gandalf traurig an.
„Ihr habt nicht die geringste Vorstellung darüber, was für grausame Waffen wir besitzen und auch benutzen! Bei uns gibt es Waffen, die hunderttausend Menschen auf einen Schlag auslöschen und das Land über Tausende von Jahren verseucht. Wir besitzen Waffen, dagegen sind die Orks ein Haufen Miezekätzchen!“
Zischte sie schon fast und starrte wieder in die Flammen.
„Oh Gandalf, ihr habt keine Ahnung…“
Flüsterte sie wieder und sackte in dem Stuhl zusammen. Müdigkeit und Erschöpfung überrollte sie und ihre Glieder wurden immer schwerer.
Gandalf schwieg und beide sahen still ins Feuer hinab, bis er schließlich die Stille durchbrach.
„Dann müsst Ihr so schnell wie möglich in eure Welt heimkehren!“
Flüsterte er eindringlich und sie sah in seine Augen, die sich in ihre bohrten.
„Der Ring und damit auch Ihr, seid hier nicht sicher! Falls Sauron Euch findet wird er keine Ruhe finden, bis er den Ring in seinem Besitz weiß und beide Welten unterworfen hat.“
„Ihr habt recht… aber bisher ist es mir noch nicht gelungen von einem Ort zum nächsten zu wandern. Das einzige was ich kann, ist die Schwingungen der Natur wahrzunehmen…. Könnt ihr mir nicht dabei helfen? Ihr seid ein Zauberer und Ihr kanntet Mallos!“
Traurig lächelte er und schüttelte seine Kopf.
„Da kann ich Euch leider nicht weiter helfen. Sie sagte mir nie, wie sie die Macht des Ringes für sich nutzte.“
Er lehnte sich zurück und sah auch ins Feuer. Enttäuschung breitete sich in ihr aus, denn sie hatte wirklich auf seine Hilfe gehofft.
„Wir kommt es, dass ich hier bin, Gandalf? Es war nicht mein Wunsch hier her zu kommen.“
Er sah auf und musterte sie eine Weile. Er legte seine alte Hand unter sein Kinn und dachte kurz nach.
„Welchen Umstand habt ihr es denn zu verdanken hier her gelangt zu sein?“
„Naja… ich wurde… von einer Waffe aus meiner Welt angeschossen. Und als ich die Augen wieder aufschlug, war ich hier.“
Gandalf schwieg und betrachtete sie aus unergründlichen blauen Augen.
„Der Ring… wird Euch beschützt haben. Wahrscheinlich wäret Ihr gestorben, ohne ihn.“
„Und warum ausgerechnet Mittelerde?“
„Vermutlich brachte er Euch an den Ort zurück, an dem Mallos Hilfe und Heilung erfahren hatte. Die Erinnerung an sie sind immer noch in diesem Ring tief verborgen.“
Plötzlich dachte sie an den Traum zurück, in dem sie sich selbst sah.
´Vielleicht bin nicht ich das… sondern Mallos… sie hat mir versucht zu erklären, wie der Ring zu benutzen sei. Aber wie hab ich ihn dann erhalten? Also, Mallos ist in meine Welt gekommen und dort geblieben…. Kann es sein, dass ich eine entfernte Verwandte von ihr bin? Nein, das ist doch absurd… ich, die verwandte einer Elbin… aber fragen kostet ja nichts.´
„Bin ich Mallos Nachkomme, wenn ich ihr so ähnlich sehe und den Ring in meinem Besitz ist?“
„Sagt Ihr es mir. Erzähl mir von Eurer Familie, vielleicht kann ich dann mehr sagen.“
Gweneth drehte den Ring um ihren Finger und erinnerte sich an ihre Familien Geschichten zurück, die ihre Mutter ihr erzählt hatte.
„Meine Vorfahren… waren allesamt dunkelhäutig und dunkelhaarig… und soweit ich weiß werden wir kaum krank oder leiden an irgendwelchen Krankheiten… meine Mutter hat mir einst erzählt.. dass ihre Tante Bethina 100 Jahre alt wurde, aber dann am gleichen Tag starb, wie ihr Ehemann.“
Ihre Stirn runzelte sich plötzlich als ihr etwas einfiel.
„Meine Familie…. Wird allgemein sehr alt… und stirbt mit den Partnern.“
Sie hob ihren Blick und meinte ein leuchten in Gandalf Augen lesen zu können.
„Die Elben leben intensiver als die Menschen. Wenn sie jemand anderen lieben gelernt haben, bleiben sie ihm treu und sterben oft vor Kummer an dem Verlust ihres Geliebten.“
Er lehnte sich zurück und strich sich mit den langen Fingern durch seinen weißen Bart.
„Ich bin der Ansicht, dass Ihr aus der Linie von Mallos stammt. Euer Äußeres, das sie widerspiegelt, die lange Lebensdauer, die Resistenz gegenüber Krankheiten, die bedingungslose Liebe und euer Name sind Beweis genug.“
Verdutzt sah sie auf.
„Mein Name?“
„Erzählte Euch Legolas nicht von deren Bedeutung?“
„Nein.“
„Nun… Euer Name bedeutet in Sindarin, der Sprache der Elben, Jungfräulichkeit oder auch Unberührtheit.“
Sie spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss und senkte schnell den Kopf.
´Dann passt ja mein Name gar nicht zu mir… ich mein… ich hatte schon mal nen Freund!´
„Ich nehme an, dass dies ein alter Familienname sei.“
„Ja, Ihr habt recht… meine Oma hieß so. Jedoch weiß ich nicht wie lange der Name schon zurückgeht.“
Kurz blickte sie nach oben, doch falls Gandalf gesehen haben soll, wie sie errötetet war, ließ er es sich nicht anmerkten. Schnell sah sie wieder nach unten und betrachtete wieder ihren Ring.
„Kann jeder diesen Ring benutzen?“
„Ich nehme an, dass nur der, der aus der Linie von Mallos stammt den Ring wie sie verwenden kann.“
´Also war ich nur zur falschen Zeit am falschen Ort…. Oder zur richtigen Zeit am richtigen Ort, je nachdem wie man es sieht… Aber Gandalf hat recht, ich muss diese Welt verlassen, denn wenn wirklich Sauron dahinter kommen sollte, dass der Ring wieder in Mittelerde ist, hab ich ein Problem. Ich muss mich ja nicht unnötig zur Zielscheibe machen lassen. Aber… eigentlich… will ich denn zurück? Kann ich das all hinter mich lassen?´
Eine Zerrissenheit legte sich auf ihr Herz und sie spürte, wie ein großes Gewicht auf ihre Brust drückte.
„Ihr solltet üben den Ring zu kontrollieren, denn wenn einmal der Herrscherring zerstört und seine Macht gebrochen ist, besteht die Möglichkeit, dass Ihr nie wieder heim kehren könnt.“
Geschockt hob sie ihren Kopf und sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an.
„Geschieht… geschieht dies denn bald?“
Krächzte sie mit gebrochener Stimme und Angst schnürte ihr die Kehle zu.
„Der Ring befindet sich bei Frodo, der schon auf den Weg zum Schicksalsberg ist, in dem er vernichtet werden soll. Ich weiß nicht wie viel Zeit Euch noch bleibt.“
Sie nickte wieder und sah steif in die Flammen. Das Feuer konnte sie nicht mehr wärmen.
Ihre anderen Fragen erschienen ihr plötzlich nichtig und wertlos. Sie musste erst einmal über die ganzen Informationen nachdenken und langsam, mit schweren Gliedern erhob sie sich.
Ohne ein Wort zu Gandalf zu sagen, steuerte sie die Tür an.
„Gweneth.“
Raunte er, fast einem flüstern gleich. Sie hatte schon ihre Hand auf die Klinke gelegt und sie drehte sich nochmal zu ihm um.
„Die Gefährten wissen um den Auftrag, den Ring der Macht zu vernichten. Sprecht nur mit ihnen über den einen Ring. Und jedem dem Ihr Vertrauen schenkt könnt Ihr die Wahrheit erzählen. Denn niemand sollte ein Geheimnis, solcher Schwere, allein auf seinen Schultern tragen.“
Wieder nickte sie, zog dann die Tür auf und trat hinaus in den kühlen, dunklen Gang. Schleppend ging sie auf ihr Zimmer, zog sich umständlich aus und kroch unter die Bettdecke.