Der Ring der Erde

Kapitel 52

Gweneth schlenderte ohne Begleitung an den Zelten der Männer vorbei, denn Éowyn musste noch einiges vor der Abreise erledigen und da Gweneth nicht wusste, wo Éomer war, suchte sie nun nach Gimli und Legolas. Sie hoffte inzwischen auch, dass Arod und Kolfreyja wieder zu ihnen gefunden hatten und war voller Hoffnung, dass sie sowohl die Pferde als auch ihre Freunde finden würde.
Langsam ging sie um die Zelte herum, die teilweise schon abgebaut und eiligst zusammen gepackt wurden. Die zusammenpackenden Männer sahen stets zu ihr auf, wenn sie an ihnen vorbei ging und verneigten sich vor ihr, was Gweneth recht unangenehm war, doch erwiderte sie ihre Grüße stets mit einem Nicken. Mit zügigen Schritten ging sie weiter voran, bog um das nächste große Zelt und hielt inne, als sie vor einer langen Reihe angebundener Pferde stand. Ehe sie aber die Pferde genauer betrachten konnte, legte sich plötzlich eine Hand auf ihre Schulter. Erschrocken drehte sich Gweneth herum, nur um in das grinsende Gesicht ihres Bruders zu blicken. Erleichtert lachte sie und stupste ihn leicht in die Seite.
„Du hast mich erschreckt!“, maulte Gweneth und sie legte ihre Hand auf ihre Brust, worunter ihr Herz noch schnell schlug.
„Das war keine Absicht“, meinte Erkenbrand, doch sein Grinsen wurde nur noch breiter.
Gweneth sah ihn gespielt verärgert an und bemerkte erst dann, dass er etwas bei sich trug, das sie gut kannte.
„Sind das meine Satteltaschen?“, fragte sie erfreut und beäugte die Taschen genauer, die über Erkenbrands breiter Schulter hingen.
„Ja, die Reiter brachten sowohl die Taschen als auch dein Schwert“, antwortete er und Gweneth lächelte vor Freude.
„Wo ist es?“, fragte sie schnell, doch außer einem großen Stoffsack trug er nichts Weiteres.
„In dem Sack zusammen mit deiner Rüstung“, meinte er nur und Gweneth lächelte ihn dankbar an.
„Wo ist Éomer?“, fragte sie dann und sah sich sehnsüchtig um.
Zwar hatten sie sich erst vor kurzem voneinander getrennt, aber dennoch spürte sie die Sehnsucht deutlich in ihrem Herzen.
„Der König kümmert sich noch um gewisse Dinge“, sprach Erkenbrand und Gweneth war kurz verwirrt über Erkenbrands Wortwahl.
Dann erinnerte sie sich daran, dass ihr geliebter Éomer, dritter Marschall der Mark, nun König war. Seufzend schüttelte sie leicht den Kopf, denn sie hatte das Gefühl, als würde sie noch lange brauchen, um sich an seinen neuen Titel zu gewöhnen.
„Wieso kümmert er sich selber darum? Er kann doch andere beauftragen, jetzt, da er ja König ist?“, fragte Gweneth leicht verärgert, denn sie vermisste ihn sehr und wünschte ihn sich schnell an ihre Seite zurück.
„Er könnte und doch kümmert er sich selber um jene Dinge, die getan und organisiert werden müssen. Lange ist er noch nicht König und es wird Zeit brauchen, ehe er sich in dem neuen Titel eingelebt hat. In seinem Herzen ist er noch immer dritter Marschall der Mark, doch nun lass uns dein Pferd satteln, denn die Zeit des Aufbruchs ist nicht mehr fern“, sprach Erkenbrand und Gweneths Miene hellte sich schlagartig auf.
„Kolfreyja ist zurückgekommen?“, fragte sie freudig und sah sich schnell um.
Ihr Blick glitt über die braunen Pferde und blieb bei einem schwarzen Ross hängen, das seinen Kopf hoch und runter warf und schließlich laut wieherte. Die türkisenen Augen des Pferdes sahen direkt in Gweneths und ließen ihr einen Stein vom Herzen fallen.
„Da bist du ja!“, rief Gweneth lachend und eilte zu ihrer Stute, die laut schnaubte, als sie dem Tier um den Hals fiel.
Gweneth vergrub ihr Gesicht in dem seidigen, schwarzen Fell und drückte sich kurz an das große Tier.
„Du bist wiedergekommen“, sprach sie voller Zuneigung zu dem edlen Tier und küsste Kolfreyja auf ihre weiche Schnauze.
„Ich danke dir“, raunte sie und streichelte ihren Kopf.
Kolfreyja schnaubte leicht und als Gweneth anfing, ihr hinter den Ohren zu kraulen, schloss diese halb ihre Augen.
„Sie ist ein intelligentes Pferd“, ertönte die Stimme von Erkenbrand hinter ihr, „die Wachen erzählten, dass sie zusammen mit Arod kurz nach eurer Ankunft hier ankam.“
Gweneth tätschelte lächelnd den Hals des Tieres und sah dann zu Erkenbrand zurück.
„Sie ist halt etwas Besonderes“, meinte Gweneth und half dann Erkenbrand, ihr Pferd zu satteln und ihr Hab und Gut daran zu befestigen.
„Wie ich sehe, sind sie wiedergekehrt“, ertönte mit einem Mal die melodische Stimme von Legolas und als Gweneth an Kolfreyja vorbei sah, stand er bei seinem Ross Arod und reichte ihm lächelnd eine Karotte, die Arod gierig verschlang.
Sogleich sah sich Gweneth nach Gimli um, konnte ihn jedoch nirgends sehen.
„Wo ist Gimli?“, fragte Gweneth und ging langsam zu Legolas.
„Bei den Vorräten“, antwortete dieser und ein Grinsen schlich sich auf sein Gesicht, das sich dann auch bei Gweneth breit machte.
„Aha, ich denke, ich verstehe“, sprach sie schmunzelnd und konnte sich gut vorstellen, dass er die Vorräte um einiges schmälern würde.
„Ein kostbares Geschenk trägst du um den Hals. Schenkte sie dir König Éomer?“, fragte mit einem Mal Legolas und Gweneth fasste automatisch an die goldene Halskette.
„Ja, er schenkte sie mir schon vor geraumer Zeit. Doch jetzt, da ich seine Frau werde, kann ich sie nun offen tragen“, sprach Gweneth und mit einem Mal lachte Legolas laut und melodisch auf, dass Gweneth ein wenig erschrocken zusammenzuckte.
„Was für eine großartige Nachricht, mellon nîn!“, sprach er und seine hellblauen Augen funkelten so freudig, als würden Sterne darin liegen.
Er ging auf sie zu und legte eine Hand freundschaftlich auf ihre Schulter.
„Mein Herz ist voller Freude, dich so glücklich zu sehen“, sprach er und einen Moment lang war sie gefangen in seinen strahlenden, blauen Augen.
Mühselig befreite sie sich aus seinem Blick und lächelte ich dann genauso freudestrahlend an.
„Es werden nun endlich unbeschwerte und glückliche Zeiten kommen“, meinte Gweneth und drückte leicht die schmale, aber dennoch starke Hand von Legolas, die noch auf ihrer Schulter ruhte.
„Hörte ich gerade richtig, dass du die Frau vom König wirst?“, ertönte die Stimme von Erkenbrand hinter Gweneth und als sie sich umdrehte, lächelte er über sein ganzes Gesicht.
„Ja! Er fragte mich erst vorhin“, antwortete sie und konnte ihr glückliches Lächeln nicht mehr vom Gesicht nehmen.
„Glückwunsch, Schwester“, raunte er und küsste sie sanft auf die Stirn.
„Möget ihr beide glücklich werden“, sprach er weiterhin mit funkelnden Augen, als mit einem Mal ein helles Horn ertönte.
Erkenbrand hob seinen Kopf und sein Gesichtsausdruck wurde etwas ernster.
„Es ist Zeit zum Aufbruch“, meinte Erkenbrand, küsste sie noch einmal auf ihren Scheitel und ging dann mit schweren Schritten davon.
„Soll ich dir auf dein Ross helfen?“, fragte Legolas freundlich, doch bevor sie das Angebot abschlagen konnte, wurden die beiden unterbrochen.
„Dies wird nicht nötig sein, denn sie wird mit mir reiten“, ertönte die Stimme von Éomer und als sich Gweneth schwungvoll und mit freudigen Herzen umdrehte, lief er mit einem Lächeln auf die beiden zu.
Er war gekleidet in seine Rüstung und sein Deckhaar hatte er zurück gebunden. Ihr Herz schlug bei seinem Anblick höher und fast wäre sie ihm entgegen gelaufen, wenn sie sich nicht im rechten Moment gebremst hätte. Legolas verbeugte sich kurz respektvoll vor ihm und wich dann leicht zurück, um ihm Platz zu machen. Gweneth konnte nicht aufhören glücklich zu lächeln und als er seine Hand nach ihr ausstreckte, legte sie ihre unmittelbar in seine. Éomer küsste sanft ihren Handrücken, ohne den Blick von ihr zu nehmen. Gweneth lief feuerrot an und konnte nicht verhindern, dass sich ein warmes Gefühl in ihrem Magen ausbreitete. Lächelnd ließ er ihre Hand sinken und zog sie sachte zu sich heran. Gweneth ließ sich zu ihm ziehen und sah hoch in seine braunen Augen, die voller Wärme waren.
„Ist es Zeit zu gehen?“, fragte sie leise und Éomer nickte.
„Wir verbleiben hier schon länger, als es gedacht war. Ich schickte einen Boten, der unsere Verzögerung ankündigt“, raunte er und ließ eine angenehme Gänsehaut ihren Rücken hinunter laufen.
Dann spürte sie, dass er etwas um sie legte und als sie neugierig hinsah, hatte er ihren grünen Mantel um ihre Schultern gelegt. Erfreut strich Gweneth über den weichen Stoff und sah dankbar lächelnd zu ihm auf.
„Ich hoffe, es wird reichen, um die Kälte auszusperren“, sprach er leise und strich ihr über ihre Arme.
„Solange ich bei dir bin, wird es mir nicht kalt werden“, erwiderte sie nur und brachte Éomer zum Lächeln.
Dann ertönte erneut ein helles Horn und Éomer sah kurz auf. Er pfiff einmal laut und durchdringend, eher er etwas laut in der Sprache der Rohirrim rief. Einen kurzen Moment später wurde ihm sein dunkelgrauer Schimmel Feuerfuß gebracht, an dessen Sattel die Zügel von Kolfreyja befestigt waren. Éomer ließ von ihr ab und schwang sich in seinen Sattel. Dann sah er zu ihr herunter und reichte ihr seine Hand. Gweneth zögerte keinen Herzschlag und ergriff sie. Ein Ruck ging durch ihren Körper, als er sie zu sich hinauf zog, als würde sie nicht mehr wiegen, wie ein Sack Federn. Sie kuschelte sich auf seinen Schoss, während er einen Arm um ihre Hüfte schlang und mit der anderen die Zügel ergriff. Das unangenehme Gefühl seit ihrer Trennung im Zelt verschwand wieder und hinterließ nichts anderes, als das kribbelnde Gefühl in ihrem Bauch. Sie genoss es, so nah bei ihm zu sein, obwohl er eine Rüstung trug und sie somit seine ersehnte Wärme nicht fühlen konnte. Er schien es zu merken, denn er lachte leise, zog sie etwas näher zu sich heran und legte dann seinen Kopf auf den ihren.
„Endlich bist du wieder bei mir“, seufzte Gweneth, während sie sich an seine Halsbeuge kuschelte und seinen Geruch nach Leder, Pferd und angenehmem Schweiß gierig einzog.
„Auch ich bin froh, dich wieder an meiner Seite zu wissen“, raunte Éomer, zog sie enger in seine Umarmung und seufzte leise.
Als sie neugierig aufsah, war sein Gesicht entspannt und seine Mundwinkel umspielte ein kleines Lächeln. Sie konnte ihren Blick nicht von ihm nehmen, selbst als Éomer Feuerfuß in Bewegung setzte und die ganzen Reiter der Rohirrim ihrem König folgten. Eine Zeit lang ritten sie über die grünen Ebenen, bis Gweneth ihren Blick von Éomer abwenden konnte und zur Seite sah. Erst da bemerkte sie, dass sowohl Legolas und Gimli als auch Erkenbrand sie flankierten und ihr ein breites Lächeln zuwarfen, als sich ihre Blicke trafen. Gimli saß wie immer unglücklich auf Arod, konnte sich jedoch zu einem kleinen Lächeln zwingen, das Gweneth lachend erwiderte. Dann wandte sie sich von ihren Freunden ab, schloss ihre Augen und lehnte sich an die gepanzerte Brust ihres zukünftigen Ehemannes. Schon allein bei dem Gedanken, ihn bald zu heiraten, durchrollte sie eine Welle der Freude und ließ sie ganz leicht werden. Gweneth war so unendlich glücklich, dass sie sich mehr an ihn herankuschelte und es genoss, keinen Schmerz in ihrem Herzen mehr zu spüren. So ritten sie zusammen an der Spitze gen Minas Tirith.

Kapitel 1-10

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Kapitel 11-20

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Kapitel 21-30

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Kapitel 31-40

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37

38

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Kapitel 41-50

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44

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47

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Kapitel 51-60

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