Der Ring der Erde

Kapitel 28

Als sie wieder den kühlen Stein unter ihrem Körper und die Wärme des Feuers auf ihrem Gesicht spürte, hörte sie leise Ausrufe und verwundert öffnete sie ihre Augen.
Aragorn, Legolas und Gimli sahen sie alle aus aufgerissenen Augen an und Legolas gesellte sich sogleich zu ihr.
„Wie geht es dir?“
Kurz überlegte Gweneth, doch ihr fehlte nichts.
„Mir geht es gut. Es hat zumindest funktioniert“, sagte sie mit einem breiten Lächeln und verstand nicht so ganz, warum die Gefährten so besorgt um sie waren.
„Doch wieso sorgt ihr euch? War ich länger weg, als gedacht?“
„Wir dachten, der Erdboden hätte dich verschluckt“, brummte Gimli und verwirrt sah sie ihn an.
„Mich verschluckt?“
Fragend sah sie nun auch zu Aragorn, der ihre Frage mit einem Nicken beantwortete.
„Es war, als wärest du innerhalb eines Augenaufschlags in den Erdboden hinein gefallen, da er nachgab und dich verschlang“, erklärte Legolas, der neben ihr in der Hocke war.
„Nun ja, es ist ja der Ring der Erde… ich denke, so funktioniert er eben“, antwortete sie und stand auf, da der Boden recht kühl war.
Doch ihre Beine knickten unter ihrer Last hinweg. Hätte Legolas sie nicht schnell gestützt, wäre sie auf den Boden zurück gefallen. Vorsichtig half er ihr, sich auf ihren Stuhl zu setzen und sah sie dann besorgt an. Auch Aragorn und Gimli traten näher und musterten sie besorgt.
„Ich… ich bin wohl doch etwas geschwächt“, gab sie zu und errötete leicht, denn vor den Augen der Männer solch eine Schwäche zu zeigen, war ihr recht unangenehm.
„Du hast eine schwere Reise erlebt, für die unsereins mehrere Tage bräuchte. Kein Wunder, dass dein Körper geschwächt ist. Ruhe dich aus“, meinte Aragorn bestimmt.
´Vielleicht hat er Recht, aber ein letztes Mal möchte ich es versuchen.´
„Nein, Aragorn. Ich werde noch etwas üben. Ich habe nur zwei Tage Zeit, bis dahin muss ich es beherrschen.“
„Überanstreng dich nicht“, meinte nun auch Legolas, doch sie schüttelte vehement den Kopf.
Dabei spürte sie etwas gegen ihre Handfläche schaben und sie erinnerte sich an ihr kleines Mitbringsel.
„Da fällt mir ein, ich habe euch noch etwas mitgebracht.“
Sie öffnete ihre Hand und brachte das Mallornblatt zum Vorschein.
„Du warst in Lothlórien?“,
fragte Gimli erstaunt und seine Augen wurden groß vor Begeisterung.
Mit zittrigen Händen griff er nach dem goldenen Blatt und legte es sanft in seine Handfläche.
„Wir waren auch dort und haben die Herrin des Waldes kennenlernen dürfen. Hast du sie gesehen?“, fragte er und seine Augen leuchteten plötzlich.
„Nein, ich habe sie nicht gesehen. Ich wusste nicht, wie sie auf mein unerlaubtes Eindringen reagieren würde und ich wollte euch nicht sorgen, wenn ich zulange fern blieb.“
„Mich rührt deine Besorgnis, aber die Herrin zu sehen, ist wirklich eine Reise wert. Ihre Haare leuchten wie Gold und ihre Sanftmut lässt einem das Herz erzittern“, erzählte er und Gweneths Blick huschte zu Legolas und Aragorn, die beide Gimli angrinsten.
Sie begegnete Aragorns amüsiertem Blick, der leicht nickte und ihre Vermutung bestätigte.
„Sag, Gimli, mir erscheint es, als wärest du in die Herrin des Goldenen Waldes verliebt“, meinte Gweneth mit einem breiten Grinsen und beobachtete vergnügt, wie sich Gimlis Kopf rot färbte.
„Wer sich nicht bei ihrem Anblick verliebt, ist ein herzloser Dummkopf“,
grummelte er und warf den beiden Männern einen finsteren Blick zu, die beide jedoch darüber lachten.
„Aragorn, dir verzeihe ich, denn dein Herz ist bereits vergeben. Aber du, Spitzohr, hättest dich ebenso verlieben müssen!“
Legolas seufzte und sah seinen Freund bittend an.
„Das Herz ist ein kompliziertes Wesen, das sich nicht beherrschen lässt.“
Gimli brummelte, ließ jedoch dann Legolas in Ruhe. Denn er wusste, dass er die Wahrheit sprach. Ebenso wusste es Gweneth und ihre Gedanken schweiften wieder zu dem Mann, der ihr Herz erobert hatte.
´Verdammt, Gweneth! Nicht an ihn denken! Denk lieber ans Trainieren! Am besten ich gehe irgendwohin, wo mich keiner sieht. Einen einsamen Berg oder so was.´
Ohne den Männern etwas zu sagen, schloss sie wieder ihre Augen und konzentrierte sich. Schon merkte sie, dass sie wesentlich besser ihre Gedanken darauf lenken konnte, als beim ersten und zweiten Mal.
Vage erschienen vor ihrem geistigen Auge graue Berge und weiße Gipfel, die unter ihr hinweg zogen. Die Aussicht war atemberaubend und sie hatte mit einem Mal das Gefühl, dass sie überall hin konnte, solange sie auch dort hin wollte.
Ihr Geist flog über weitere schneebedeckte Gipfel, bis er um einen bestimmten Punkt zu kreisen schien, den sie auserkoren hatte. Wie im Sturzflug kam der Punkt immer näher, bis sich ihr Geist schließlich sanft darauf niederließ.
Schon konnte sie den rauen Wind auf ihrer Haut und die Kälte des Schnees durch ihre Kleidung fühlen. Sie öffnete die Augen und blickte sich um. Überall lag dichter Schnee, der in der Sonne glitzerte, wie tausend Edelsteine. Ein kalter Wind wehte und ließ sie frösteln.
Sie hatte seit Helms Klamm keinen Schnee mehr gesehen und vergrub nun ihre schlanken Hände in dem kalten Nass. Unweigerlich traten ihr die Erinnerungen an Erkenbrand hervor und ohne es zu wollen, rollten ihr die ersten Tränen über die Wange. Doch sobald sie es merkte, wischte sie diese energisch weg und zwang sich, ihre Erinnerungen wieder in sich zu vergraben.
´Verdammt, ich darf an ihn nicht denken! Bitte, Körper, brech erst daheim zusammen. Ich möchte niemandem zumuten, mein zerbrochenes Herz zusammenzufegen und mich zu trösten… es würde sowieso niemand die richtigen Worte für mich finden… weder die, die hier sind, noch die, die daheim auf mich warten… Ich muss wieder nach Edoras zurück, bevor ich mir eine Blasenentzündung zuziehe!´
Wieder schloss sie ihre Augen, legte ihre Hände in ihren Schoß und konzentrierte sich auf die wärmenden Flammen in Edoras. Ein paar Augenblicke später war sie wieder in Edoras, spürte die wohlige Wärme des Feuers und öffnete zufrieden ihre Augen. Doch sobald sie diese geöffnet hatte, spürte sie einen stechenden Schmerz in ihrem Kopf, der ihre Sicht vernebelte und sie ihr Gesicht schmerzhaft verziehen ließ. Keuchend beugte sie sich nach vorne und hielt ihren Kopf in der rechten Hand. Alles drehte sich und sie ahnte, dass sie doch etwas hätte ruhen sollen.
Etwas Warmes floss ihr aus der Nase, als der Schmerz so schnell verschwand, wie er gekommen war. Um sie herum hörte sie auf einmal die drei Männer laut keuchen.
„Gweneth, du blutest!“, rief Legolas, der am nächsten war und reichte ihr schnell ein Taschentuch. Zögernd wischte sie sich die Nase ab und betrachtete dann verwundert das Blut darauf.
„Ich… ich hatte noch nie Nasenbluten.“
Sie sah bestürzt hoch und sah in die besorgten Gesichter der drei Männer.
„Ruh dich aus, wenn du es noch einmal versuchen solltest, wirst du nicht wissen, was als Nächstes geschieht“, sprach Aragorn in einem ernsten Tonfall, der keine Widerworte zuließ und ging einen Schritt näher.
Gweneth nickte leicht und bedankte sich dann bei Legolas für das Taschentuch. Ungelenk stand sie auf und Aragorn und Legolas machten Anstalten, sie zu stützen, doch sie schüttelte leicht den Kopf.
„Ich danke euch für eure Besorgnis, aber ich schaffe es noch.“
´Sie haben mich schon einmal fallen sehen… noch einmal wär mir echt peinlich.´
Ohne auf ihre Reaktionen zu warten, torkelte sie in die Richtung ihres Gemachs zurück. Sie bog um die Ecke, ging einen kurzen Gang entlang und erst jetzt bemerkte sie, wie sehr ihr das Teleportieren zugesetzt hatte und wie schwach sie nun war. Immer wieder musste sie sich an den Wänden abstützen und kurze Pausen einlegen. Die Sicht verschwamm manchmal etwas vor ihr und die Gänge drehten sich leicht. Erneut musste sie sich abstützen und bemerkte ihre Hände, die leicht zitterten und eiskalt waren.
´Das Teleportieren ist wahrscheinlich eher für Elben gemacht, als für Menschen oder in diesem Fall, einen Menschen mit elbischen Vorfahren.´
Plötzlich hörte sie schwere Schritte und sie versuchte, einen weiteren Schritt zu wagen, jedoch war ihre Kraft aufgebraucht. Sie blieb zitternd stehen und lehnte sich Halt suchend gegen die Wand.
„Gweneth?“
Die Stimme ließ sie innerlich erzittern und eine angenehme Wärme breitete sich in ihr aus. Langsam sah sie sich um und erblickte Éomer, der direkt auf sie zukam. Kurz vor ihr blieb er stehen und betrachtete ihr Gesicht.
„Was ist passiert? Dein Gesicht ist blass… Ist das Blut?!“, fragte er besorgt und entsetzt und seine Augenbrauen zogen sich erneut zusammen, so wie sie es liebte. Sie rang sich ein Lächeln ab und versuchte, stärker auszusehen, als sie war.
„Alles halb so schlimm“, meinte sie, drehte sich von ihm weg und wagte erneut einen Schritt, doch ihre Knie gaben nach.
Ein starker Arm schoss hervor und bewahrte sie davor, auf den Boden zu fallen. Ehe sie sich versah, wurde sie nach oben gezogen und befand sich Augenblicke später an seine Seite gedrückt. Sein Geruch durchdrang sie und erweckte erneut die Sehnsucht, ihn zu küssen und alles Weitere zu vergessen.
´Oh Gott, er ist mir so nah…´
„Was ist geschehen?“, fragte er erneut, doch dieses Mal mit Nachdruck.
Sie spürte die Vibrationen seiner Stimme durch seine Brust hindurch und ließ sie leise seufzen.
„Ich.. bin über Arda gewandelt… zwei Mal hintereinander… ich hätte dazwischen ruhen sollen“, antwortete sie knapp und wartete auf seine Antwort, die nicht kam.
Stattdessen hob er sie hoch, dass ihr Herz wie wild klopfte und trug sie davon. Sie legte ihren Kopf an seine Schulter und ließ es geschehen. Nur zu gerne war sie in seiner Nähe und liebte es, seinen Geruch einzuatmen. Zu gerne hätte sie ihren Kopf gehoben und ihr Gesicht in seine Halsbeuge gelegt.
Sie bemerkte, wie sie auf etwas Weiches niedergelegt wurde und vermutete, dass es sich um ihr Bett handelte.
„Hier, trink!“, sagte er mit Nachdruck und half ihr, sich aufzusetzen.
Dann drückte er ihr einen silbernen Becher Wasser in die Hand, den sie schnell leerte, da sie erst jetzt merkte, wie durstig sie war. Noch zwei Mal füllte er den silbernen Becher auf, bis ihr Durst gelöscht war.
„Iss etwas, danach wird es dir besser gehen.“
Erneut drückte er ihr etwas in die Hand. Nur dieses Mal war es ein Teller voll belegter Brote.
„Woher hast du die so schnell?“
„Mein Frühstück, doch iss nur, ich werde mir neue besorgen.“
Kurz zögerte sie und sah ihn abwartend an, doch er nickte nur erneut. Langsam biss sie ein Stück des Brotes ab und merkte, wie wunderbar es schmeckte. In einem schnellen Tempo verschlang sie die Brote und fühlte sich sogleich sehr viel besser.
Als sie den Teller zurückgab, lächelte er sie breit an und stellte den Teller beiseite.
„Ich sah noch nie, wie jemand dermaßen schnell drei Brote in solch kurzer Zeit verschlang.“
Gweneth schluckte den letzten Bissen hinunter und legte sich dann mit einem Lächeln wieder zurück ins Kissen.
„Ich bin auch die Meisterin des Hinunterschlingens“, scherzte sie, worauf Éomer leicht lachte.
Dann wurde jedoch sein Ausdruck wieder ernster und besorgt sah er sie an.
„Der König erzählte Éowyn und mir den Vorfall von letzter Nacht, sowie die Entscheidung, die heute gefällt worden ist.“
Gweneth erwiderte nicht den Blick seiner hellbraunen Augen, sondern sah betrübt aus dem Fenster.
„So schnell können sich die Dinge ändern“, murmelte sie und seufzte tief.
„Die Entscheidung wurde mir nun doch abgenommen… doch jetzt, wirkt alles so endgültig. In wenigen Tagen werde ich nicht mehr hier sein.“
Traurigkeit befiel sie erneut, gefolgt von einer tiefen Müdigkeit.
„Ich wünschte…“
Doch weiter sprach sie nicht, denn sie fiel während des Sprechens in einen tiefen Schlaf.

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Kapitel 41-50

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