Der Ring der Erde

Kapitel 26

Beide zuckten kurz zusammen und schließlich lächelte sie Aragorn entschuldigend an.
„Verzeih. Beinahe hätte ich dich umgerannt.“
Meinte sie mit einem noch breiterem Lächeln, das Aragorn mit einem Nicken erwiderte.
„Es ist nichts passiert. Doch weshalb bist du zu solch später Stunde noch wach?“
Sie war sich ziemlich sicher, dass er sah wie gerötet ihre Wangen und wie unordentlich ihr Haar war. Dennoch musste er erkannt haben, dass sie darüber nicht sprechen wollte, worüber sie sehr dankbar war.
„Ich wollte mich noch nicht zur Ruhe legen. Über zu vieles muss ich nachdenken, als dass ich in Ruhe schlafen könnte. Und du?“
„Mir erging es ähnlich.“
Etwas schien sich hinter Aragorn zu regen und sie sah an ihm vorbei. An der Feuerstelle entdeckte sie Éowyn, die schlafend auf einem Diwan lag.
„Weshalb ist Éowyn denn hier? Ich dachte Éomer hätte sie in ihr Gemach gebracht.“
Aragorn drehte sich kurz um und betrachtete die schlafende Éowyn mit einem ernsten Gesichtsausdruck.
„Vermutlich brachten ihre eigenen Wände nicht den Schlaf, den sie sich erwünscht hatte… die Nacht verändert viele Gedanken.“
Fügte er mit finsterem Gesichtsausdruck hinzu, deren Worte sie jedoch nicht verstand.
„Ihr wäret ein schönes Paar, du und Éowyn.“
Meinte sie plötzlich und brachte Aragorn zum Schmunzeln.
„Ja, das mögen wir durchaus sein… jedoch, wie soll ich eine Frau lieben, wenn mein Herz bereits an einer anderen verloren ist?“
Kurz betrachtete sie sein Gesicht und musterte seinen traurigen und besorgten Gesichtsausdruck.
„Wo ist sie?“
Fragte sie leise, fast schon flüsternd. Schmerz legte sich in seine Augen und sie bereute es beinahe gefragt zu haben.
„Sie segelt gen Westen zu den unsterblichen Lande.“
„Dann ist sie eine Elbin.“
„Eine Halbelbin.“
Er atmete schwer ein und sah erneut auf Éowyn zurück.
„Erzähl mir von ihr.“
Sagte sie sanft und als er sich zu ihr umdrehte. Seine Augen schienen in weite Ferne zu sehen und in ihnen lag so viel Liebe und Zärtlichkeit, dass es das Herz von Gweneth tief berührte.
„Sie ist die Tochter von Herr Elrond von Bruchtal und die Enkelin von Galadriel. Ihr Name ist Arwen Umdómiel, der Abendstern ihres Volkes. Die Elben sagen, sie sei Lúthiens Ebenbild und damit mögen sie recht behalten.“
„Dann muss sie wahrhaft schön sein, wenn dich Éowyns Schönheit nicht berührt.“
Aragorn nickte leicht und seine Augen funkelten.
„Das Licht von Sternen ist in ihren Augen, die grau sind, wie eine wolkenlose Nacht. Ein süßer Duft umgibt sie ständig wie eine sanfter Nebel im Morgengrauen und sie ist so voller Lieblichkeit, gute und Herzenswärme.“
„Weshalb verlässt sie dann Mittelerde? Kann sie deine Liebe nicht erwidern?“
Der friedvolle Ausdruck aus Aragorn Gesicht verschwand.
„Sie tat es… dennoch war unsere Liebe nur ein schöner Traum. Sie ist unsterblich, ich bin menschlichen Geblütes. Wenn sie in Mittelerde blieb, würde sie sterben. Alles um sie herum würde vergehen, nur sie wird immer bleiben bis ihr Lebensatmen verlischt. Es ist besser, wenn sie mit ihrem Volke geht. Sie wird dort glücklicher sein.“
„Aber ihr liebt euch!“
Aragorn nickte und eine tiefer Trauer lag in seinem Blick.
„Nicht immer kann man seinem Herzen folgen.“
Gweneth wollte schon etwas erwidern, als ihr Éomer in den Sinn kam.
´Aragorn hat recht… aber ich wünschte er könnte seinem Herzen folgen. Verdammt, ist das traurig. Schon fast wie bei Romeo und Julia… obwohl das bei denen noch sehr viel dramatischer war.`
Sie musste unweigerlich an die letzte Szene von Romeo und Julia denken und eine tiefer Traurigkeit wallte in ihr auf.
„Was ist mit dir?“
Fragte er plötzlich betroffen, da ihre Augen vor auftretenden Tränen glitzernden und riss sie aus ihren Gedanken.
„Ich musste nur gerade an eine sehr traurige Geschichte denken, die auch von zwei Liebenden handelt. Magst du sie hören?“
Er nickte leicht und Gweneth sammelte ihre Gedanken.
„Diese Tragödie spielt in einer südländischen Stadt, die Verona genannt wird. Sie handelt von der Liebe Romeos und Julias. Sie gehören zu zwei verfeindeten Familien, den Montagues und den Capulets.
Die Familien sind so sehr miteinander verfeindet, dass es regelmäßig zu Beleidigungen und blutigen Schwertkämpfen kommt. Deshalb halten Romeo und Julia ihre Liebesbeziehung geheim und gehen sogar heimlich den Bund des Lebens ein. Ihre Hoffnung war es, dass ihre Familien endlich ein Einsehen hatten und sie somit den ersten Schritt dafür machten. Nichtsdestotrotz kommt es zwischen Romeo und Tybalt, dem Cousin von Julia zum Kampf. Romeo tötet diesen und wird daraufhin aus Verona verbannt.
Julia hingehen soll mit Paris verheiratet werden, irgend so ein reicher Mann, und bittet den Pater um Hilfe, der den beiden schon vorher geholfen hatte.
Dieser gibt ihr einen Trunk, der sie für fast ganze zwei Tage in einen todesähnlichen Zustand versetzt umso der Hochzeit mit Paris zu entkommen.
Romeo wird eine Brief geschickt, der ihm davon in Kenntnis setzen soll, doch durch einen Missgeschick erhält er diesen nie.
Julia nimmt den Trank und wird in einer Gruft beigesetzt. Ein Freund Romeos sieht sie darin liegen und berichtet ihm sogleich alles. Romeo eilt zu ihr, um sie ein letztes Mal zu sehen. An ihrem Grab nimmt er Gift und stirbt an ihrer Seite. Doch noch während er stirb, erwacht Julia aus ihrem Schlaf und sieht, wie ihm der Lebensatem verlässt. Aus Verzweiflung und tiefer Liebe zu ihm, nimmt sie seinen Dolch und erdolcht sich.
Ihre Familien erkennen ihre Mitschuld an dem Tod ihrer Kinder und versöhnen sich an deren Gräber.“
Sie hörte auf zu erzählen und eine einzelne Träne rollte ihr die Wange hinunter.
„Eine schöne Geschichte, die doch so voller Trauer ist.“
Raunte er und holte sie in die Wirklichkeit zurück.
„Ja… sie ist so tragisch und doch so schön… einer meiner Lieblings Geschichten.“
„Würdest du auch so handeln, wenn du an ihrer Stelle wärst.“
Fragte er und Gweneth überlegte kurz, bevor sie antwortete.
„Ich denke… dass es darauf ankommt. Wenn es noch etwas gibt im Leben, das das Leben lebensfähig macht, dann würde ich mich nicht töten. Doch in der Geschichte hat Julia niemanden mehr an ihrer Seite, außer dem Pater und ihre Amme. Ihre Eltern sind nicht gerade die liebsten und denken nur an ihr eigen Wohl… also denke ich schon, dass ich ihren Weg wählen würde.“
Aragorn nickte und sah, wie traurig ihre Augen waren.
„Lass uns über etwas anderes sprechen.“
Gweneth nickte und sah gedankenverloren zu Éowyn.
„Soll ich etwas zu Éowyn sagen, dass du jemand anderen liebst und du ihre Liebe nicht erwidern kannst?“
Er schüttelte seinen Kopf und seine dunklen Haare flogen ihm leicht ins Gesicht.
„Nein… sie muss es selber begreifen.“
Gweneth nickte und verstand. Er atmete tief ein und drehte gedankenverloren seine Pfeife in die Hand.
„Oh verzeih, ich wusste nicht, dass ich dich vom Rauchen abhalte.“
Meinte sie schnell und sah entschuldigend drein.
„Es gibt nichts zu verzeihen… möchtest du noch hinausgehen?“
Doch bevor sie antworten konnte, wurde die Tür geöffnet und Éomer trat ein. Gweneth wendete schnell ihren Blick ab und wurde rot.
„Das würde ich sehr gerne, Aragorn.“
Schnell wand sie sich ab und wollte hinausgehen, als Éomer sie plötzlich stoppte.
„Gweneth…“
Wollte er gerade ansetzen, doch sie schüttelte schnell den Kopf und schlüpfte an ihm vorbei hinaus ins Freie. Sie wollte nicht mit ihm reden, denn sie befürchtete zu wissen, wie der Abend dann verlaufen würde. Es war zwar sehr verlockend ihn in seinen Armen zu beenden, doch sie wusste, dass dies nicht richtig war.
Aragorn folgte ihr, jedoch sprach er sie nicht darauf an. Beide blieben auf der Plattform stehen, als plötzlich Aragorn Legolas entdeckte und die beiden sich zu ihm gesellten. Er hatte die Kapuze seines Umhangs aufgesetzt und seine blauen Augen waren in weiter Ferne gerichtet.
Sie nickte ihm zu und Gweneth sah hoch in die Sterne, die zahlreich vom Himmel funkelten.
„Ich sah nie solch eine Sternenpracht… sie ist wunderschön.“
„Scheinen auf deine Erde wenige Sterne nieder?“
Fragte Aragorn und stopfte seine Pfeife. Nun musste Gweneth etwas Lächeln und schüttelte dann den Kopf.
„Unsere Sterne sind zahlreich, genau wie hier, nur haben wir Menschen die Städte in der Nacht erleuchtet und nur die stärksten und schönsten Sterne können gegen das Licht ankommen.“
„Wieso tatet ihr dies? Eine solche Schönheit auszublenden ist ein trauriger Gedanke.“
„Ja, das ist es, doch in der Gesellschaft können wir nicht ohne unser Licht leben… wie haben uns zu sehr daran gewöhn.“
„Doch wie ich sehe, kommst du ohne dem Licht hier gut zurecht.“
Sie lächelte Legolas an und sah dann wieder zu den Sternen.
„Hier brauch man es nicht… doch die Lichter der Stadt sind auch schön anzusehen. Wenn man einen hohen Ort besteigt und hinabsieht auf die Stadt, meint man die Sterne auf die Erde geholt zu haben. Alles leuchtet in einem sanften orangenen Licht und hier und dort blitzen auch andere Farben hervor. Es ist, als würde diese Stadt leben und wie ein Lebewesen pulsieren.
Wir mögen die Sterne des Himmels verblasst haben, doch im Austausch dafür haben wir uns eigenen erschaffen.“
Kurz schwiegen sie und hingen ihren eigenen Gedanken nach. Gweneth Gedanken glitten kurz zu Éomer, den sie jedoch schnell verdrängte. Stattdessen dachte sie über die Elben und die Sterne nach. Erkenbrand hatte ihr einst erzählt, dass die Elben vor der Sonne und dem Mond auf Arda waren und zu allererst die Sterne sahen. Sie versuchte sich in deren Lage zu versetzen, wenn nur die Sterne existiert hätten und nichts weiter am Himmel schien.
´Vermutlich hätten wir dann auch nicht versucht den Abend zu erhellen … vermutlich hätten wir zu schätzen gewusst was wir an den Sternen haben. ´
Und erneut hatte sie das seltsame Gefühl, als würde etwas mit den Sternen nicht stimmen. Plötzlich sprach Legolas mit einer ruhigen, dennoch unheilvollen Stimme ihre Gedanken aus.
„Die Sterne sind verhüllt. Etwas rührt sich im Osten… eine schlaflose Bosheit.“
Aragorn und Legolas warfen sich einen bedeutsamen Blick zu. Während Gweneth gen Osten sah, jedoch nichts wahrnehmen konnte.
„Das Auge des Feindes nähert sich.“
Immer noch sah sie nichts.
´Doch vielleicht kann man die Gefahr auch nicht sehen? `
Leicht schloss sie ihre Augen und konzentrierte sich die Schwingungen der Natur aufzunehmen. Zu Beginn konnte sie die Ruhe und das Alter von Edoras spüren, doch dann spürte sie, wie sich etwas Dunkles auf ihr Herz legte. Etwas, das ihr die Nackenhaare zum Stehen brachte. Verwundert runzelte sie die Stirn und versuchte aus den neuartigen Gefühlen schlau zu werden, dennoch gelang ihr es nicht.
Sie spürte, dass irgendetwas Dunkles näher kam. Gleich einer Wand aus schwerem Wasser, die jegliche Hoffnung nahm.
Es kam immer schneller näher, bis plötzlich eine eisige Kälte sie überrollte und sie erschrocken ein paar Schritte nach hinten torkelte. Schnell zog sie sich zurück und spürte noch die Kälte, die sie innerlich zum Zittern brachte. Schnell  sah Legolas an, dieser jedoch riss seine Augen weit auf und eine Furcht lag in seinem Gesicht.
„Er ist hier.“
Keuchte er kaum hörbar und sah panisch Aragorn an, dessen Gesichtsfarbe zu verblassen schien. Plötzlich drehten sich beide ruckartig um und rannten zurück in die goldene Halle. Verwirrt, doch mit einer bösen Vorahnung folgte sie ihnen. Sie rannten durch die große Halle, vorbei an der schlafenden Éowyn und  rannten in einen Nebenraum voller schlafender Männer. Abrupt blieb sie in der Tür stehen und ihr lief es kalt den Rücken hinunter, als sie sah was geschah.
Pippin lag zuckend auf den Boden und hielt eine feurige Kugel in seinen Händen, die ihn zwar nicht zu verbrennen schien, aber dafür furchtbare Schmerzen zufügte. Sofort entriss ihm Aragorn die Kugel, jedoch wurde auch er geschüttelt, sodass ihn Legolas stützen musste. Aragon ließ die feurige Kugel fallen, die quer durch den Raum rollte, bis Gandalf eine Decke auf die Kugel schmiss.
„Närrischer Tuk!“
Schimpfte Gandalf, als er sich umdrehte, jedoch verstumme er als er sah, wie Pippin regungslos und mit weit geöffneten Augen auf dem Boden lag. Gweneth stand im Türrahmen und ihre Finger umklammerten so fest den Rahmen, das ihre Knöchel weiß hervor traten.
Sie konnte sich nicht regen, denn die Furcht um Pippin und über die glühende Kugel ließen sie erstarren.
Gandalf rannte zu Pippin und schmiss Merry mit einer achtlosen Geste von ihm weg. Legolas kümmerte sich noch um Aragorn, der ebenfalls auf dem Boden lag, sich jedoch langsam regte. Er raffte sich mit Legolas Hilfe auf und trat näher an Pippin heran. Gandalf hatte seine Hand auf Pippins Gesicht gelegt und murmelte leise vor sich hin. Keine Sekunde später erwachte Pippin mit schweißnassem Gesicht, verstörtem Blick und mit schmerzendem Keuchen.
„Sieh mich an.“
Befahl Gandalf und Pippin gehorchte. Erst jetzt schien er Gandalfs Anwesenheit zu bemerkte, denn er sprach seinen Namen mit Überraschung aus.
„Verzeih mir.“
Flehte er und wollte seine Augen schließen, doch Gandalf zwang ihn sie wieder zu öffnen.
„Was hast du gesehen?“
Die Frage brannte auf Gweneth Haut und eine erneute Kältewelle durchdrang sie.
„Ein Baum… da war ein weißer Baum… ein Hof aus Stein… er war tot.“
Eine kalte Gänsehaut kroch ihr den Rücken hoch und brachte sie leicht zum Zittern.
„Die Stadt brannte.“
„Minas Thirit! Hast du das gesehen?“
„Ich sah…“
Sein Gesicht verzog sich schmerzhaft und fast unter Tränen sprach er weiter.
„Ich könnte IHN vor mir sehen! Ich konnte seine Stimme in meinem Kopf hören.“
„Und was hast du ihm gesagt? REDE!“
„Er fragte nach meinem Namen. Ich antwortete nicht. Er hat mir wehgetan!“
Angst umklammerte ihr Herz.
„Was hast du ihm über Frodo und dem Ring gesagt?!“
Pippin zitterte und seine Augen wurden groß.
„Ich habe nichts über Frodo gesagt.“
Kurz schein Gandalf erleichtert, doch dann wurde sie mit einem mal wieder finster.
„Hast du sonst irgendwas gesagt?“
Pippin Augen weiteten sich plötzlich und jegliche Farbe wich aus seinem Gesicht.
Er wendete den Kopf und sah Gweneth mit Angst und schmerzt in die Augen. Doch bevor er es aussprach, wusste sie es schon.
„Verzeih mir, Gweneth, bitte verzeih mir.

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Kapitel 51-60

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