Der Ring der Erde

Kapitel 45

Sie saßen am Esstisch und frühstückten, währenddessen sie sich über Gweneths Vorhaben unterhielten. Gweneth sollte eine der Ersten im siebten Ring sein, damit sie auf jeden Fall zum König gelangen würde. Deshalb waren sie schon vor dem Morgengrauen aufgestanden. Arara hatte Gweneth angeboten, das Pferd ihres Mannes zu leihen, damit sie ihr Hab und Gut darauf schnallen und in den sechsten Ring reiten konnte, wie es nun mal die hohen Herrschaften zu tun pflegten. Erst nach einer kurzen Diskussion nahm Gweneth Araras Hilfe dankbar an. So beschlossen sie auch, dass sie Gweneths Hab und Gut in einem Stall im sechsten Ring verstecken würden, denn damit konnte sie nicht vor den König treten.
„Ich weiß gar nicht, wie ich Euch danken soll“, meinte Gweneth ehrlich, doch Arara schüttelte nur lächelnd ihren Kopf.
„Es genügt mir, wenn ich weiß, dass Ihr zu Eurer Audienz gelangt seid, die Euch doch so viel bedeutet.“
Ihr Herz schwoll an vor Dankbarkeit und Gweneth war sich völlig bewusst, dass sie ohne die Kinder und Arara es wesentlich schwieriger gehabt hätte, in den siebten Ring zu gelangen.
„Ich werde Eure Gastfreundschaft und Eure Hilfsbereitschaft nicht vergessen“, sprach Gweneth und Arara lächelte sanft.
„Habt Ihr denn ein Kleid, das Ihr anziehen könnt? Die Rüstung erscheint mir nicht unbedingt angemessen“, fragte sie und Gweneth kaute nachdenklich auf ihrem Marmeladenbrot herum, das sie noch nicht ganz aufgegessen hatte.
´Soll ich DAS Kleid anziehen? Ich mein, die Gelegenheit erscheint mir passend. Vielleicht lassen sie mich eher rein, wenn ich wie jemand Wichtiges aussehe. Ich mein, nicht jede Frau besitzt eine Rüstung, aber nicht jeder Mann kommt damit klar. ´
Innerlich seufzte sie und nickte dann zögernd. Arara schien zufrieden und räumte das Frühstück beiseite. Danach stellte sie Gweneth einen Eimer voller Wasser und eine Seife zur Verfügung und ließ sie in dem Kinderzimmer alleine. Schnell wusch sie ihren Körper und holte aus der Seitentasche ihres Rucksacks das Kleid Galadriels hervor. Vorsichtig legte sie es auf das Bett und bewunderte es erneut. Ihr Blick wanderte über die goldenen Stickereien und den weichen, weißen, hellgoldenen Stoff. Obwohl das Kleid während der Reise in ihrem Rucksack verstaut war, wies es keine einzige Falte auf. Vorsichtig lockerte sie die Verschnürung auf dem Rücken etwas und stieg dann von oben in das Kleid hinein. Der Stoff fühlte sich kühl auf ihrer Haut an, fast wie fließendes Wasser. Es schmiegte sich an ihren Körper und als sie die Verschnürung zuzog, passte es ihr wie angegossen. Plötzlich wurde die Türe aufgerissen und Aria stürmte breit lächelnd in das Zimmer. Sie trug noch ihr Nachtgewand und nach ihren zerzausten Haaren zu urteilen, war sie gerade eben erst erwacht. Aria blieb wie angewurzelt in der Türe stehen und starrte Gweneth aus großen Augen an. Erst nachdem Gweneth ein paar Mal ihren Namen gerufen hatte, erwachte das kleine Mädchen aus ihrer Starre.
Etwas eingeschüchtert trat sie in den Raum und brachte Gweneth zum Lächeln. Noch nie hatte es Gweneth geschafft, jemanden durch ihr Aussehen einzuschüchtern und es schmeichelte ihr etwas.
„Willst du nicht noch etwas schlafen? Es ist noch recht früh am Morgen?“, fragte sie Aria, um sie aus ihrer Verlegenheit zu locken.
„Ich konnte nicht mehr einschlafen“, murmelte das Mädchen und schlurfte etwas näher zu Gweneth.
Innerlich seufzte Gweneth und öffnete ihre Haare. Sie holte aus ihrem Rucksack Galadriels Kamm und wandte sich wieder zu dem Mädchen um.
„Möchtest du mir die Haare kämmen?“, fragte sie und Aria nickte.
So ließ sich Gweneth auf einen Schemel nieder und Aria begann ihr Haar zu kämmen. Sie war geschickt und Gweneth fing an, es zu genießen.
´Ich bin eigentlich ein ganz schöner Angsthase… ich mein, ich könnte, rein theoretisch, mich mit der Macht des Ringes direkt in den siebten Ring begeben. Ich weiß ja nun, dass es allen Gefährten und auch Faramir gut geht, aber… wie es Éomer geht, weiß ich immer noch nicht… er könnte ja gestorben sein. ´
Doch allein schon bei dem Gedanken zog sich alles in ihr schmerzhaft zusammen und ihre Hände verkrampften sich kurz.
´Und auch von Erkenbrand habe ich nichts in Erfahrung bringen können… ich hoffe, es geht ihm gut. ´
Gweneth seufzte leicht, während Aria immer weiter kämmte.
´Ich bin echt ein Angsthase… einerseits möchte ich so schnell wie möglich zu ihnen, aber andererseits fürchte ich mich vor jenem, was ich vielleicht erfahren könnte. Ach, ich wünschte, ich könnte meine Ängste überwinden und sofort zu ihnen wandern, aber…´
Ihr Herz schnürte sich weiter zu und in ihre Augen schossen die Tränen, die sie mühselig hinweg blinzelte.
´Ich möchte nicht wissen, wen ich verloren habe. ´
„Ist es so gut?“, fragte mit einem Mal Aria und riss Gweneth aus ihren Gedanken.
Gweneth fuhr über ihre nun leicht gewellten, seidigen Haare und nickte leicht.
„Ja, danke, das hast du schön gemacht“, lobte Gweneth das kleine Mädchen und schenkte ihr ein getrübtes Lächeln.
„Geht es dir gut?“, fragte Aria schüchtern und Gweneth senkte traurig den Kopf.
„Ich bin nur etwas nervös, das ist alles“, log Gweneth und vergrub ihre Ängste wieder tief in ihrem Inneren.
Unweigerlich legte sie ihre Hand auf das goldene Herz unter dem Kleid und hoffte, dass alles gut werden würde.
„Es ist Zeit“, murmelte Gweneth, warf sich ihren grünen Umhang um, verpackte wieder ihren Kamm und betrat dann zusammen mit der noch immer eingeschüchterten Aria das Wohn- und Esszimmer.
Arara wusch klirrend das Geschirr und Beoruf aß hastig sein Frühstück. Als Gweneth jedoch eintrat, hoben beide ihre Köpfe und erstarrten in ihren Bewegungen.
„Werde ich so eine Audienz beim König erlangen können?“, fragte Gweneth unsicher und Arara war die Erste, die aus ihrer Starre erwachte.
„Auf jeden Fall werdet Ihr das. Ihr seht… wahrlich aus, wie jemand vom Schönen Volk.“
Gweneth errötete etwas peinlich berührt und warf dann einen schnellen Blick nach draußen. Die Sonne war kurz davor aufzugehen und Gweneths Herz schlug vor Aufregung schneller. Die Zeit des Abschieds und ihres Aufbruches war nun gekommen.
„Beoruf, geh und hol die Pferde“, meinte seine Mutter, während sie ihre Hände abtrocknete und ihr Sohn sofort aufsprang und nach draußen eilte.
Gweneth bedankte sich noch einmal aus vollem Herzen und trat dann mit den anderen beiden hinaus auf die Straße. Beoruf hatte anscheinend schon bevor er gegessen hatte die Pferde gesattelt, denn vor ihr stand ein stattlicher Schimmel mit braunem Sattel und braunem Geschirr, der zusammen mit einem braunen Pony an einem Holzpfahl festgebunden war. Beoruf eilte an ihr vorbei, um ihr Hab und Gut zu holen, während Gweneth langsam zu dem schönen grauen Tier schritt. Sanft streichelte Gweneth seine Blässe und spürte den warmen Atem auf ihrer Haut.
„Wie ist sein Name?“, fragte Gweneth, während sie ihre Augen nicht von dem schönen Tier nehmen konnte.
„Er lautet Baros“, antwortete Arara, trat neben Gweneth und streichelte die Flanke des Tieres.
Schon war Beoruf wieder aus dem Haus geeilt und hatte ihren schweren Rucksack und einen großen Leinenbeutel, in dem ihre Rüstung eingeschlagen war, geschultert. Leicht keuchend stellte er ihre Sachen neben dem Schimmel ab und zusammen banden sie ihre Sachen an Baros‘ Sattel. Dann zog sie sich so würdevoll, wie es ihr nur möglich war, auf den hohen Rücken des Schimmels, setzte sich in den Frauensitz und nahm die Zügel, die ihr Arara gab, in ihre klammen Finger. Sie setzte ihre Kapuze auf und wandte sich noch einmal an die Frau und das kleine Mädchen, das sich leicht hinter ihrer Mutter versteckte. Offensichtlich war Aria noch sehr von Gweneth veränderter Erscheinung eingeschüchtert.
„Habt Dank für alles, was Ihr getan habt. Ich stehe tief in Eurer Schuld“, sprach Gweneth und verneigte sich leicht vor Arara.
„Nichts zu danken. Es ward mir eine Freude, einem Menschen in Not zu helfen“, auch sie verneigte sich leicht und Gweneth wandte sich kurz um und sah, dass Beoruf schon auf dem kleinen braunen Pony saß.
„Mögen die Sterne noch lang über Euch leuchten“, sprach Gweneth als Abschiedsgruß, nahm die Zügel dann fester in die Hände und mit sanftem Druck ihrer Beine setzte sich Baros in Bewegung, mit dem Pony im Schlepptau.
So ritten sie den Ring hinauf, immer weiter nach oben und mit jedem weiteren Tor, das sie ohne Schwierigkeiten passierten, schlug ihr Herz immer schneller. Sie bemerkte fast nicht mehr die neugierigen Blicke der Menschen, an denen sie vorbei ritten, denn zu sehr konzentrierte sie sich auf ihre Atmung, damit sie nicht anfing, zu hyperventilieren. Endlich passierten sie das Tor des sechsten Ringes und ritten in die Richtung der Ställe zu ihrer Linken. Zu gut konnte sie sich an das letzte Mal erinnern, als sie hier war. Damals waren überall Krieger in ihren silbernen Rüstungen gewesen, die Richtung Osgiliath ritten, um nie wieder heimzukehren. Gweneth schüttelte leicht den Kopf, um die Gesichter der nun toten Krieger aus ihrem Kopf zu bekommen und konzentrierte sich dann auf das Hier und Jetzt. Ihr Blick wanderte über den Stall, der sich nicht verändert zu haben schien und nur eine einzige Person konnte sie erkennen. Ein Stallbursche fegte in Gedanken versunken den Boden und als sie immer näher ritten, sah der Junge auf. Als er sie erblickte, gefroren seine Bewegungen, nur, um dann hektisch seinen Besen wegzustellen und seine Kleidung zu glätten, was Gweneth zum Schmunzeln brachte.
„Ich grüße Euch“, sprach Gweneth und versuchte dabei, ihre Stimme etwas weicher werden zu lassen, wie es die Elben immer taten.
Es schien zu wirken, denn der Stallbursche sah noch etwas neugieriger drein und verbeugte sich leicht vor ihnen, das Gweneth mit einem Kopfnicken quittierte. Als sie vor den Toren des Stalls anhielten, packte er schnell einen Schemel und stellte ihn unter ihre Füße. So glitt Gweneth würdevoll von dem Rücken des Schimmels und ging den Schemel hinunter. Dann nahm sie die Kapuze ab und lächelte den Stallburschen an, der heftig errötete und sich erneut vor ihr verbeugte.
„Habt Dank“, sprach sie so melodisch, wie sie nur konnte und wandte sich an Beoruf, der ebenfalls von seinem Pony gestiegen war: „Wir sehen uns mal die Ställe an.“
Gweneth wandte sich dann zum Stallburschen um:
„Könntet Ihr währenddessen die Pferde halten und meine Sachen von dem Sattel binden?“, fragte sie den Stallburschen mit einem leichten Lächeln und dieser nickte mit hochrotem Kopf.
So wandte sie sich von ihm ab, betrat gemeinsam mit Beoruf den großen Stall und der Geruch von Pferden und Stroh stieg ihr in die Nase. Der Geruch erinnerte sie an die Zeit in Edoras und ihr Herz schmerzte, als sie unweigerlich an Éomer denken musste. Schnell besann sie sich wieder und richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Umgebung. Die Ställe waren gut gefüllt mit Pferden und sie sah auf die Schnelle kein geeignetes Versteck für ihre Sachen, doch plötzlich ertönte ein lautes Wiehern, das sie innehalten ließ. Ihr Blick glitt über die Pferde und blieb an einem wunderschönen, gräulich weißen Hengst hängen, der sie aus seinen großen Augen freudig ansah.
„Schattenfell!“, rief sie überrascht und überbrückte die kurze Distanz zwischen ihnen.
Tränen vor Freude traten ihr in die Augen, als der Hengst leise schnaubte und sie ihre Hand auf seine Schnauze legte. Er wieherte leise, als sie seinen prächtigen Kopf streichelte und über sein seidiges Fell strich.
„Du hast mich erkannt“, flüsterte sie gerührt und Schattenfell legte seine Schnauze sanft auf ihre Schulter.
Er atmete schnaubend aus und die Wärme seiner Berührung fuhr durch sie hindurch.
„Beoruf, wir können meine Sachen bei ihm lassen!“, sagte sie zu dem Jungen, der schnell zu ihr kam und mit großen Augen Schattenfell ansah.
„Natürlich nur, wenn Schattenfell damit einverstanden ist“, meinte sie schnell, doch Schattenfell wich schon von der Tür zurück und Gweneth lächelte ihn dankend an.
„Das Pferd ist das schönste und ehrenwerteste, was ich je gesehen habe“, meinte Beoruf voller Bewunderung und konnte seine Augen nicht von der stattlichen Erscheinung Schattenfells nehmen.
„Und es gibt kein anderes, welches von edlerem Geblüt ist. Das, Beoruf, ist Schattenfell. Fürst der Mearas und treuer Gefährte von Gandalf dem Weißen.“
Beoruf zog ehrfürchtig die Luft ein und Schattenfell wieherte leise.
„Holst du bitte meine Sachen?“, fragte sie Beoruf, der sich sofort in Bewegung setzte und nach draußen stürmte.
Gweneth lachte leise und öffnete dann die Stalltür von Schattenfell. Er wich bereitwillig zurück und ließ Gweneth eintreten.
„Danke, Schattenfell.“
Sie strich über sein weiches Fell und lächelte sanft.
„Als wir uns das letzte Mal gesehen haben, war ganz schön viel los, nicht wahr?“, sprach sie zu ihm leise und erinnerte sich an das geflügelte Monster mit dem schwarzen Reiter und ihren Sturz in die Tiefe zurück.
Unweigerlich wurde ihr etwas kalt, als sie an den schwarzen Reiter dachte und schüttelte sich leicht.
„Gut, dass dies nun vorbei ist“, murmelte sie und Schattenfell wieherte leise.
Schnelle Schritte ertönten und als Gweneth aufsah, war Beoruf wieder da, mit ihren Sachen auf dem Rücken. Gweneth winkte ihn herein und sie legten ihre Sachen in die hinterste Ecke des Stalls, dann wandte sich Gweneth an Schattenfell, während Beoruf den Stall verließ.
„Ich übergebe meine Sachen in deine Obhut und bitte, lass niemand anderen als die Gefährten und mich daran. Darin sind Dinge von großer Gefahr, die nicht in die falschen Hände gelangen dürfen. Kann ich mich auf dich verlassen?“
Schattenfell wieherte laut und warf seinen Kopf hoch und runter, was wie ein Nicken aussah.
„Versteht er, was Ihr sagt?“, fragte Beoruf neugierig und Gweneth lachte leise, während sie gegen Schattenfells Flanke klopfte.
„Natürlich, er ist ein sehr kluges Pferd. Unterschätze ihn nicht.“
Mit den Worten schloss sie die Stalltür und küsste Schattenfell auf die Blässe.
„Hab Dank“, flüsterte sie gegen seine Nüstern.
Dann wandte sie sich an Beoruf und ging in die Hocke, damit sie auf Augenhöhe waren.
„Danke, dass du mich hierher begleitet hast. Wenn Eru es will, so begegnen wir uns eines Tages wieder und ich werde die Freundlichkeit deiner Familie nicht vergessen.“
Strahlend lächelte sie ihn an, bis Beoruf leicht rot wurde und sich tief vor ihr verbeugte.
„Ich würde mich freuen, wenn wir uns wieder begegnen würden.“
„Komm gut nach Hause und danke noch mal für alles!“
Sie küsste ihn sachte auf die Stirn und er wurde nur noch röter. Sein Blick richtete sich auf den Boden und gemeinsam gingen sie aus dem Stall. Der Stallbursche hielt noch immer die Zügel der zwei Pferde und Beoruf schwang sich auf den Rücken des Ponys. Gweneth nahm die Zügel von dem Stallburschen, band sie ans Ende des Sattels vom Pony und lächelte Beoruf ein letztes Mal an.
„Mögen die Sterne noch lange über dir leuchten“, sprach sie zum Abschied.
„Möge die Sonne stets für dich scheinen“, erwiderte Beoruf, wendete dann lächelnd sein Pony und schritt mit Baros im Schlepptau in den fünften Ring hinab.
Schließlich wandte sie sich an den Stallburschen und nickte ihm zu.
„Habt Dank“, sprach sie zum Abschied und erneut wurde der Kopf des Jungen hochrot.
„Nichts zu danken“, stammelte er und brachte Gweneth fast zum Lachen.
Dann wandte sie sich von ihm ab, atmete tief durch und schritt in die Richtung des Tunnels, der sie in den siebten Ring bringen sollte. Ihr Herz hämmerte bei jedem ihrer Schritte und das Blut rauschte in ihren Ohren. Ihre Hände wurden feucht vor Aufregung, als sie den beleuchteten Tunnel betrat und nach oben ging. Endlich war sie im siebten Ring angelangt und ging mit bangem Herzen in die Richtung des Königsaals. Erst jetzt merkte sie, dass überall Blumengirlanden hingen und hier und da Sträuße von den schönsten Blumen, die sie je gesehen hatte, in großen, silbernen Vasen standen. Noch wurde geschmückt und Gweneth eilte an ihnen vorbei in die Richtung des Warteraums und blieb erschrocken stehen, als sie die lange Schlange erblickte, die sich davor gebildet hatte.
´Na toll, ich werde nie dran kommen, wenn so viele Menschen zu Aragorn wollen… So ein verdammter Mist! Was mach ich denn jetzt? Es trotzdem versuchen? Naja, mal sehen, vielleicht sind die Valar mir ja wohl gesinnt. ´
Leise seufzend straffte sie ihre Schultern und versuchte so adelig und würdevoll zu gehen, wie sie es bei den Elben gesehen hatte. Sie strich ihren Umhang zurück, damit man ihr wundervolles Kleid sehen konnte und setzte ein distanziertes, aber dennoch freundliches Gesicht auf. Sie glitt an den dekorierenden Menschen vorbei, die kurz innehielten und sie mit großen Augen anstarrten. So gelangte sie schließlich zum Ende der Warteschlange und reihte sich hinter zwei Greisen ein, die sich lauthals über irgendwelche Hühner stritten. Der eine Greis hatte sogar ein braunes Huhn unter seinen Arm geklemmt, das jedes Mal gluckste, wenn sein Besitzer wild gestikulierte. Gweneth zog ihre Augenbrauen hoch und schüttelte innerlich den Kopf.
´Armer Aragorn, wenn er sich mit so was an seinem Hochzeitstag herumschlagen muss.´
„Herrin?“, ertönte plötzlich eine Stimme von der Seite und als sie ihren Kopf wendete, sah sie in das leicht errötende Gesicht einen Soldaten, der ein Brett mit einem Bogen Pergament darauf  umklammert hielt und sich räusperte, als sie ihre Augenbrauen fragend hochzog.
„Ja?“, frage sie so weich wie möglich und lächelte breit, worauf der Soldat bis zu seinem Haaransatz errötete und Gweneth erneut froh war, dass Galadriels Kamm solch Wunder bewirkt hatte.
„Weshalb möchtet Ihr zum König?“, stammelte er leicht und zückte einen Kohlestift, um ihren Grund für den Besuch des Königs aufzuschreiben.
„Ich erfuhr recht spät von seiner Hochzeit und möchte ihm gratulieren. Er ist ein guter Freund aus alten Tagen und ich möchte es nicht missen, ihn heute zu sehen.“
Der Soldat schrieb eilig mit.
„Wie lautet Euer Name, damit ich Euch ansagen kann, falls Ihr noch dran kommen solltet?“
„Es ist eine Überraschung, er soll nicht wissen, wen er vor sich hat“, sprach sie schnell, „doch sagt, wieso sollte ich heute nicht mehr an der Reihe sein?“
„Die Schlange der Wartenden ist lang und nur zu einer gewissen Zeit ist die Königshalle geöffnet.“
Gweneth seufzte enttäuscht und der Soldat sah selbst so traurig drein, als wäre es sein eigenes Schicksal.
„Könnt Ihr denn nichts tun, mich vor die anderen zu lassen? Der König wäre bestimmt sehr glücklich darüber, mich zu sehen“, sprach sie mit eindringlicher Stimme und legte ihre Hand auf den Unterarm des Soldaten.
Dieser errötete nur noch heftiger und sah in ihre topasfarbenen, goldenen Augen. Sie vertiefte ihr Lächeln mit der Wirkung, dass sein Kopf nun zu glühen schien.
„Ich werde sehen, was sich machen lässt“, stammelte der Soldat und stolperte davon.
Gweneth kicherte innerlich und als sie sich wieder umwandte, hatten die beiden Greise sich zu ihr umgedreht und starrten sie mit großen Augen an. Sie nickten ihnen würdevoll zu und beide erwiderten die Geste schnell. Dann wandte sie sich von ihnen ab, spürte jedoch noch ihre Blicke auf sich ruhen. Um sich abzulenken, wanderten ihre Augen über die atemberaubende Königshalle, die nun veränderter schien. Als der Truchsess noch gelebt und regiert hatte, hatte sie eine kalte Schönheit besessen. Doch nun wirkte sie wärmer und lebhafter.
„Herrin?“, ertönte wieder die Stimme des Soldaten, der noch schwer atmete und sie mit einem breiten Lächeln ansah.
„Ja?“, fragte sie und versuchte so elbisch wie möglich zu klingen.
„Ich habe noch einen Platz für Euch gefunden, bevor die Audienz geschlossen wird.“
Ihr Herz stolperte kurz, um dann noch nervöser in ihrer Brust zu flattern. Ihr Lächeln wurde breiter, was ihn noch mehr erröten ließ und sie ging mit ihm zusammen an der Schlange vorbei. Die Menschen sahen ihr ungläubig und leicht verärgert hinterher und Gweneth plagte ein wenig das schlechte Gewissen.
„Ich hoffe doch, dass ich niemandem seinen Platz beim König stahl?“
„Nein, einer älteren Frau wurde es auf einmal schlecht und sie verließ den Warteraum. Ihr könnt ihren Platz einnehmen.“
Er führte sie durch die Eingangstore und schleuste sie durch die Menschenschlange tief hinein. Er deutete auf eine Bank, direkt vor dem Eingang zu der Königshalle.
„Dies ist nun Euer Platz und Ihr werdet sogleich dran kommen.“
„Ich stehe tief in Eurer Schuld. Habt Dank!“ Sie verneigte sich vor ihm, was ihm die Röte auf die Wange trieb.
„Es war mir eine Ehre“, sprach er lächelnd, nickte ihr zu und ging dann wieder durch die Menschenmenge hinaus, die sie teils mürrisch und teils mit großen Augen anstarrte.
Ihr waren die Blicke etwas unangenehm und so setzte sie ihre Kapuze auf und zog sie tief in ihr Gesicht. Nervös schlug ihr Herz und sie knetete ihre feuchten Hände. Sie versuchte sich mit regelmäßigen Atemzügen zu beruhigen und es schien auch zu klappen. Doch als die braune Tür vor ihr geöffnet wurde, beschleunigte sich ihr Herzschlag schlagartig.
„Der Nächste!“, grummelte der Soldat und Gweneth sprang auf.
Er musterte sie von Kopf bis Fuß und gab ihr dann ein Handzeichen, ihm zu folgen. Zittrig folgte sie ihm und als die Tür hinter ihr ins Schloss fiel, sprang erneut ihr Herz in die Höhe. Sie folgte dem Soldaten durch den kurzen Gang, als sich mit einem Mal die Königshalle vor ihr öffnete.

Kapitel 1-10

1

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5

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10

Kapitel 11-20

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20

Kapitel 21-30

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Kapitel 31-40

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Kapitel 41-50

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47

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Kapitel 51-60

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