Der Ring der Erde

Kapitel 22

Ein letztes Mal kontrollierte sie die Satteltaschen, die an dem Sattel ihres Pferdes befestigt waren und versicherte sich, dass ihr Zeichenbuch fest in der Tasche saß.
Sie hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, jede weitere freie Zeit zu nutzen und alles abzuzeichnen, was ihr in die Finger bekam, auch wenn es nur ein Wandteppich war. Für sie war das Zeichenbuch ihr Anker für diese Welt und somit ihr sehr wichtig.
Sie schloss die Satteltasche, ruckelte zur Sicherheit noch einmal daran und als auch die Tasche, diese Prüfung standhielt, strich sie der schwarzen Stute entschuldigend über die weiche Schnauze.
„Verzeih, aber du transportierst ein Kostbares Gut. Da möchte ich sichergehen, dass alles in Sicherheit ist, auch wenn ich an dir herum rütteln musste.“
Die Stute schnaubte und klimperte Gweneth mit ihren langen Wimpern zu, als ob sie Gweneth verstanden hätte.
Es war ein schönes, pechschwarzes Pferd mit einem ruhigen, angenehmen Charakter. Das einzigartige an diesem Pferd war, dass es blaue, fast schon türkisfarbene Augen hatte und sie jedes Mal das Gefühl hatte in einen See zu fallen, wenn sie in ihre Augen blickte.
Ihren vorigen Herrn hatte sie in der Schlacht verloren und Gweneth hatte sich ihrer angenommen. Sie konnte nicht anders, als es bockend in den Boxen stand und Gweneth sie zufällig sah. Nur durch vieles gute Zureden und durch ihren elbischen Gesang konnte Gweneth sie beruhigen und schließlich zähmen.
Beruhigend strich sie der Stute über die Nüstern und schenkte ihr ein Lächeln.
„Hast du dich schon mit Kolfreyja angefreundet?“
Fragte eine helle Frauenstimme hinter ihr und sie drehte sich zu Éowyn um. Diese trug gerade einen Korb voller Lebensmittel zu einem Karren und hievte diesen darauf.
„Ja… was bedeutet eigentlich der Name?“
„Kohlschwarze Stute.“
„Sehr einfallsreich.“
Witzelte Gweneth und strich ein letztes Mal über die Nüstern ihres Pferdes. Sie erinnerte sich an den gestrigen Tag zurück, als beide den ganzen Tag zusammen die Abreise geplant und Mühe hatte, alle notwendigen Karren und Lebensmittel zusammen zu tragen. Letzt endlich war es ihnen jedoch gelungen und nun standen mehrere Karren in den Ringen, voll beladen mit Lebensmittel, wenigen Reichtümern und verletzten Menschen. Wenn alles gut ging, würden sie heute Abend in Edoras ankommen.
Ein Windstoß blies ihr eine Strähne in ihr Gesicht und energisch band sie ihr Deckhaar am Hinterkopf zusammen. Es viel nun locker auf ihre Rüstung, die gereinigt worden war und nun fast wie neu aussah. Nur leichte Kratzer waren auf der Rüstung zu erkennen und zeugten von der Schlacht, die vor wenigen Tagen getobt hatte. Sie hatte sich entschlossen die Rüstung zu tragen, da es kaum Geleitschutz für die Menschen gab und Orks immer noch frei über das Land strichen.
Ihre Hand wanderte automatisch zu ihrem linken Arm, der zwar nicht mehr in einer Schlinge lag, sondern nur noch verbunden, aber dennoch schmerzte er bei jeder Bewegung.
„Hilfst du mit kurz?“
Rief Éowyn und Gweneth eilte zu ihr, um ein tänzelndes Pferd festzuhalten, damit sie eine kleine Karre ins Geschirr hängen konnte. In diesem würden die letzten leicht verletzten Menschen geladen, mitsamt Hausrat und Hühnern.
Diejenigen, die diese Reise überstehen würden nahmen sie mit, der Rest würde nachkommen, wenn deren Wunden besser verheilt waren.
„Phu, ich danke dir.“
Keuchte Éowyn und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
„Kein Problem, Éowyn. Ich helfe dir doch gerne. Sollten wir aber nicht bald aufbrechen? Die Sonne geht gleich auf.“
Und Gweneth richtete ihren Blick auf den wolkenverhangenen Himmel, der sich am Horizont langsam rosa färbte.
„Du hast Recht, ich werde sogleich anweisen alles bereit zu halten.“
Mit den Worten eilte sie hinauf in die Feste und ließ Gweneth zurück. Sie hatten immer noch keine Zeit gehabt richtig miteinander zu reden und Gweneth hoffte, dass sie das während der Reise nachholen konnte. Auch war ihr aufgefallen, dass Éowyn ihren ungezwungenen Gesprächen absichtlich auswich und sie hoffte, dass die Reise die Wende bringen würde.
Plötzlich ertönte ein klares helles Horn, das den Aufbruch ankündigte.
Gweneth schwang sich etwas unbeholfen auf Kolfreyja, die schnaubte und trieb sie dann durch die Gassen, durch das offene Tor auf die Felder vor der Klamm. Ein Lächeln stahlt sich auf ihr Gesicht, als sie den warmen Körper ihres Pferdes unter sich spürte und ein Gefühl des eins sein mit dem Tier einstellte. Sie war nun sehr froh, dass ihre Eltern sie gezwungen hatten Reitunterricht zu nehmen, nur weil ihre Mutter auf einem Reiterhof groß geworden war. Zwar hatte sie vor ihren Eltern immer gemeint, wie sehr sie reiten hasste, aber insgeheim liebte sie es und war nun sehr glücklich, dass sich ihr Körper an die Unterrichtsstunden zu erinnern schien.
Der Wind fuhr schon fast zärtlich in ihre Haare und sie fühlte sich unglaublich befreit.
Auf den Feldern zügelte sie schweren Herzens ihr Pferd, da sie gerne weiter geritten wäre und wendete es geschickt.
Sie warf einen Blick zurück auf Helms Klamm und wusste, dass sie die Feste nie wieder sehen würde. Mit dem Ritt gen Edoras, ließ sie ihr Leben in der Klamm hinter sich.
Sie wünschte sich, dass sie sich noch von Eothin und Gamling hätte verabschieden können. Jedoch waren sie mit Erkenbrand geritten und sie erfuhr dies erst, nachdem es schon zu spät war. Doch vielleicht war es besser so, somit würde sie keine weiteren Tränen mehr vergießen können, um die Menschen die sie so sehr mochte.
Sie warf einen Blick auf die Menschenmenge, die durch das Tor über den Grad gingen und entdeckte einen goldenen Schopf nicht weit von ihr entfernt. Geduldig wartete sie auf Éowyn, bis sie neben ihr war und stieg dann wieder von Kolfreyja ab.
´Eigentlich hätte ich es mir sparen können überhaupt hinaus geritten zu sein. Aber Éowyn hat gerade nun Mal kein Pferd… zu schade. ´
Schon ratterten an ihr die ersten Karren vorbei und sie beobachtete die teilweise zerschundenen und verbundenen Gesichter der Menschen. Viele Trieben ihre Tiere vor sich her und das Geschnattere von Hühnern und das Grunzen der Schweine vermischte sich mit den Gesprächen der Menschen.
„Du hast auf mich gewartet?“
Hörte sie Éowyn direkt neben sich sprechen und sie sah sie mit einem Lächeln an.
„Natürlich, somit haben wir mal endlich Zeit etwas zu plaudern.“
Beide setzten sich in Bewegung und Gweneth führte ihr Pferd neben sich her.
„Über was möchtest du denn reden?“
Fragte sie, als sie langsam die Felder überquerten und einen leichten Hang hinauf liefen, der durch kleine Felsen durchbrochen war. Das Gras war platt getreten durch die Bäume des Fangorn, die in einer Nacht und Nebel Aktion verschwunden waren.
„Über alles und so viel, wie du mir erzählen möchtest. Zum Beispiel, woher du kommst oder so etwas in der Art.“
Éowyn lächelte und sah Gweneth kurz von der Seite her an, bevor sie antwortete.
„Éomer und ich wuchsen in einem kleinen Dorf in der Mark auf. Unsere Eltern hießen Éomund und Théodwyn und sie waren all das, was Eltern sein sollten. Allerdings wurde das Dorf von Orks angegriffen und unsere Eltern überlebten nicht. Der Bruder unserer Mutter nahm uns auf, als wären wir seine Eigenen. Zusammen mit seinem Sohn Théodred lebten wir unter seinem königlichen Schutz in den goldenen Hallen Meduselds. Éomer wurde im Lauf der Zeit ein guter Krieger und wurde zum dritten Marshall der Mark und ihm obliegt auch der östliche Teil der Mark.
Ich hingegen entschied mich das Leben einer Schildmaid zu führen, da mir das Leben auf dem Hof widerstrebte.“
´Wenn ich mich recht entsinne, waren doch Schildmaiden jungfräuliche Kriegerinnen… so was wie die Walküren. Dann bin ich ja Quasi auch eine… naja, bis auf dem jungfräulich, vielleicht…. Aber Moment mal mal, hat sie grade wirklich angedeutet, dass Théoden der Onkeln von ihnen ist? Wow, dann sind ja beide vom königlichen Geblüt! Phu… war bestimmt kein Zuckerschlecken für sie. ´
„Wie ist das Leben am Hofe denn so?“
Éowyn verzog das Gesicht und schnaubte verächtlich.
Sie hatten den Hang überquert und wanderten nun über unebenen Boden, der langsam flacher wurde und in eine grüne Ebene überging, dessen Boden mit Felsen durchbrochen war.
„Es ist sehr langweilig. Man lernt kochen, putzen, sich um Haus und den Gatten zu kümmern, häkeln, stricken und sticken.“
Nun verzog auch Gweneth das Gesicht.
„Das wäre nichts für mich.“
„Für mich auch nicht, deswegen erlernte ich mir das Kämpfen.“
Stolz schwang in ihrer Stimme mit und mit glitzernden Augen sah sie in die Ferne.
„Aber nun erzähl von dir! Wie ist deine Heimat? Hast du Geschwister?“
Kurz ließ Gweneth ihren Blick über die weite Ebene schweifen und zog den fantastischen Anblick in sich hinein und überlegte, wie sie ihr all das erzählen konnte, ohne all zu groß zu lügen.
„Ich habe leider keine Geschwister. Erkenbrand ist derjenige, den ich meinen Bruder im Herzen nenne. Schon witzig, dass ich in der Ferne einen Verwandten traf.“
Kurz schmunzelte sie und fuhr dann vor.
„Meine Heimat liegt weit im Süden… oder lag besser gesagt. Auch wir wurden von Orks überfallen und versklavt. Vor Isengart jedoch eskalierte die Situation und Orks vielen über uns und über sich selber her. Ich versteckte mich unter Leichen, dort fand mich später dann auch Erkenbrand… wie du habe ich meine Eltern verloren… tja und meine Heimat… ist im Vergleich zu hier… anders.“
„Anders?“
„Oh ja! Ich meine… zwar ist es auch noch in meiner Heimat so, dass Frauen meistens daheim bleiben sobald sie Kinder haben, dennoch haben wir die gleichen Rechte wie die Männer. Vor unserem Gesetz sind alle Menschen gleich.“
Verblüfft sah Éowyn sie an.
„Dann muss ich deine Heimat einmal kennen lernen.“
Gweneth lachte leicht und dachte schmerzlichste an ihr eigenes Haus und ihre Eltern, die sie bestimmt schon vermissten.
„Ich denke, du würdest dich wohl fühlen… dennoch hat dies hier auch seinen Reiz. Mittelerde ist so viel grüner und man ist hier so viel freier. Man kann tagelang ungestört über die Ebene reiten und man sieht keinen.“
„Das kann auch sehr einsam sein.“
„Manchmal sehne ich mich nach dieser Einsamkeit… meine Heimat ist… sehr eng… was manchmal natürlich seinen Vorteil hat.“
Verwundert schüttelte Éowyn den Kopf.
„Man möge fast meinen, dass deine Heimat eine ganz andere Welt ist, wie die meine.“
Gweneth biss sich auf die Lippe und hoffte, sie hatte sich jetzt nicht verraten.
´Vielleicht sollte ich ihr doch die Wahrheit sagen… immerhin hat mich Gandalf dazu geraten, mich anderen anzuvertrauen. Aber wenn ich das tue, dann müssen alle dabei sein… sonst muss ich alles gleich nochmal erzählen. Tja… wem erzähl ich es denn alles? Auf jeden Fall den Gefährten und Éomer… natürlich Éowyn und ich denke, dass ich den König auch nicht außen vor lassen kann… na gut, dann ist das wohl so beschlossen. ´
„Sag Mal, was läuft da eigentlich zwischen dir und Aragorn.“
Bemerkte sie und hoffte, das unliebsame Thema ihrer Herkunft gut umschiffen zu können. Es schien zu funktionieren, denn sie lief plötzlich leicht rötlich an.
„Herr Aragorn ist ein großartiger Mann und ein großartiger Anführer. Er gibt den Menschen halt und Hoffnung, die sonst verloren schien.“
Erzählte sie mit leuchteten Augen und Gweneth konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
„Du magst ihn.“
Stellte sie fest und Éowyn lief nur noch röter an.
„Ich… ich muss mich mal um die Karawane kümmern.“
Murmelte sie plötzlich, drehte sich um und ging eilends davon, bevor Gweneth etwas erwidern konnte.
´Hoffentlich habe ich sie jetzt nicht vergrault. ´
Sie blieb ebenfalls kurz stehen und schwang sich auf den Rücken ihrer schwarzen Stute. Gweneth ließ ihren Blick über die wunderschönen Wiesen streifen, die gleich einem sanften Wellengang vor ihr dar lagen. Der Geruch von frischem Gras und leisem Vogelgezwitscher ließ sie sanft L  ächeln. Das sanfte Schaukeln und der stetige Herzschlag ihres Pferdes beruhigte sie ungemein.
Stunden schienen zu vergehen, bis die Sonne im Zenit stand und sie eine Rast einlegten.
Gweneth stieg herunter und half dabei Vorräte zu verteilen. Von irgendwoher stieg ihr ein seltsamer Geruch in die Nase, dem sie auch neugierig folgte.
Als sie stehen blieb, wunderte sie sich nicht schlecht, als Éowyn sich über einen großen Kessel beugte in dem es leicht blubberte.
„Was wird das, wenn es einmal fertig ist?“
Fragte sie Éowyn, als sie näher an den Kessel trat und eine schleimige Substanz erblickte, die sie stetig umrührte.
„Das wird eine stärkende Suppe für die Menschen.“
„Aha… hm, ich möchte wirklich nicht unhöflich erscheinen aber, kannst du überhaupt kochen?“
Fragte sie die junge Frau, die daraufhin heftig errötete.
„Ich habe bereits eine Suppe bei unserer Hinreise gekocht und alle haben davon gegessen.“
Verteidigte sie sich und Gweneth hob überrascht die Augenbraue. Kurz zögerte sie, nahm dann aber die Kelle, schöpfte sich etwas Suppe und probierte.
Der Geschmack erinnerte sie stark an Käsefüße und verbannten Essen. Langsam ließ sie die Kelle sinken und Éowyn sah sie strahlen an.
„Gut, nicht wahr?“
„Sag Éowyn, hast du die Suppe eigentlich je probiert?“
Diese schüttelte den Kopf und Gweneth entfuhr ein lauter Seufzer.
„Wie wäre es, wenn du es Mal tun würdest?“
Éowyn nahm ihr die Kelle aus der Hand, tauchte sie in die Suppe und nippte daran. Gespannt sah ihr Gweneth dabei zu und musste leicht schmunzeln, als Éowyns Gesichtszüge hart wurde und sie blitzschnell die Suppe ausspuckte.
„Bei Eru! Wieso ließ man mich in dem glauben, dass meine Suppe gut schmecken würde?“
Mit einem angeekelten Gesichtsausdruck biss sie in eine trockene Scheibe Brot und versuchte so den Geschmack los zu werden.
„Vermutlich wollte dich niemand kränken… immerhin hast du dir solche Mühe gegeben.“
Finster sah Éowyn sie an und kaute stumm auf ihrem Stück Brot herum.
„Lass mich dir helfen… daheim musste ich auch immer für mich kochen.“
Kurz musterte sie Gweneth und nickte dann schließlich.
„Zum Glück war das Fleisch noch nicht drin.“
Murmelte Éowyn und wies mit einem Kopfnicken auf die Schüssel, die neben dem Kessel stand. Neugierig ging Gweneth zur Schüssel, ging in die Hocke und betrachtete, die Fleischstücke, an denen noch unglaublich viel Fett hing. Sie seufzte, schnappte sich ein Messer und schnitt ganze Brocken an Fett weg.
„Für eine Suppe, brauchst du nicht so viel Fett am Fleisch.“
Meinte sie und arbeitete das ganze Fleisch durch, das nun auf die Hälfte der Menge geschrumpft war. Dann nahm sie den Kessel vom Feuer und schüttete den Inhalt aus.
Wieder am Platz briet sie das Fleisch kurz an und goss Wasser danach hinzu. Éowyn beobachtete sie mit einem interessierten Gesichtsausdruck und half ihr das Gemüse erneut zu schneiden. Nach kurzer Zeit hatte sie eine ganz passable Suppe zustande gebracht, die sie nun zusammen verteilten.
Als der Kessel fast ganz leer war, schöpften sie sich die Reste in eine Schüssel und ließen sich auf einen Felsen nieder. Still schlürften sie die Suppe und sahen über die weite Landschaft. Eine sanfte Brise wehte über das Gras und Gweneth schloss genießerisch die Augen.
„Danke, dass du mir bei der Suppe geholfen hast.“
Meinte plötzlich Éowyn neben ihr und lächelnd sah Gweneth sie an.
„Gern geschehen… wenn du möchtest können wir ja in Edoras noch etwas üben… auch wenn es typische Frauenarbeit ist.“
Sie lachte leise und Éowyn grinste sie an.
„Vielleicht können wir Éomer überreden uns zu helfen.“
Nun grinste auch Gweneth und musste sich Éomer unweigerlich mit einer geblümten Kochschürze vorstellen.
Laut lachte sie und hätte fast ihre ganze Suppe verschüttet. Éowyn stimmte in ihrem Lachen mit ein und die beiden lachten, bis sie keine Luft mehr bekamen und ihnen der Bauch schon schmerzte.
„Ich glaube nicht, dass er uns helfen wird… lustig wäre es aber.“
Kicherte Gweneth und bemühte sich wieder um ihre Fassung. Sie wischte sich die Lachtränen aus den Augenwinkeln und versuchte wieder ihre Suppe zu essen. Éowyn kicherte immer noch neben ihr und sie hatte ihre ganze Suppe über ihr Kleid gegossen.
Fluchend rappelte sie sich auf und versuchte die Gemüsestückchen von ihrem Kleid zu entfernen.
„Es ist ruiniert.“
Seufzte sie und nahm wieder neben Gweneth Platz. Gweneth warf einen Blick auf ihr schlichtes blaues Kleid und die Essensreste, die darauf verteilt waren.
„Wir müssten eh bald in Edoras ankommen.“
Gweneth legte ihren Kopf in den Nacken und sah zum Himmel hoch. Durch die Wolkendecke erkannte sie, dass sich die Sonne schon wieder gen Horizont neigte.
„Éowyn… ich mag mich vielleicht irren, aber ich meinte, dass du mich in Helms Klamm gemieden hast, wenn es nicht anders ging… habe ich dich irgendwie verärgert?“
Sie senkte langsam ihren Blick und sah Éowyn an, die mit versteinerter Miene Gweneth ansah.
„Ich weiß nicht was du meinst.“
Meinte dann schnell Éowyn und wich ihrem Blick aus.
„Bitte, lüge mich nicht an… sag mir einfach die Wahrheit… ich bin dir auch nicht böse, nur möchte ich Klarheit zwischen uns schaffen. Den ich kann dich sehr gut leiden und es macht mich traurig, wenn ich sehe, dass du mich meidest. Was ist es Éowyn?“
Éowyn hielt den Blick gesenkt und schien mich sich zu ringen, jedoch konnte sie ihre Gefühle weniger gut im Griff behalten, wie ihr Bruder.
„Wieso war es dir vergönnt all die Dinge zu tun, die mit verwehrt blieben?“
Platzte sie plötzlich heraus und sah Gweneth herausfordernd und gleichzeitig etwas wütend an.
„Was meinst du?“
„Du bist all das… was ich mir eigentlich wünsche.“
Flüsterte sie fast und erstaunt klappte Gweneth der Mund auf.
„Ich denke, ich verstehe immer noch nicht recht.“
„Sieht dich doch einmal an, Gweneth! Du bist frei, frei von allen Verpflichtungen. Niemand zwingt dich Dinge zu tun, die dir widerstreben. Man lehrte dir das Kämpfen und du durftest in der Schlacht mitkämpfen, obwohl du eine Frau bist. Du bist stark und schreckst vor nichts zurück. Du wagst es, dich gegen jegliche Konvention aufzulehnen und wirst dadurch sogar akzeptiert! Ich hingegen, bin eingesperrt in diesem goldenen Käfig und für mich gibt es kein Entkommen!“
Keuchend endete sie und eine leichte Röte hatte sich auf ihre Wangen gestohlen. Gweneth stellte ihre Schüssel ab und drehte sich ganz zu ihr um.
„Ich durfte mich nur deswegen auflehnen und kämpfen, weil ich damals nicht wirklich was zu verlieren hatte. Ich hatte hier niemanden… keine Familie und nur sehr wenige Freunde, die ich jedoch nicht lange genug kenne um mich völlig bei ihnen wohl zu fühlen. Du hingegen kannst viel mehr verlieren als dein Leben. Da wären dein Onkel, dein Bruder und deine königliche Stellung, die viel Verantwortung mit sich bringt. Außerdem bin ich nicht so stark, wie du vielleicht glauben magst. Ich bin eigentlich nur ein schwacher Mensch, der seine Gefühle unterdrückt und versucht stark zu sein, bis ich irgendwann zusammenbreche. Du bist sehr viel stärker als ich, denn du erträgst deine Last schon sehr viel länger als ich die meine.“
„Hättest du trotzdem mir angeboten zu tauschen, hätte ich es getan.“
„Und ich hätte liebend gern mit dir getauscht… aber das Leben ist alles andere als gerecht und einfach.“
Nachdenklich sah Éowyn Gweneth an und lenkte dann ihren Blick ab.
„Vermutlich hast du Recht.“
Murmelte sie leise und sah weiterhin in die Ferne. Gweneth nahm wieder ihre Schüssel zur Hand und aß ihre, inzwischen kalte, Suppe zu Ende.
´Hoffentlich kann Éowyn ihre kleine Eifersucht überwinden und wir können normal miteinander reden. Ich würde es mit zu mindestens wünschen. Sie ist die einzige Frau, der ich vertraue und der ich mein Herz ausschütten kann. Ich meinte, mit Aragorn und Legolas kann man auch sehr gut reden, doch ein Frauenherz fühlt anders als das eines Mannes. ´
„Wir sollten langsam aufbrechen.“
Meinte Éowyn, die in den Himmel geblickt hatte und beförderte Gweneth zurück in die Realität. Sie gab ein Zeichen und ein Horn wurde geblasen. Um sie herum wurden wieder alles zusammen gepackt und verstaut. Gweneth verstaute den Kessel und ihre Schüsseln, kümmerte sich noch schnell um ihr Pferd, als ein zweites Mal das Horn geblasen wurde und sich die Menschen erneut auf den Weg machten.
Éowyn lief wieder neben ihr und beide gingen eine Zeit lang schweigend nebeneinander her, bis Gweneth die Stille unterbrach, da sie diese nicht mehr ertragen konnte.
„Kannst du mir eine Geschichte über dein Volk erzählen?“
„Welche möchtest du denn hören?“
„Die von Helms Hammerhand.“
„Ah, der große Krieger der Rohirim. Gut ich erzähle sie dir…Helm Hammerhand war der Sohn von Gram. In seiner Regierungszeit gab es schwere Konflikte mit den Dunländern. Helms Truppen wurden unter großen Verlusten kurz vor Einbruch des langen Winters von den Furten des Isen zurückgetrieben und sie suchten Zuflucht in der Súthburg, die nach diesem Winter Hornburg genannt wurde, wo sie monatelang belagert wurden. Wegen des eisigen Wetters gab es auf beiden Seiten schwere Verluste. Ab und zu ging Helm selbst hinaus zum Lager der Dunländer und erschlug so manchen Mann mit bloßer Faust. Er galt als unverwundbar und die Feinde flohen vor dem Klang seines Hornes. Eines Morgens kam er von einem solchen Ausfall nicht zurück und man fand ihn auf dem Wall, erfroren, aber aufrecht stehend. Auch seine beiden Söhne Haleth und Háma waren im Krieg gegen die Dunländer gefallen. Somit war Helm der letzte König der ersten Linie Rohans. Sein Neffe Fréaláf trat sein Erbe an aus dessen Linie wir abstammen.“
„Beeindruckend… er ist im Stehen gestorben.“
Gweneth blick ging in die Ferne und versuchte sich ihn ihr vorzustellen, wie er aufrecht stehend auf dem Wall stand.
Schweigend gingen sie wieder nebeneinander her, als Éowyn plötzlich ein freudiges Lachen entfuhr.
„Sieh! Dort liegt Edoras und die Goldenen Hallen Meduselds!“
Gweneth hob ihren Blick und erkannte in weiter Ferne einen großen Hügel, der inmitten der Graslandschaft aus dem Boden ragte. Je näher sie kamen, desto mehr konnte sie erkennen und der Anblick sollte sich für immer in ihr Gedächtnis einprägen.

Kapitel 1-10

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

Kapitel 11-20

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

Kapitel 21-30

21

22

23

24

25

26

27

28

29

30

Kapitel 31-40

31

32

33

34

35

36

37

38

39

40

Kapitel 41-50

41

42

43

44

45

46

47

48

49

50

Kapitel 51-60

51

52

53

54

55

56

57

58

59

60

Cookie Consent Banner von Real Cookie Banner