Kapitel 20
Müde schloss sie ihre Augen und entspannt ließ sie sich zurück, in ihr Bett sinken.
Ihre Gedanken schwirrten um den heutigen Tag. Bilder der Schlacht drangen nach oben und vermischten sich mit Gandalfs Gespräch. Kopfschmerzen wallten über sie hinweg und mit einem Stöhnen, drehte sie sich auf ihre unverletzte Seite.
Doch der Krieg und deren Bilder erschienen immer wieder, sobald sie ihre Augen schloss.
Genervt setzte sie sich auf und strich ihre wirren Haare hinter ihr Ohr.
´Verdammt! Ich kann nicht schlafen… dabei täte ich das soooo gerne! Verdammt! ´
Mit einem Seufzen schwang sie ihre Beine aus dem Bett und zog sich, etwas unbeholfen, an. Müde öffnete sie die Tür und schleppte sich die Wendeltreppe hinunter in die Halle.
Diese war inzwischen gut gefüllt mit verletzten Menschen, die wieder aus den Höhlen gebracht worden waren und die Heilerinnen schwirrten um sie herum. Schnell wand sie ihren Blick ab und versuchte so schnell wie möglich und ungesehen aus der Halle heraus zu gelangen.
Sie hatte diese Nacht zu viel gesehen und zu viel gehört, als dass sie sich jetzt um jemand anderen kümmern konnte. Mit wehenden Haaren durchquerte sie große Halle und ging durch das Tor, dessen zerstörte Flügeltüren beiseite geräumt waren. Sie blieb erst stehen, als sie die frische Brise des Frühlings spürte und den Blutgestank leicht vertrieb.
Erleichtert legte sie den Kopf in den Nacken und genoss sichtlich die kurze Ruhe. Doch dann ließ sie ein Seufzen ertönen und öffnete wieder ihre Augen.
Die Leichen im Hof waren fast alle verschwunden, erleichterten den Anblick jedoch nicht ungemein. Denn der Boden war noch in Blut getränkt und nur ein guter Regenschauer oder harter Putzarbeit war von Nöten um ihn zu reinigen.
Langsam ging sie die Blut getränkte Treppe nach unten und wanderte dann hinauf zum zweiten Ring. Sie schwang sich, wenn auch mit Schwierigkeiten, auf die Brustwehr und konnte von hier das ganze Ausmaß der Zerstörung sehen.
Übelkeit stieg in ihr hoch, als sie die blutgetränkten Steine betrachtete. Es war schwierig einen Platz ohne Blutspritzer oder Lachen zu finden.
Kurz schloss sie ihre Augen und wieder schoben sich Bilder toter Augen in ihr Bewusstsein. Zu deutlich konnte sie sich noch an das schmatzende Geräusch erinnern, als sie ihr Schwert in einem Körper versenkte und es wieder herauszog.
Keuchend öffnete sie wieder ihre Augen und musste sich krampfhaft zwingen nicht ihren Mageninhalt über die Brustwehr zu ergießen.
Als sie sich wieder gefangen hatte, sah sie sich langsam weiter um und entdeckte nun die riesige, klaffende Lücke in dem Wall.
´Von dort, sind also die ganzen Orks gekommen. ´
Wieder wendete sie ihren Blick weiter und bleib dann bei dem arg beschädigten Tor stehen. Doch dieses Mal huschte ein Lächeln über ihr Gesicht, denn das Tor hatte trotz aller Mühe Stand gehalten.
Kurz ließ sie ihren Blick über die weitere, jedoch weniger gravierenden Schäden der Feste wandern. Hier und dort waren ganze Stücke aus der Mauer gerissen worden, die nun mühselig geflickt werden mussten.
Langsam strich sie mit der linken Hand über den rauen Stein und wollte nun, ganz bewusst die Schwingungen des Steins und den Felsen unter ihr spüren.
Leicht senkte sie ihre Lieder, bis nur noch ein kleiner Spalt offen war und konzentrierte sich auf den rauen Stein unter ihren Fingerkuppen.
Schon fühlte sie Emotionen und Kräfte, die nicht ihre waren.
Sie konnte jede Ader im Gestein spüren und jeden Riss wahrnehmen. Ihre Gedanken glitten über den Wall und als sie an einem gewaltsamen zersprungenen Stein ankam, konnte sie wage die Erinnerungen sehen, wie es dazu kam.
´Also kann ich die Gefühle der Natur um mich herum wahrnehmen und auch die Erinnerungen an diesen Ort. Höchst interessant, wenn auch schmerzhaft.´
Denn schon konnte sie die Schmerzen des Gesteines spüren und das Klagen ihrer Verletzung, als wäre es ihr eigener. Keuchend zog sie sich zurück und versuchte nur noch die Schwingungen der Feste aufzunehmen und nicht all zu tief in das Gestein einzudringen.
Kurze Zeit spürte sie einen Trotz gegen all die Feinde der Klamm und deren Stolz standhaft geblieben zu sein. Aber auch Trauer um den Verlust der Lebenden und Teile seiner selbst.
Langsam zog sie sich ganz zurück und öffnete ihre Augen. Unwillkürlich musste sie nun breit grinsen und war froh, es kontrollieren zu können, auch wenn es nicht gerade die schönste Erfahrung gewesen war. Zu viel Trauer und Schmerzen lag in dieser Festung.
´Ich muss viel üben, damit ich es irgendwann schaffe von einem Ort, zum nächsten zu wandeln. Man, wenn ich das schaffen könnte, wäre das sooooooo cooooooool!!!´
Freute sie sich innerlich und betrachtete noch kurz den Stein.
Nun jedoch wand sie sich dem beeindruckendsten Ereignis zu, das sie sich nicht erklären konnte und ihr wieder vor Augen führte, dass Mittelerde ein besonderer Ort, voller Magie war. Ein dichter Wald erstreckte sich vor der Feste, der durchdringender und düsterer nicht hätte sein können.
´Wie der da wohl hingekommen ist? ´
„Es war ein langer und anstrengender Tag, du solltest dich zur Ruhe legen.“
Ertönte plötzlich hinter ihr, eine ihr nur allzu bekannte stimme, die sie leicht Lächeln ließ.
„Die grauen der Nacht verfolgen mich, sobald ich die Augen schließe. Oder weshalb bist du noch wach, Éomer?“
Er seufzte und räusperte sich dann.
„Möchtest du etwas speisen? Die Lager sind geöffnet und ein reiches Mahl steht für alle bereit.“
„Das ist lieb von dir, aber ich denke nicht, dass ich dazu in der Lage wäre etwas zu essen.“
Sie drehte sich leicht zu ihm um und bemerkte, dass er seine Rüstung abgelegt hatte und darunter einen einfachen dunkelgrünen Pullover trug, der sich je nach Bewegung, an seinen breiten Körper schmiegte.
Gweneth musste kurz schlucken, als sie seine Muskeln darunter erahnen konnte und drehte sich schnell ab. Hätte sie in sein Gesicht gesehen, wäre ihr vielleicht seine verhärtete Miene aufgefallen, die ab und an sanfter wurde, sich jedoch schnell wieder veränderte, als ob er mit seine Gefühle ringen würde.
Lange schwiegen sie sich an, unfähig etwas zu sagen, während Éomer mit sich rang und Gweneth seine Anwesenheit nur allzu deutlich wahrnahm. Sie konnte die Hitze seines Körpers neben sich spüren und ein wohliger Schauer durchzog ihren Körper.
„Ist alles in Ordnung mit dir?“
Platzt er plötzlich heraus und verwunderte drehte sie sich nun ganz zu ihm um, damit sie ihm in sein Gesicht sehen konnte. Seine Augenbrauen waren sorgsam zusammen gezogen und versetzten Gweneth einen leichten Stich, als seine hellen braunen Augen ihre trafen und sie völlig entwaffnete. Sie konnte nicht anders als ihm die Wahrheit sagen.
Bisher hatte es nicht einmal Erkenbrand geschafft ihre wahren Gefühle zu entlocken.
„Ich… ich weiß nicht ob man nach so etwas überhaupt in Ordnung sein kann. Dies war meine erst Schlacht… ich kam an meine Grenzen und wäre fast gestorben…“
Ihre Stimme versagte mit einem leisen Krächzen.
´Und dann hat mir Gandalf auch noch etwas zu denken gegeben. Ich weiß einfach nicht, wie ich damit umgehen soll. ´
Ratlos sah sie auf ihre Hand hinab, die unruhig an ihrem Kleid zupfte.
„Für niemanden war diese Nacht leicht, Gweneth.“
Raunte er einfühlsam und ließ ihr einen Schauer über den Rücken jagen.
„Ich weiß.“
Murmelte sie und atmete hörbar, tief ein.
„Ich muss das Ganze nur noch verarbeiten… Aber erzähl mit Éomer, woher kommen denn die ganzen Bäume?“
Meinte sie schnell ablenkend, ließ ihren Blick über die Baumkronen schweifen und sah ihn dann an.
„Das weiß nur Eru und Gandalf. Jedoch wurde mit gesagt, dass dies Bäume des Fangorns sind.“
„Fangorn?“
„Ein Wald, der noch aus dem ersten Zeitalter stammt. Er war einst groß und mächtig, doch schwand er nun mit der Zeit und zurück blieb eine Bosheit und Groll gegenüber allen Feinden des Fangorn. Man sagt, dass die Bäume untereinander sprechen können und sich sogar bewegen.“
Gweneth hob ihre Augenbrauen und sah wieder auf den Wald.
´Wenn es Elben, Zwerge und Drachen gibt, dann kann ich mir auch gut einen bewegenden Wald vorstellen. ´
„Du solltest noch etwas ruhen. In drei Tagen wird ein Fest für unseren Sieg ins Edoras stattfinden und bis dahin soll die, die es vermögen dorthin gebracht werden.“
„Wirst du dabei sein?“
Er warf einen schnellen Blick zu ihr und schien kurz zu überlegen, wie er darauf antworten sollte.
„Nein… ich werde mit den anderen nachkommen.“
„Den anderen?“
Er atmete tief ein und erzählte dann.
„Gandalf, die Gefährten, der König, Erkenbrand, ich und eine kleine Armee werden heute in der Abenddämmerung Richtung Isengard reiten um dort Saruman zur Rede zu stellen.“
„Was! Ich will mit!“
Rief sie, sprang von der Brustwehr und landete etwas wackelig neben ihm. Éomer reagierte sofort und fing sie mit seiner starken Hand an ihrem unverletzten Arm auf, den er jedoch schnell wieder zurückzog.
„Gandalf fürchtete schon, dass du mitkommen wolltest, doch er meinte dass dies keine besonders gute Idee sei.“
„Wieso?“
Fragte sie entrüstet und stemmte ihre Hand in die Seite.
„Er sprach von etwas wie, dass das Auge sein Merk nicht auf die Erden der Welt legen darf.“
Verständnislos schüttelte er den Kopf und versuchte aus den Worten des Zauberers schlau zu werden. Jedoch hatte sie seine Worte durchaus verstanden und schollt sich jetzt innerlich für ihre Dummheit.
„In Ordnung, aber du musst mir alles erzählen, wenn du wieder da bist.“
Kurz schien er verwirrt, denn offenbar hatte er mit mehr Widerstand ihrerseits gerechnet.
„Ich gebe dir mein Wort.“
Meinte er mit einem Schmunzeln und sah der Sonne zu, wie sie langsam gen Horizont versank.
„Musst du bald los?“
Fragte sie in die Stille herein und er nickte leicht. Im sanften Abendlicht bemerkte sie plötzlich, dass sein Gesichtsausdruck wieder härter wurde und sich seine Kiefermuskeln anspannten. Neugierig beobachtete sie das Schauspiel und wartete darauf, dass er gleich etwas Unangenehmes fragen würde.
„Gweneth…“
Fragte er zögerlich und sie musste sich ein leichtes Lächeln verkneifen.
„Ja, Éomer?“
„Sag, ist dieses Wertvolle Schmuckstück an deinem Finger von Erkenbrand?“
Verwirrt sah sie auf ihren Ring hinab und müsste leicht lachen.
„Nein, das ist ein Familienerbstück. Er ist nicht seine Art mir solche Geschenke in Form von Schmuck zu machen.“
Er schien keineswegs erleichtert sondern seine distanzierten hellbraunen Augen bohrten sich plötzlich direkt in Gweneths Herz.
„Wirst du wieder hier her kehren, wenn die Festlichkeiten in den Hallen Meduselds vorüber sind?“
Kurz überlegte sie und zuckte dann mit den Achseln. Sie war sich nicht gerade hundertprozentig sicher wieso er das fragte, aber wenn sie richtig in der Annahme war, dann fragte er sie gerade aus, ob Erkenbrand ihr Geliebter war.
„Ich weiß es nicht… kann schon sein.“
Antwortete sie mit einem innerlichen Grinsen und beobachtete, wie seine Züge sich nur noch mehr verhärteten.
´Oh, wie amüsant das doch ist, ihn zappeln zu lassen!´
„Aber vielleicht möchte ich noch die anderen wunderbaren Orte Mittelerdes sehen, bevor ich wieder hier her komme und meinem Bruder des Herzens besuche.“
Zwar konnte er seine kühle Fassade recht gut aufrecht behalten, dennoch wurde sein Blick deutlich wärmer und zärtlicher.
„Es wäre mir eine Freude, wenn du mich in Edoras besuchen würdest. Wenn du möchtest könnte ich dir die weiten Rohans zeigen.“
Gweneth Herz sprang in die Höhe und sie konnte sich ein strahlendes Lächeln nicht verkneifen.
„Gerne werde ich dich besuchen und es wäre mir eine Freude, wenn du mein Begleiter sein würdest.“
Sie konnte beobachten, wie seine Mundwinkel zuckten und er schließlich sanft lächelte.
´Gott, sieht der Gut aus! Und wenn ich das gerade richtig bemerkt habe, dann…. Hab ich ein Date! ´
Innerlich vollführte sie einen Freudentanz und versuchte es jedoch sich nicht wirklich anmerken zu lassen. Plötzlich wurde seine Miene wieder ernster und seine Augenbrauen zogen sich wieder typisch für ihn zusammen.
„Verzeih, Gweneth, aber ich muss doch noch etwas rasten, bevor ich mich auf den Weg mache.“
„Falls wir uns nicht mehr sehen sollten, dann habe eine gute Reise und wir sehen uns in Edoras wieder.“
Schon wollte sie sich, wie es üblich war, vor ihm leicht Verbeugen, als er ihre rechte Hand nahm und ihr einen leichten Handkuss darauf gab. Tief sah er ihr in die Augen und sie spürte seinen Atem auf ihrer haut.
Unweigerlichen stellten sich ihre Haare auf und ihr Herz klopfte schneller.
„Bis dann, Gweneth.“
Raunte er wieder und ging dann die Treppe hinunter. Gweneth sah ihm mit klopfendem Herzen nach und musste sich verkneifen über das ganze Gesicht zu strahlen. Plötzlich konnte sie Erkenbrand sehen, wie er die Treppe hinauf lief, sich mit Éomer kreuzte und dann weiter zu ihr ging. Als er jedoch ihre strahlenden Augen sah runzelte er die Stirn und schien zu überlegen.
„Weshalb siehst du so glücklich aus?“
„Es ist nichts.“
Meinte sie nur und versuchte nicht mehr ganz so glücklich zu sein, was sich jedoch als schwierig erwies.
„Hat es vielleicht etwas mit Herrn Éomer zu tun?“
Sie sah ihn an und konnte dann nicht recht lügen, als sie in seine grauen Augen sah.
„Vielleicht.“
Antwortete sie stattdessen und Erkenbrand grinste.
„Du hat einen guten Geschmack… er ist ein ehrenwerter Mann mit hohem Rang und guten Manieren.“
Er ging zu ihr und küsste sie auf den Scheitel. Da erst viel ihr ein, was Éomer ihr gerade erzählt hatte.
„Éomer erzählte mir, dass du mit zu Saruman gehst. Ich bitte dich, passe auf dich auf.“
„Ich verspreche es.“
Und hauchte einen weiteren Kuss auf ihren Scheitel.
„Dennoch wundert es mich, dass du nicht darauf bestehst mit zu kommen.“
„Das liegt daran, dass ich dir keine Last sein möchte.“
Und sie sah auf ihren linken Arm herab, der noch in der Schlinge lag.
„Du wärest keine Last für mich… dennoch bin ich froh zu wissen, dass du hier bleibst. Wir wissen nicht was uns erwartet und mein Herz ist beruhigter, wenn ich dich hier weiß.“
Sie nickte und kuschelte sich kurz an ihn, obwohl sie nicht viel von seiner Nähe hatte, da er bereits seine Rüstung trug.
„Sehen wir uns dann in Edoras wieder?“
Fragte sie und sah in seine sturmgrauen Augen, die mit einem mal trauriger wirkten.
„Nein… verzeih, aber ich denke wir werden uns gewiss eine Zeit lang nicht sehen. Ich muss nach meiner Rückkehr in Helms Klamm bleiben. Die Feste muss ausgebessert und viele Dinge gerichtet werden.“
Traurigkeit stieg in ihr hoch, als er sie an sich drückte.
´Dann werden wir uns wohl wirklich lange nicht sehen… aber Moment mal… er weiß ja gar nichts von dem Ring! Und er weiß auch nichts davon, dass ich so schnell wie möglich gehen muss und womöglich für immer… ´
Ihr Herz setzte kurz aus und Kälte griff um ihr Herz. Es war, als würde eine unsichtbare Macht, ihre Kehlte schmerzhaft zuschnüren. Dennoch wusste sie, durch all den Schmerz hindurch, dass es so sein musste.
´Offenbar trennen sich hier unsere Wege… ich könnte auch hierbleiben, aber… ich möchte noch so viel sehen und wenn ich ehrlich bin, bin ich hier schon so lange, dass mich Helms Klamm anödet… zwar könnt ich bei ihm sein, aber er hat viel zu tun und wird nicht immer bei mir sein können… dann heißt es vermutlich Abschied nehmen…. Von meinem geliebten Bruder.´
Heiße Tränen stiegen ihr empor.
´Soll ich es ihm sagen? Wäre es vielleicht besser, wenn ich ihm alles erzählen würde? ´
Er ließ sie los und strich leicht lächelnd die Tränen aus ihren Augen, die nicht aufhören wollten zu fließen.
„Weine nicht, wir werden uns doch wieder sehen.“
Gerade wollte sie widersprechen, als ein Horn ertönte und Erkenbrand aufsah.
„Das war das Zeichen. Wir sind aufbruchsbereit. Bis zum nächsten Mal… Gweneth… ich werde versuchen so schnell wie möglich meine Aufgaben zu erledigen und danach Edoras zu besuchen um nach dir zu sehen, in Ordnung?“
Sie nickte, und weitere Tränen stiegen ihr empor.
´Die Zeit reicht nicht mehr…. Vielleicht ist es auch besser so… verzeih mir. ´
Er strich leicht besorgt die Tränen aus ihrem Gesicht, die nicht versiegen wollten. Dennoch versuchte sie krampfhaft die Tränen zu unterdrücken, was ihr zwar nicht vollständig gelang, aber sie konnte die Traurigkeit etwas in sich begraben. Mit Müh und Not rang sie sich ein Lächeln ab, damit Erkenbrand nicht ganz so besorgt um sie war.
„Verzeih… ich habe nur wieder befürchtet, dass du nicht mehr wiederkehren wirst.“
„Ich verstehe deine Sorge, aber sie ist unnötig. Ich werde auch mich Acht geben, ich verspreche es dir.“
Erneut küsste er sie auf den Scheitel, zog sie dann an sich und Gweneth presste sich an seinen Körper.
´Ich werde dich nie vergessen. ´
„Ich habe dich lieb.“
Schluchzte sie und er küsste sie erneut auf ihren Scheitel.
„Ich dich auch.“
Dann löste sie sich schweren Herzens von ihm, schenkte ihm ein letztes Lächeln, als er über ihr Haar strich und dann von dannen ging. Starr und bitterlich weinend, sah sie ihm hinterher, bis sie hörte wie die Mannen durch das Tor ritten. Sie drehte sich langsam um, stieg auf den Wall hinauf und sah den Reitern hinterher, wie sie über das zerstörte Land preschten. Vor dem Wald wurden sie etwas langsamer, passierten ihn jedoch und waren somit ihren topasfarbenen Augen entschwunden. Gweneth starrte noch einen kurzen Augenblick auf den Wald, bis sie sich langsam sinken ließ und einen Entschluss fasste. Schnell wischte sie sich die Tränen aus ihrem Gesicht, beruhigte sich ein wenig und ging dann schnellen Schrittes durch die Feste, in die große Halle. In der großen Halle bog sie in die Richtung ihres Gemachs ab, ging jedoch die Wendeltreppe bis zu ihrem Ende hindurch. Am Ende der langen Wendeltreppe, war eine dunkle Holztür, vor der Gweneth inne hielt. Sie war etwas nervös, obwohl sie wusste, dass niemand darin war. Denn dies war Erkenbrand Gemach, von dem sie zwar wusste, aber noch nie betreten hatte. Sie atmete kurz durch, legte ihre Hand auf die kühle Klinke und drückte sie nieder. Glücklicherweise war sie nicht verschlossen und mit einer langsamen Bewegung öffnete sie die quietschende Tür. Ihre Augen wanderten durch den großen Raum und erstaunten sie. Das Erste was ihr auffiel, waren die Wände, die mit bunten Wandteppichen behangen waren und nur ab und an konnte sie die graue Felswand dahinter erkennen. Der Boden war ebenfalls aus dem grauen Felsen Gestein, jedoch hier und da mit einem dicken roten Teppich ausgelegt. Sie befand sich in einem Vorraum, der das Arbeitszimmer und Aufenthaltsraum darstellte. Links an den Fenstern, die mit dicken Vorhängen behangen waren, stand ein massiver Schreibtisch, auf dem jede Menge Schreibutensilien standen. Gegenüber befand sich ein großer, kunstvoll gearbeiteter Kamin. Davor befanden sich drei weiche rote Sessel, die um einen kleinen Tisch gruppiert waren. Links und rechts neben dem Kamin, standen dunkle Bücherregale, die bis zu den Decken reichten und eine Fülle von Büchern beherbergen. In einer unscheinbaren Ecke, entdeckte sie eine weitere Tür, die gewiss zu seinem Schlafgemach führen würde. Doch ihr Ziel war momentan ein anderes.
Wieder steigen ihr die Tränen hoch, als sie an ihn dachte und mit wackeligen Schritten ging sie auf den Schreibtisch zu. Sie setzte sich in den bequemen Sessel und betrachtete ihn erst einmal. Es war ein kunstvoller Tisch, mit vielen Gravuren in den Seiten und daneben stand ein kleiner Beistelltisch mit vielen Schubladen. Sie öffnete die oberste Schublade und fand, was sie suchte. Darin waren Bögen von Pergament, von denen sie zwei nahm. Sie schloss die Schublade und legte die Pergamente auf den Tisch. Ihr Blick wanderte über den Schreibtisch und betrachtete die Gegenstände, die darauf standen. An der Seite lagen seltsame Instrumente, die sie an Zirkel, Geodreieck und irgendwelche Maßstäbe erinnerte. Eine Notiz in einer schwungvollen Schrift, lag daneben und in einem Metallbecher standen mehrere Federkiele und ein Fass mit Tinte stand auf der anderen Seite des Tisches. Sie nahm einen der Federkiele und betrachtete ihn neugierig, den sie hatte noch nie solche gesehen, geschweige denn benutzt. Sachte fuhr sie mit den Daumen über die weiße Feder, die gegen Ende immer grauer wurde. Ihre Augen blieben an der Spitze der Feder hängen, die angespitzt war und aussah, wie die metallene Feder eines Füllers. Dann besah sie sich das gläserne Tintenfass, das mit einem Glasstöpsel verschlossen war. Sie entfernte den Stöpsel, tunkte die Spitze der Feder hinein und zeichnete dann Kreise auf einem der Pergamentbögen. Dann schrieb sie ein paar sinnlose Wörter und freute sich, dass die Feder klare Linien hinterließ und nicht so schnell verbraucht war. Dann nahm sie das andere Pergament und überlegte was sie schreiben sollte. Schließlich tunkte sie erneut die Spitze in das Tintengefäß und schrieb, was ihr auf dem Herzen lag ohne ihr Geheimnis vor fremden Augen zu offenbaren:
„An meinen geliebten Bruder,
verzeih mir, dass ich dir nichts erzählt habe… ich hätte es tun sollen, jedoch war die Zeit zu knapp um dir all das erzählen zu können, was mein Herz so sehr belastet.
Gandalf hat mir alles offenbart und nun verstehe ich, dass ich nicht bleiben kann. Das Erbstück verschlingt beide Erden, wenn es in die falschen Hände gerät und mir bleibt keine andere Wahl, als so schnell wie möglich zu verschwinden, damit ich nicht euch alle wegen meiner eigenen selbstsüchtigen Wünsche in Gefahr bringe. Wenn du also diesen Brief lesen wirst, werde ich nicht mehr auf dieser Erde wandern, nicht mehr die gleiche Luft atmen und nicht mehr die gleiche Sonne bewundern wie du.
Bitte verzeih mir… es bricht mir das Herz dich hier zurück zu lassen, doch werde ich mich immer an dich erinnern, egal wo ich bin.
Ich werde mich immer daran erinnern, wie du mich vor dem Tod bewahrt hast, mir Vertrauen schenktest und du zu meinem Bruder wurdest, den ich mit meinem ganzen Herzen liebe.
Ich werde dich nie vergessen, solange ich lebe.
Möge Eru unserer Seelen gnädig sein, damit wir uns wiedersehen, in den Hallen Mandos.
Verzeih mir
Ich wünschte, ich könnte bleiben
Deine, dich liebende Schwester
Gweneth.“
Gweneth las den Brief noch einmal durch und sie bemerkte nicht einmal, dass Tränen von ihrer Wange tropften und das Papier streiften. Langsam stand sie auf und wankte ins sein Schlafgemach. Durch den Tränenschleier konnte sie nicht viel erkennen, jedoch war das Bett groß genug, al sie sich darauf warf, seinen Geruch einatmete und anfing vor Schluchzern zu zittern. Der Brief flatterte auf den Boden, langsam rollte sie sich zu einer Kugel zusammen und weinte bitterlich. Sie weinte, bis die Tränen versiegten und ihr Kopf zu schmerzen begann.
Starr sah sie dann an die graue Decke und dachte an nichts. Eine Leere herrschte in ihrem Herzen und sie fühlte sich, als wäre Erkenbrand für sie gestorben.
Schließlich fingen ihre Gedanken an wieder um ihn zu kreisen, doch dieses Mal verbot sie ihre Gedanken an ihn.
´Wenn ich daheim bin, werde ich noch genug Zeit haben um zu trauern. Ich sollte hier nicht meine kostbare Zeit verschwenden und endlich etwas tun… irgendwas. ´
Mit einem tiefen Atemzug, der ihr vollends die Kontrolle zurückgab, überlegte sie sich nun, was sie mit dem Rest des Tages anfangen sollte.
´Ich muss irgendwas Sinnvolles tun, ansonsten kommt alles wieder hoch… Erkenbrand, die Schlacht, der Tod und all die furchtbaren Dinge, die ich vermutlich nie in meinem Leben vergessen werde…
Eigentlich wollte ich mich ja heute um niemanden kümmern, aber ich denke, dass ich das Beste was ich tun kann… immerhin kann ich nur einen Arm richtig nutzen… genau, das hört sich doch mal nach einem guten Plan an. Ich könnte zu den Heilerinnen gehen und dann Éowyn suchen. Sie muss ja auch hier bleiben und bestimmt die Reise nach Edoras planen. Die Arme, sie tut mir jetzt schon leid. ´
Sie raffte sich hoch und atmete erneut ein und aus, während sie den Brief auf sein Kopfkissen platzierte. Langsam ging sie zur Tür und sah erneut zu dem großen Bett. Sie stellte sich vor, wie Erkenbrand darin lag und erneute Sehnsucht wallte in ihr auf. Doch bevor die Tränen über ihre Wangen gleiten konnten, drehte sie sich schnell ab und floh schon fast aus seinem Räumen, bis sie auf der Wendeltreppe stand, die Stirn gegen die kühle Wand gelehnt und stille Tränen vergießend.
Es dauerte wieder einige Zeit, bis die letzte Träne vergossen war und sie erneut Halt fand. Sie verfluchte ihre Schwäche und versuchte an nichts Weiteres zu denken, als ihren Plan.