Der Ring der Erde

Kapitel 48

Drei Tage waren nun seit der Hochzeit vergangen.
In der Zeit war sie viel mit den hohen Elben beieinander gesessen und hatte Fragen über ihre Welt beantwortet. Manchmal gesellten sich die Gefährten oder Faramir zu der Gesellschaft und lauschten staunend ihren Erzählungen. Es machte Gweneth Spaß, Dinge von ihrer Welt zu berichten, um damit die altehrwürdigen Herren in fast schon kindliches Staunen zu versetzen, doch das Sprechen ermüdete sie und ihr Herz sehnte sich jeden Tag mehr nach ihrem geliebten Éomer. Sie fing erneut an, den Appetit zu verlieren und manchmal stand sie eine kleine Ewigkeit an einem Fenster und sah sehnsüchtig in die Ferne. Obwohl ihre Freunde sie gebeten hatten, zu bleiben, drängte jeder Herzschlag, ihm entgegen zu reiten. Zum einen wollte sie ihn unbedingt sehen, zum anderen ging ihr Haldir ziemlich auf die Nerven. Er tauchte immer dann auf, wenn sie gerade alleine war und verwickelte sie stets in ein Gespräch. Bei jeder ihrer Begegnungen gelang es ihm geschickt, sie mit Komplimenten zu überhäufen, auf die sie stets keine Erwiderung wusste, sondern einfach nur verlegen lächeln konnte. Dank seines unglaublichen Aussehens und seiner leuchtenden Erscheinung, schaffte er es immer wieder, ihr die Sprache zu verschlagen, was sie hinterher stets verärgerte und Haldir zutiefst zu amüsieren schien. Zwar war sie geschmeichelt, dass ein solch gut aussehender Elb Interesse an ihr zeigte, doch wurde sie das Gefühl nicht los, dass sie für ihn mehr eine Trophäe war, als jemand, dessen Herz er erobern wollte. Legolas bestätigte ihr Gefühl, als er ihr erzählte, dass Haldir ein berühmt berüchtigter Frauenheld war und in manchen Gebieten in Mittelerde ein weit bekannter Mann.
So fasste sie sich am Abend des dritten Tages ein Herz und entschloss sich, zu Aragorn zu gehen. Lange musste sie ihn nicht suchen, denn er war bei seinem Lieblingsort im königlichen Garten, doch war er nicht alleine. Das Königspaar saß auf dem Rand eines Springbrunnens und während Aragorn seine Augen geschlossen hatte, sang Arwen ihm ein elbisches Lied vor. Das Lied war herzergreifend und so schön, dass Gweneths Herz Arwen zuflog. Kurz blieb sie hinter einem Busch stehen und lauschte dem elbischen Gesang mit nervös klopfendem Herzen. Am liebsten hätte sie sich hingesetzt und verträumt dem Lied gelauscht, doch spürte sie wieder die Sehnsucht, die an ihrem Herzen nagte und zog. Sie atmete tief ein und wagte es, näher zu treten. Als Arwen sie bemerkte, hielt sie in ihrem schönen Lied inne und lächelte Gweneth freundlich an. Aragorn öffnete seine Augen und erblickte Gweneth, die ihn anlächelte und langsam näher trat.
„Verzeiht, dass ich Euch störe, doch… wollte ich um etwas bitten.“
Aragorn setzte sich etwas auf und ohne seine glanzvolle Rüstung und der Krone auf seinem Haupt, war er fast wieder jener, den sie einst kennengelernt hatte.
„Du möchtest ihm entgegenreiten, nicht wahr?“, fragte Arwen mit ihrer melodischen Stimme und verlegen nickte Gweneth.
„Ist es so offensichtlich?“, fragte Gweneth und brachte Arwen zum sanften Lächeln.
„Den Schmerz in deinen Augen kenne ich gut, denn er lag auch einst in meinen“, kurz hielt sie inne und ihre grauen Augen, in denen das Leuchten der Sterne lag, wurden mit einem Mal ganz sanft, „du vermisst ihn so sehr“, sprach sie leise und es war keine Frage, sondern eine Feststellung.
„Ich vermisse ihn mehr, als Worte sagen können“, gab Gweneth ehrlich zu und erneut spürte sie das Ziehen an ihrem Herzen.
Arwen drückte sachte die Hand von Aragorn und das Königspaar sah sich einen Moment lang stumm in die Augen, bis Aragorn seinen Blick abwandte und Gweneth abwägend ansah.
„Ungern lasse ich dich gehen, denn die Wälder sind noch nicht sicher. Immer wieder gelangt Nachricht aus den Wäldern, dass erneut Orks gesichtet wurden.“
Doch bei seinen Worten schlug ihr Herz dennoch höher und Freude jagte durch ihre Adern.
„Ich kann ja jemanden mitnehmen“, schlug Gweneth schnell vor und Aragorn nickte.
„Ich werde Legolas und Gimli bitten, dich zu begleiten. Zu lange haben sie schon nichts mehr zu tun“, meinte er schmunzelnd und Gweneths Herz wurde ganz leicht, während ihr beinahe die Tränen vor Erleichterung in die Augen schossen.
„Wann kann ich los?“, fragte sie schnell und voller Tatendrang, was Arwen leise zum Kichern brachte, welches sich bei ihr anhörte, wie ein leises Windspiel.
„Ich kann deine Gefühle nur zu gut verstehen, doch warte noch bis morgen, wenn sich die Sonne vom Horizont löst“, sprach Arwen mit einem kleinen, nachsichtigen Lächeln auf ihren vollen Lippen.
„Ihr werdet eine Nacht draußen verbringen müssen, ehe ihr auf die Reisenden treffen werdet“, meinte nun auch Aragorn, doch nichts konnte Gweneth mehr halten.
„Das macht nichts!“, meinte sie schnell und brachte das Paar erneut zum Lächeln.
„Ich werde alles in die Wege leiten, sei unbesorgt“, meinte Aragorn zum Abschluss und Gweneth war so glücklich, dass sie beiden impulsiv um den Hals fiel und sie heftig drückte.
„Danke!“, hauchte Gweneth aus tiefstem Herzen und mit Freudentränen in den Augen.
Sie lächelte beide überglücklich an und eilte dann in die Richtung ihres Gemachs, um alles für den morgigen Tag vorzubereiten.
Als schließlich alles gepackt war, legte sie sich in ihr Bett, doch vor Aufregung konnte sie nicht einschlafen. Ihre Gedanken rasten und ihr Herz schlug nervös in ihrer Brust. Lange wälzte sie sich in ihrem Bett hin und her, doch konnte sie sich weder beruhigen, noch entspannen. Irgendwann mitten in der Nacht gab sie schließlich auf, überhaupt noch schlafen zu können. So stand sie seufzend auf, warf sich einen dicken Mantel über ihr weißes Nachtkleid, schlüpfte in lederne Schuhe und verließ ihr Gemach. Sie lenkte ihre Schritte Richtung Garten und als der Wind ihr entgegen schlug, beruhigte sie sich etwas. Es war bereits dunkel und der Mond schien hell vom wolkenlosen Nachthimmel herunter. Sie streifte durch den Garten und fand eine steinerne Bank zwischen hohen Büschen. Auf ihr ließ sie sich nieder und sah hoch in den klaren Sternenhimmel. Gweneth stellte sich vor, dass vielleicht auch gerade Éomer in den Sternenhimmel sah und die Sehnsucht in ihrem Herzen wurde etwas leichter. Die Sterne funkelten am Nachthimmel, als mit einem Mal eine Melodie in ihren Kopf stieg, an die sie schon lange nicht mehr gedacht hatte. Leise fing sie an, die Melodie zu summen, als mit einem Mal ihr wieder der Text einfiel.
„Close your eyes
Let me touch you now
Let me give you something
that is real

Close the door
Leave your fears behind
Let me give you
What you are giving me

You are the only thing
That makes me want to live at all

Oh when I am with you
There`s no reason to pretend that

When I am with you
I feel flames again

Just put me inside you
I would never ever leave
Just put me inside you
I would never ever leave you.”

(Vast-flames)
In ihrem Kopf verhallten die Töne der Melodie und rührten sie beinahe zu Tränen. Der kühle Wind strich ihr durch ihre offenen Haare und sie schloss genüsslich ihre Augen, als sie anfing, die Melodie leise zu summen. Sie zog ihre Füße an, stellte sie auf die Bank und umschlang sie mit ihren Armen. Sanft legte sie ihren Kopf auf ihre Arme, ohne ihr Summen auch nur einmal zu unterbrechen.
„Du denkst an ihn, nicht wahr?“, ertönte eine leise, bekannte Stimme und mit einem kleinen Lächeln öffnete sie ihre Augen.
Vor ihr stand Pippin, der sie mitfühlend ansah und sie rutschte etwas zurück, dass er sich ebenfalls auf die Bank setzen konnte.
„Ja, bei jedem Herzschlag denke ich an ihn“, gab sie offen zu und sah wieder hoch in den Sternenhimmel.
„Was für eine Sprache war das, die du gerade gesungen hast?“, fragte er wissbegierig und zog ebenfalls seine behaarten Füße heran.
„Englisch, eine sehr weit verbreitete Sprache in meiner Welt.“
„Was bedeutet es?“, wollte er neugierig wissen und Gweneth seufzte.
Sie überlegte kurz und versuchte, so gut wie möglich zu übersetzen.
„Schließe deine Augen, lass mich dich jetzt berühren. Lass mich dir etwas geben, das echt ist. Schließe die Tür, lass deine Ängste dahinter. Lass mich dir geben, was du mir gibst. Du bist das Einzige, das mich dazu bringt, überhaupt leben zu wollen. Oh, wenn ich bei dir bin, gibt es keinen Grund, etwas vorzutäuschen. Wenn ich bei dir bin, fühl ich wieder Flammen. Füge mich einfach in dich ein, ich werde niemals gehen. Füge mich einfach in dich ein, ich werde dich niemals verlassen.“
Ihre Worte hallten noch etwas nach, während ihr Blick noch immer auf den Sternen ruhte.
„Ein schönes, wenn gleich auch trauriges Lied… gibt es viele Lieder in deiner Welt?“
Gweneth lächelte leicht und sah dann zu ihm.
„Ich würde sogar behaupten, dass es beinahe so viele Lieder in meiner Welt gibt, wie Menschen darauf wohnen. Lieder und Musik sind ein Teil unserer selbst und ohne sie wäre das Leben traurig und trist.“
„Also so wie hier.“
„Ja, könnte man sagen, doch die Lieder in meiner Welt bestehen aus vielen verschiedenen Sprachen und einer Vielzahl von Instrumenten.“
Ihr Blick wanderte wieder hoch in den Himmel, als sie hörte, wie Pippin leise seufzte.
„Was ist?“, fragte sie sanft und sah, wie Pippin sein Kinn auf seine Arme legte.
„Ich beneide dich ein klein wenig.“
„Warum?“, fragte sie neugierig.
„Du liebst ihn mit ganzem Herzen, während ich niemanden habe.“
Gweneth lächelte sanft und strich Pippin durch seine wuscheligen Haare.
„Du wirst noch jemanden finden, dem du dein Herz schenken kannst.“
Mit großen Augen sah er sie an und Gweneth schenkte ihm ein weiteres, strahlendes Lächeln. Kurz starrte er sie an und seine Laune schien sich etwas zu heben. Dann wandte er sich von ihr ab und sah in den Sternenhimmel. Gweneth tat es ihm gleich und umschlang wieder fest ihre Beine.
„Wieso bist du um diese Zeit noch wach?“, fragte Gweneth leise und Pippin wandte sich ihr wieder zu.
Er zögerte kurz, während sich sein Gesicht zu verdunkeln schien.
„Das Böse ist Vergangenheit, doch manchmal scheint es sich wieder in meine Träume zu schleichen“, sprach er leise mit gesenktem Blick.
Mitfühlend sah sie ihn an und strich ihm sanft über die Schulter.
„Du hattest einen Alptraum von vergangenen Schlachten?“, fragte sie leise und Pippin bejahte mit einem Nicken.
„Du auch?“, fragte er dann und Gweneth schüttelte den Kopf.
„Ich kann nur nicht schlafen, da ich zu aufgeregt bin.“
Verwirrt sah Pippin sie an.
„Im Morgengrauen werde ich Éomer mit Legolas und Gimli entgegenreiten.“
„Ich will auch mit!“, meinte plötzlich Pippin und sprang auf seine Füße.
Gweneth zuckte kurz erschrocken zusammen und lachte dann leicht.
„Das ist lieb von dir, aber wir werden schnell und lange reiten und kaum Pausen machen. Das ist nichts für einen Hobbit“, meinte sie, „doch danke ich dir, dass du mich gerne begleiten würdest“, fügte Gweneth schnell hinzu, doch Pippin sah weiterhin betrübt drein.
„Weiß Aragorn davon?“
„Ja, ich habe ihn gefragt, ob ich darf.“
„Wärest du nicht gegangen, wenn er es dir verboten hätte?“, fragte Pippin und Gweneth grinste breit.
„Ich wäre so oder so gegangen, doch was wäre ich für eine Freundin, wenn ich ihn nicht fragen würde?“
Pippin sah noch betrübter drein und setzte sich dann wieder auf die Bank.
„In wenigen Tagen bin ich wieder da“, meinte sie noch und Pippin seufzte tief.
Er sah auf seine behaarten Füße herab, während Gweneth nicht wusste, was sie noch hätte sagen können und schwieg ebenso. Sie richtete ihren Kopf wieder Richtung Himmel und sah den Sternen beim Funkeln zu. Lange saßen sie so da, bis Pippin fast von der Bank gerutschte wäre, da er im Sitzen eingeschlafen war.
„Es ist wohl besser, wenn ich mich schlafen lege“, meinte er leicht verlegen und stand auf.
„Dann… pass auf dich auf“, meinte er und sah leicht betrübt drein.
Ein leicht schlechtes Gewissen hatte Gweneth, doch wusste sie auch, dass sie mit den Hobbits an ihrer Seite nicht so schnell vorankommen konnte, wie sie wollte.
„Werde ich, versprochen.“
Pippin nickte ihr zu und wandte sich dann zum Gehen ab.
„Schlaf gut“, sprach er zum Abschied und Gweneth wünschte ihm auch eine gute Nacht.
Dann verschwand er zwischen dem Gebüsch und Gweneth richtete ihren Blick wieder gegen den Sternenhimmel. Leise fing sie wieder an, ihr Lied zu singen und zog den Mantel fester um ihren Körper, als die Kühle der Nacht langsam durch ihre Kleider drang. Sie legte wieder ihren Kopf auf ihre angezogenen Knie und dachte an Éomer. Abermals klopfte ihr Herz vor Aufregung und Freude, doch auch vor Angst.
´Wird er sich freuen, mich zu sehen? Ich denke schon… ich mein… Aragorn sagte, dass sich Éomer freuen würde, mich zu sehen, doch liebt er mich noch so wie ich ihn? Wird er mich vielleicht sogar zurückweisen? Hat er vielleicht schon jemand anderes?´
Schmerz zupfte an ihrem Herzen und sie schloss kurz ihre Augen. Unweigerlich dachte sie an Galadriels Spiegel zurück, in dem sie Éomer mit einer anderen Frau gesehen hatte. Schnell schüttelte sie den Kopf, um das Bild daraus los zu werden.
´Ich weiß, dass vermutlich alles gut gehen wird, doch was wäre wenn? Das macht mich fast wahnsinnig! ´
Sie öffnete wieder ihre Augen und sah in den Himmel.
´Falls er mich nicht mehr lieben sollte… ich glaube, das würde ich nicht überleben.´
„Law lín síla sui ithil (Dein Strahlen scheint wie der Mond)“, sprach mit einem Mal eine wunderschöne Stimme, die Gweneth zum Zusammenzucken brachte.
´Och nee, nicht der schon wieder! ´, dachte sie leicht resignierend und wandte ihren Kopf um.
Seine unglaublich dunkelblauen Augen leuchteten selbst noch in der Nacht und sein goldenes Haar schimmerte im Schein des Mondes.
„Guten Abend, Haldir“, meinte Gweneth höflich, doch wünschte sie sich, nur allein zu sein.
„Mae Govannen, gwend velwain (süßeste Maid)“, sprach Haldir und verbeugte sich leicht vor ihr.
Ihre Augen wanderten über seine gepflegte Erscheinung und registrierten mit leichtem Ärger, dass er in dem silbernen Wams unglaublich gut aussah. Zu gerne wüsste sie, was er ihr manchmal auf elbisch sagte, doch dann wiederum wollte sie es lieber erst gar nicht wissen.
„Warum seid Ihr zu so später Stunde noch auf?“, fragte er sanft und setzte sich, so elegant wie es nur Elben vermochten, auf die Bank neben ihr.
Innerlich stöhnte Gweneth gequält auf, versuchte aber, es sich nicht anmerken zu lassen.
„Dieselbe Frage könnte ich Euch stellen“, meinte sie nur und brachte Haldir zu einem strahlenden Lächeln, dass sie kurz gefangen nahm.
„Ein süßes Lied in einer mir nicht bekannten Sprache wehte durch mein Fenster herein und es ward so schön und gleichzeitig traurig, dass ich sehen musste, welch wundersames Geschöpf es wohl singen mochte.“
Sein Grinsen wurde breiter und erst als sie die Augen abwandte, konnte sie sich aus seinem anziehenden Bann befreien.
„Ich hätte wissen müssen, dass Ihr es seid“, raunte er und ließ ihr eine Gänsehaut den Rücken runter laufen.
Gweneth schnaufte tief durch und konzentrierte sich auf Éomer, dann war es ein Leichtes, Haldirs verführerischer Ausstrahlung zu widerstehen. Sie war sich ziemlich sicher, dass, wenn sie ihr Herz nicht vergeben hätte, sie schon längt in Haldirs Armen geendet hätte. Sie warf ihm einen seitlichen Blick zu und sein Lächeln wurde noch strahlender.
„Warum mögt Ihr mich überhaupt?“, fragte sie voller Ernst und brachte Haldir zum Lachen.
Es war so schön, wie ein Glockenspiel und brachte sie kurz aus dem Konzept. Seine Augen funkelten vor Amüsiertheit und schienen intensiv zu leuchten.
„Wie jeder Mann in Eurer Nähe, bin auch ich Eurem Charme verfallen“, meinte er ernster, aber immer noch umspielte ein Lächeln seine Lippen, doch Gweneth sah ihn verwirrt an.
„Was für ein Charme?“
Haldir lächelte breit und lehnte sich etwas nach vorne, hielt jedoch inne, bevor sie das Gefühl bekam, dass er ihr zu nahe kam.
„Ihr seid zum einen wunderschön, auf eine menschliche und auch gleichzeitig elbische Art und Weise. Doch strahlt Ihr eine Freiheit aus, die ich noch bei keiner Frau, sterblich oder unsterblich, gesehen habe. Ihr folgt keinem König, noch lasst Ihr Euch von einem einschüchtern. Dies bewundere ich an Euch zutiefst und weckte den Wunsch in mir, Euch an meiner Seite zu wissen.“
„Als Trophäe?“, fragte sie scharf, doch Haldir lächelte nur milde.
„Als geliebte Frau“, antwortete er nur und in seinen Augen funkelte so die Überzeugung, dass sie ihm glaubte.
„Ich würde Euch auf Händen tragen und jeden Wunsch Euch von den Augen ablesen, wenn Ihr es mir nur gestatten würdet“, sprach er eindringlich und seine Augen bohrten sich intensiv in ihre, dass sie kurz an nichts anderes mehr denken konnte, als an diese unglaublich blauen Augen.
Sie befreite sich aus seinem Blick und atmete noch einmal tief ein.
„Es ehrt mich, dass Ihr so empfindet, doch wie Ihr schon wisst, ist mein Herz bereits vergeben.“
„An einen Menschenmann“, sprach er abfällig und Zorn kochte in ihr hoch.
„Was könnt Ihr mir geben, dass mir kein Mensch geben kann!“, fauchte sie halb und Haldir lehnte sich etwas zurück.
„Ein Leben ohne Sorge und Beschwerlichkeit, voller Luxus und schönster Dinge“, sprach er mit einem Lächeln, doch Gweneth schüttelte leicht den Kopf.
„Solche Dinge sind mir nicht wichtig, noch würde ich jemanden verlassen aus solch nichtigen Gründen“, sprach sie hart, doch Haldir lächelte weiterhin.
„Und genau aus dem Grund bewundere ich Euch noch mehr“, raunt er leise und seufzte dann schließlich.
Er schien sie intensiv zu mustern, doch Gweneth wagte nicht aufzusehen, aus Angst, in seine tiefen, funkelnden Augen zu fallen. Dennoch spürte sie seinen Blick auf sich ruhen und eine unangenehme Gänsehaut breitete sich auf ihrem Körper aus. Plötzlich seufzte er leise und ließ sie aufblicken. Er wirkte mit einem Mal traurig und völlig niedergeschlagen. Verwirrt sah sie ihn an und in seine Augen legte sich beinahe ein flehender Ausdruck.
„Ich sehe, dass ich Euch nicht umstimmen kann, doch sagt mir wenigstens den Namen Eures Geliebten, damit ich weiß, gegen welchen Menschen ich nicht gewinnen konnte.“
Sein Blick war mit einem Mal so flehend, dass sie seine Bitte nicht abschlagen konnte.
„Sein Name lautet Éomer von Rohan.“
Haldirs Augen weiteten sich kurz überrascht und dann lächelte er traurig.
„Einen wahrhaft ehrbaren und mächtigen Mann habt Ihr gewählt.“
Er seufzte leise und stand dann geschmeidig auf.
„Möge er sein Glück, Euch an seiner Seite zu wissen, schätzen.“
Er verbeugte sich leicht vor ihr und sie nickte ihm zu.
„Mîr velwain i-phain aêl e-fuin níne-fuinen (Süßester aller Schätze und Stern meiner Nacht), gehabt Euch wohl und schlafet gut“, sprach er sanft und sie lächelte ihm erleichtert zu.
„Ihr auch, Haldir“, antwortete sie und mit einem kleinen, aber traurigen Lächeln wandte er sich ab und verschwand, wie schon zuvor Pippin, zwischen den Büschen.
Noch kurz sah sie auf die Stelle, an der er gerade gestanden hatte und wandte sich dann wieder erleichtert dem Sternenhimmel zu. Sie hatte dieses Mal das Gefühl, dass er sie nun wirklich in Ruhe lassen würde und der Gedanke ließ einen kleinen Stein von ihrem Herzen fallen. Sanft lächelte sie und legte ihren Kopf wieder auf ihre angezogenen Knie. Dann dachte sie über seine Worte nach und kam dann leicht ins Grübeln.
´Wieso hat er Éomer als mächtigen Mann bezeichnet? Er ist zwar dritter Marshall der Mark und besitzt einen gewissen Einfluss, doch so wirklich mächtig würde ich ihn nicht bezeichnen… hmm… komisch. Vielleicht ist er ja nun Berater des Königs, wer auch immer das sein sollte. ´
Die Gedanken an Éomer ließen ihr Herz höher schlagen und ließen sie wieder unruhiger werden. Resignierend stellte sie fest, dass sie an Schlaf nun nicht mehr denken konnte und so saß sie noch lange auf der Bank, bis die Sterne allmählich blasser wurden und sie sich mit steifen Gliedern in ihr Gemach begab.
Kaum schnappte die Tür in das Schloss ihres Gemachs, als die Nervosität und die Rastlosigkeit sie erneut packten. Schnell wusch sie sich, putzte ihre Zähne mit der Zahnbürste, schlüpfte in ihre Kleider und ihre Rüstung. Geschwind band sie ihr Haar zu einem lockeren Zopf, kontrollierte noch einmal ihre Satteltaschen und war zufrieden. Sie hatte alles Wichtige eingepackt und die Waffen zuoberst draufgelegt. Dann band sie sich ihr Schwert um, legte ihren grünen Mantel an, schulterte die beiden Satteltaschen und eilte dann nach draußen. Noch schien alles zu schlafen, denn außer den Wachen begegnete sie niemandem. Sie eilte durch die Königshalle, durch den Tunnel hinunter in den sechsten Ring und blieb dann vor den Ställen stehen. Sie sah sich um, doch von Gimli und Legolas war noch keine Spur. Plötzlich öffneten sich die Stalltüren geräuschvoll und vor ihr stand ein strahlender Legolas.
„Mae aur (Guten Morgen)“, sprach er und zog die Stalltür noch etwas weiter auf.
Hinter ihm erschien Gimli mit müdem Gesichtsausdruck und kleinen, verschlafenen Augen.
„Guten Morgen“, erwiderte Gweneth fröhlich.
„Danke, dass ihr mich begleitet“, meinte sie ehrlich und Legolas nickte nur lächelnd, während Gimli bei ihrem Satz langsam anfing aufzuwachen.
„Endlich ist mal wieder was zu tun!“, brummte er und kratzte sich geräuschvoll am Hintern, „auch wenn es bedeutet auf den stinkenden Pferden zu reiten. Ist allemal besser, als untätig herumzusitzen und sich vollzustopfen!“, grummelte Gimli, gekleidet in seine Kampfmontur, der sich müde die Augen rieb und kräftig gähnte.
„Ich dachte, du hast nichts gegen ein ausgedehntes Mahl?“, meinte Gweneth grinsend und brachte Gimli zum Lachen.
„Nein, nichts gegen ein gutes Mahl, aber ich habe schon zu viel gegessen. Mein Gurt spannt schon langsam“, und mit den Worten klopfte er sich auf seinen mächtigen Bauch.
Gweneth grinste Legolas an, der es ebenso breit erwiderte.
„Ich habe mir erlaubt, dein Pferd zu satteln. Als ich ihr erzählte, wen sie tragen darf, war sie auf einmal ganz ruhig.“
Verwirrt runzelte Gweneth die Stirn und als Legolas die pechschwarze Stute mit blauen Augen herausführte, hätte Gweneth beinahe vor Freude angefangen zu weinen.
„Kolfreyja!“, rief sie und stürmte auf die Stute zu, die schnaubte und ihren Kopf kurz zurückwarf.
Gweneth umarmte ihren Hals und zog den wunderbaren Geruch des Pferdes ein.
„Du hast überlebt! Wie ich mich freue!“, meinte sie und Kolfreyja schnaubte leise.
„Sie hat nur äußerst Wenige auf sich reiten lassen. Du musst wohl ihr Vertrauen errungen haben“, sprach Legolas sanft, während Gweneth mit Tränen in den Augen den seidigen Hals des großen Tieres streichelte.
Sie küsste die weiche Schnauze des schönen Tieres, klopfte ihr sachte auf den Hals und befestigte dann ihre Satteltaschen an dem Sattel. Währenddessen war Legolas erneut in den Stall gegangen und führte seinen Hengst Arod heraus, der ebenso schon gesattelt war. Gimli kletterte dann auf einen Holzschemel, zog sich schwerfällig und unter vielen Flüchen in den Sattel und wäre mehrere Male herunter gefallen, wenn Legolas ihn nicht rechtzeitig unterstützt hätte. Gweneth musste stark an sich halten, um bei dem Anblick nicht schallend loszulachen und als schließlich Gimli sicher im Sattel saß, schwang sich Gweneth auch auf ihr Pferd. Gweneth genoss es, auf Kolfreyja zu sitzen und konnte sich ein glückliches Lächeln nicht verkneifen. Legolas schwang sich ebenfalls elegant und leichtfüßig auf Arod.
„Ich hoffe, du weißt in welche Richtung wir reiten müssen“, meinte Gweneth an Legolas gewandt, der sogleich leicht lachte.
„Ja, ich kenne den Weg. Keine Sorge, wir werden uns nicht verlaufen.“
Gweneth nickte erleichtert und sie war froh, die beiden bei sich zu wissen. Sie waren beide großartige Krieger und Legolas ein weiser und geschickter Jäger. Mit ihnen, so hatte sie das Gefühl, würde sie Éomer sicher erreichen.
„Dann lasst uns gehen“, meinte Gweneth und brachte Kolfreyja durch sanften Druck ihrer Schenkel zum Traben.
So ritten sie zusammen die Ringe hinunter und begegneten, abgesehen von Wachen und Bauern, niemandem. Schließlich gelangten sie an den Schlagbaum, der für sie geöffnet wurde und kaum waren sie außerhalb der Stadt, spornten sie ihre Pferde an. Kolfreyja preschte nach vorne und Gweneth konnte sich ein glückliches Lachen nicht verkneifen, als der Wind ihr um die Ohren schlug und sie spürte, dass auch Kolfreyja es genoss, über die Ebenen zu preschen. Legolas holte jedoch bald auf und Seite an Seite galoppierten sie gen Westen, entlang des Weißen Gebirges.
Die Sonne strahlte hell vom Himmel hinunter und sie ritten, bis die Pferde müde wurden und ihr der Hintern allmählich anfing zu schmerzen, doch ihre Pausen waren nur von kurzer Dauer. Je weiter sie ritten, desto mehr spürte sie ein Ziehen in ihrer Brust und umso ungeduldiger wurde sie. Legolas und Gimli mussten sie immer wieder bremsen, damit sie nicht in einen Jagdgalopp verfiel. Sie hatten Zeit, das wusste sie und dennoch drängte ihr Herz immer weiter vorwärts. Es dämmerte bereits, als sie sich entschlossen, das Nachtlager an der Flanke des Gebirges im Schutz eines kleinen Waldes aufzuschlagen. Sie und Gimli suchten trockenes Holz, während Legolas die Pferde versorgte und ihr Nachtlager aufschlug. Die Arme voller Holz und mit einem Lachen auf den Lippen von Gimlis derben Sprüchen kamen sie zurück. Legolas hatte bereits Schlafmatten aus geflochtenen Schilfhalmen ausgebreitet und ein Ring aus Steinen gelegt. Er nahm das Feuerholz ab, schichtete es geschickt und schaffte es mit wenigen Funken eines Steins und trockenem Moos, das Feuer zu entzünden. Gweneth saß neugierig neben ihm und beobachtete jeden seiner Schritte. Am liebsten hätte sie erzählt, dass sie ein Feuerzeug besaß und es so schneller gegangen wäre, doch es faszinierte sie, wie er mit so wenig ein ganzes Feuer entfachen konnte. Sie setzten sich in einen Kreis um das Feuer und Gweneth war darauf bedacht, nicht allzu sehr ihren Hintern zu belasten, denn sie hatte ganz vergessen, wie schmerzhaft langes Reiten sein konnte. Jedes ihrer Glieder schmerzte und die Muskeln in ihren Beinen und im Hintern brannten beinahe unerträglich. Selbst Gimli plagte ein schmerzender Hintern, der schien jedoch darüber zu stehen und teilte tapfer das Essen, das aus Brot und Wurst bestand, aus. Hungrig biss Gweneth in beides hinein, denn sie hatte den ganzen Tag nichts gegessen vor lauter Nervosität. Während sie mit großen Bissen ihr Essen herunter schlang, fing Gimli an, Gweneth von den großen Taten der Zwerge und insbesondere seines Vaters Gloin zu erzählen. Mit glänzenden Augen erzählte er von dem Drachen Smaug, dem Einsamen Berg und der Schlacht der Fünf Heere, an der sein Vater beteiligt war. Gweneth lauschte gespannt, wickelte sich dabei tief in ihr Kuhfell und legte sich langsam hin, während Gimli von den Heldentaten seines Vaters erzählte und Legolas schmunzelnd daneben saß. Lange lauschte sie ihm, bis der mangelnde Schlaf sie dann doch einholte.

Kapitel 47

Kapitel 1-10

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

Kapitel 11-20

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

Kapitel 21-30

21

22

23

24

25

26

27

28

29

30

Kapitel 31-40

31

32

33

34

35

36

37

38

39

40

Kapitel 41-50

41

42

43

44

45

46

47

48

49

50

Kapitel 51-60

51

52

53

54

55

56

57

58

59

60

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