Der Ring der Erde

Kapitel 54

Die Tage zogen dahin und nach dem dritten Tag ihrer Ankunft war schon der Tag ihres Aufbruchs gekommen. Schon zur frühen Stunde war alles zusammengepackt worden und jene, die das Trauergeleit begleiten wollten, waren schon beim Morgengrauen erwacht. Die Sonne ging gerade hinter dem Horizont auf und tauchte Minas Tirith in sanftes Licht, als Gweneth fertig gekleidet in einem schwarzen Kleid mit goldenen Verzierungen auf dem Balkon stand und ein letztes Mal die weiße Stadt zu ihren Füßen bewunderte. Ein sanfter Wind blies und fuhr durch ihre halb geöffneten Haare. Gierig zog sie den Anblick der erwachenden Stadt ein und lauschte dem dumpfen Stimmengewirr in ihren Gemächern. Ihre Kisten und Taschen wurden von den Rohirrim geholt und hinunter gebracht, während Éomer und sie bald zu den königlichen Gräbern gehen mussten.
Das Stimmengewirr verstummte, als eine Tür ins Schloss schnappte und wenig später sich Éomers schwere Schritte näherten. Er umfasste sie zärtlich von hinten und Gweneth ließ sich mit einem kleinen Seufzer gegen seine breite Brust sinken.
„Ich werde die Stadt vermissen“, murmelte Gweneth ein klein wenig traurig und sah weiterhin hinunter auf die Stadt, „auch wenn ich Edoras liebe, ist dies die Stadt der Könige und sie besitzt etwas sehr Anziehendes.“
„Du kannst sie jeder Zeit besuchen, wann immer dir danach ist, schließlich bist du nicht an Distanzen gebunden“, raunte Éomer und Gweneth lächelte leicht bei seinen Worten.
„Du hast Recht. Ich kann, wann immer es mir beliebt, hier her wandeln, dennoch ist es erst einmal ein Abschied und um ehrlich zu sein, bin ich etwas nervös. Immerhin bin ich bald Königin über ein ganzes Land und ich bin mir nicht sicher, ob ich meiner Stellung gerecht werde“, sprach sie ihre Gedanken aus, die sie schon eine geraume Zeit lang quälten.
Plötzlich packte Éomer sie an ihren Schultern, drehte Gweneth bestimmend, aber sanft zu sich um und als sie sah, wie er sie liebevoll anlächelte, wurde ihr das Herz ein wenig leichter. Sanft strich er über die verkrustete Wunde, die bald geheilt sein würde und hob dann sachte ihr Kinn an, nur um sie federleicht auf ihre Lippen zu küssen.
„Du wirst eine wunderbare Königin sein, die gerecht und voller Liebe mit mir zusammen über die weiten Ebenen herrschen wird. Ich könnte mir niemand besseres an meiner Seite wünschen als dich“, sprach er eindringlich und in seinen braunen Augen lag so viel Überzeugung, dass ihre Zweifel ein wenig kleiner wurden.
Tief seufzte sie, vergrub ihr Gesicht an seiner Brust und atmete seinen markanten Geruch nach Stroh, Leder und Pferd ein. Das ließ ihr Innerstes ein wenig ruhiger werden.
„Du hast Recht, es wird schon alles gut werden“, sprach sie leise und er zog sie fest in seine Arme.
Gweneth umschlang ihn mit ihren Armen und genoss die Nähe seines Körpers. So eng umschlungen standen sie eine Weile auf dem Balkon, bis sich die Sonne vom Horizont löste und es allmählich Zeit war zu gehen. Seufzend lösten sich die beiden voneinander und gingen in ihr Gemach, ohne zurückzublicken. Dann half Gweneth Éomer in seine Rüstung und legte dann selber ihren grünen Umhang an, den ihr einst König Théoden geschenkt hatte. Als sie an ihn dachte, legte sich Trauer über ihr Gemüt, doch versuchte sie, es Éomer nicht zu zeigen, denn für ihn musste es wesentlich schlimmer sein, seinen Ziehvater zu Grabe zu tragen. Mit einem Mal klopfte es an der Tür und riss die beiden aus ihren düsteren Gedanken.
„Tretet ein!“, rief Éomer laut und die Tür öffnete sich einen Spalt.
Ein kleiner, wuscheliger Kopf wurde durch den Türspalt gesteckt und der Hobbit lächelte schwach, als sein Blick auf Gweneth fiel. Dann trat er vollends ein und richtete sich auf, als sein Blick zu Éomer glitt.
„Es wird gleich beginnen, Herr“, sprach Merry in einem ernsten Tonfall und verbeugte sich kurz vor seinem König.
„Schickt dich Aragorn?“, fragte Gweneth und ging einen Schritt auf den Hobbit zu.
Dieser richtete sich wieder auf und Gweneth musste zugeben, dass er in seiner ledernen Knappenrüstung und dem elbischen Umhang mit der typischen Brosche wie ein kleiner Krieger aussah.
„Ja, er hat nach euch beiden gefragt und mich dann losgeschickt, damit ich euch abhole“, antwortete er ernst und als Gweneth in seine Augen sah, konnte sie tiefe Trauer darin erkennen.
´Er stand Théoden doch näher, als ich gedacht hatte. Sein Begräbnis nimmt ihn doch wohl ziemlich mit.´
„Sagt Aragorn, dass ich mich sogleich auf den Weg machen werde“, sprach Éomer huldvoll und Merry verbeugte sich noch einmal steif, ehe er Gweneth ein kleines, trauriges Lächeln zuwarf und dann die Tür zuzog.
Noch einen Moment lang sah sie auf die geschlossene Tür und drehte sich dann zu Éomer um. Sein Gesichtsausdruck war mit einem Mal ernster geworden und sogleich spürte sie seine Trauer in ihrem Herzen. Schnell schritt sie zu ihm und strich ihm beruhigend über seine stoppelige Wange.
„Du wirst das schon schaffen“, versuchte sie ihm gut zuzureden und er nahm ihre Hand in seine und küsste ihre Handinnenfläche.
„Das werde ich wohl müssen“, raunte er, küsste noch einmal ihre Handinnenfläche und hielt inne.
Einen Moment lang standen die beiden sich still gegenüber, während ihre Hand noch immer an seinem Mund verweilte und die Trauer und das Mitgefühl gegenüber Éomer sich schwer auf ihr Herz legte. Schließlich ließ er ihre Hand seufzend sinken und als er seinen Blick hob, lag in seinen Augen ein solcher Schmerz und Trauer, dass es Gweneth fast den Atem raubte. Sofort strich sie zärtlich über seine Wange und Éomer atmete tief durch, als er seine Augen schloss, um sich zu sammeln. Dann hob er seine Hand und umschloss ihre, die sanft auf seiner Wange lag. Gweneth spürte seinen sanften Griff und hielt inne, seine Wange zu liebkosen. Dann hob Éomer abermals seinen Blick und nickte ihr sachte zu.
„Lass und gehen“, hauchte er mit seiner rauen Stimme und ein Kloß breitete sich in ihrem Hals aus, der ihr das Sprechen erschwerte.
So nickte sie, hakte sich bei ihm unter und zusammen verließen sie beide ihr Gemach. Schweigend gingen sie die Gänge entlang und durch den königlichen Garten, in dem sich bereits das Schöne Volk mit traurigen Mienen aufhielt. Respektvoll wurde ihnen Platz gemacht und das Paar schritt ungehindert in die Halle der Könige. Dann durchschritten sie auch diese und gelangten durch die großen, schwarzen Tore in den obersten Ring. Vor ihnen befand sich eine große Menge aus vielen Völkern, doch Gweneths Gedanken ruhten einzig bei dem Mann an ihrer Seite und so nahm sie die Gesichter der Menge nur durch einen grauen Schleier wahr. Zielstrebig schritten sie zu dem Tunnel, vor dem bereits Aragorn in seiner festlichen Rüstung und seinem schwarzen Umhang wartete. Sie verlangsamten ihren Schritt, bis sie vor Aragorn zum Stehen kamen und die beiden Könige sich als Begrüßung ihre breiten Hände auf die Schultern des jeweilig anderen legten. Einen Moment lang sahen sie sich in die Augen, nickten sich mit einem kleinen freundlichen Lächeln zu und nahmen dann ihre Hände wieder von den Schultern des anderen.
„Möge unsere Reise nicht nur von Trauer begleitet sein“, hauchte Aragorn so leise, dass nur Éomer und Gweneth ihn verstehen konnten und drehte sich dann mit wehendem Umhang Richtung Tunnel.
Éomer schloss mit wenigen Schritten zu Aragorn auf, ehe sie zusammen die Schräge hinunter schritten und Gweneth sich hinter Éomer einreihte. Eine plötzliche Bewegung neben ihr ließ Gweneth auf sehen und sie wäre beinahe über ihre eigenen Füße gestolperte, als sie in die sturmgrauen Augen von Arwen blickte, die gefüllt waren mit Sternenlicht und so tief und weise, dass man sich ein Leben lang darin verlieren konnte. Schnell erwiderte Gweneth die freundliche Geste der Königin, die ihr leicht zunickte und zwang sich dann, ihren Blick abzuwenden. Es dauerte einige Augenblicke, bis sich Gweneth gefangen hatte und als sie wieder einen klaren Geist besaß, waren sie bereits im sechsten Ring angelangt. Erst dann bemerkte Gweneth eine tiefe und leise Melodie, die im Wind mit schwang und so voller Trauer war, dass sich ein Stein auf ihre Brust legte. Neugierig lauschte Gweneth und bemerkte voller Staunen, dass die Melodie in Wahrheit ein gemurmeltes Lied in einer ihr unbekannten Sprache war. Jedoch war es so ruppig und rau, als dass es von den Elben stammen könnte. Neugierig warf Gweneth einen Blick über ihre Schultern und sah, dass hinter ihr die Hobbits mit traurigen Mienen folgten und dahinter die hohen Elbenherren sich angeschlossen hatten. Ihr Blick glitt weiter zum Schönen Volk, den Gondorianern und schließlich zu den Rohirrim, deren Lippen sich leise im Rhythmus der Melodie bewegten.
´Es sind also die Soldaten aus Rohan, die das Lied singen.´
Sie wandte sich wieder um und lauschte weiter dem traurigen Lied und der Melodie, die sich immer schwerer auf Gweneths Brust legte und bald ihr vor Trauer den Hals zusammenzog. Mit einem Mal blieb Éomer vor ihr stehen und Gweneth hielt schwankend inne, ehe sie ihren Blick hob. Vor ihr befand sich ein großes, schwarzes Tor, dessen Torwächter beim Anblick des Trauergeleits sich erhob und mit ruhigen Bewegungen das Tor öffnete. Gweneth erhaschte nur einen kurzen Blick auf die prächtig verzierten Tore, als sie knarzend geöffnet wurden und die beiden Könige alleine durch das Tor schritten. Am liebsten wäre Gweneth ihnen gefolgt, doch die Stille Straße, die zu den Weihestätten und den Gruften der Könige führte, durfte eigentlich von niemandem, außer den Königen, betreten werden.
´Eine Frechheit, dass der Truchsess mit seinen Soldaten dort drin war. Sie haben die Grüfte entehrt und die Ruhe der Toten gestört!´, dachte Gweneth voller bitterer Gedanken an den Truchsess, doch dann schüttelte sie schnell den Gedanken an ihn ab.
´Ich sollte nicht an ihn denken… der heutige Tag gilt König Théoden.´
Tief atmete sie ein und lauschte, mit den Gedanken bei Théoden, dem traurigen Lied seiner Untertanen. Sie schwelgte in den sanften Rhythmen der Melodie, als mit einem Mal eine Bewegung hinter den geöffneten Toren ihren Blick auf sich zog. Die beiden Könige schritten mit vor Trauer gezeichneten Gesichtern durch das Tor und trugen auf einer kostbaren, goldenen Bahre den Leichnam des gefallenen Königs. Merry schritt auf die beiden Könige zu und nahm als Théodens Schildknappe das Schwert seines Herrn entgegen. Mit versteinerter Miene und Schmerz in seinen sonst so fröhlichen Augen begleitete er Théoden an dessen Seite. Langsam kamen sie dem Trauergeleit immer näher und als Gweneth Théodens Leichnam sah, schmerzte ihr Herz vor Trauer so sehr, dass ihr die Tränen in die Augen schossen. Beinahe sah er aus, als ob er in seiner Rüstung schlafen würde, wäre nicht seine blasse, unnatürlich wächserne Haut gewesen, die eindeutig von seinem Tod zeugte. Nur mit Müh und Not konnte sie sich beherrschen, nicht in Tränen auszubrechen und folgte still, wie der Rest des Trauergeleites, den beiden Königen. Kaum, dass sie den sechsten Ring verließen, fingen überall in der Stadt an, die Glocken zu läuten und begleiteten mit dem Gesang der Rohirrim das Trauergeleit durch die ganze Stadt. Die Einwohner von Minas Tirith schienen alle auf den Straßen zu sein und senkten im stillen Respekt ihre Häupter, als der Leichnam des Königs sie passierte und warfen Blumen auf seinen Weg. Jene, die von den Fenstern aus auf das Trauergeleit sahen, ließen Blumen auf Théoden regnen und rührten Gweneth zu Tränen. Still liefen ihr die Tränen über ihre Wangen, als sie immer weiter die Ringe hinunter schritten und erst, als sie im ersten Ring ankamen, konnte sie ihre innerlichen Gefühle wieder ordnen. Der Weg war für sie geöffnet worden und vor den Toren der Stadt wartete ein reich mit Blumen und kostbaren Tüchern behangener Wagen, auf denen er aufgebahrt wurde. Als Schildknappe setzte sich Merry an Théodens Seite, noch immer seine Waffen haltend und die Reiter von Rohan umgaben den Wagen und trugen seine Banner voran. Der Trauergesellschaft wurden ihre Pferde gebracht und auch Gweneth schwang sich mit Éomer an ihrer Seite auf Kolfreyja. So begann der Ritt des Trauergeleits von König Théoden nach Rohan, dessen Spitze er anführte. Danach folgte Aragorn mit Frodo und Sam an seiner Seite, gefolgt von Éomer, Gweneth und Gandalf und dahinter schlossen sich das gesamte Schöne Volk mit Königin Arwen in ihrer Mitte an, auch die Fürsten von Dol Amroth und Ithilien, viele Hauptleute und Ritter und Pippin ritt seinem Stand entsprechend bei den Rittern von Gondor mit. In dem Moment war sich Gweneth sicher, dass kein König der Mark je eine solche Begleitung gehabt hatte wie Théoden und sie hoffte, dass er mit einem Lächeln auf sie herunter sehen würde.

Ohne Hast und Eile reisten sie zusammen viele Tage und obwohl es das Trauergeleit König Théodens war, nutzte man die Zeit der Reise, um neue Freundschaften zu schließen und Lieder über den Heldenmut König Théodens zu singen. Inzwischen war auch Haldir nicht mehr aufdringlich, sondern verhielt sich so respektvoll wie möglich und erntete somit Gweneths Gunst und nach vielen Tagen auch ihre Freundschaft. Zwar war Éomer zu Beginn skeptisch und grummelte stets, wenn Gweneth von ihm sprach, doch vertraute er ihr und als er sah, dass Haldir es nicht wagte, ihr allzu nahe zu kommen, akzeptierte er ihre Freundschaft, wenn er auch stets wachsam blieb.
Gweneth verbrachte viel Zeit mit ihren Freunden und plante mit Éowyn ihre beiden bevorstehenden Hochzeiten, welche eine willkommene Ablenkung waren von Éowyns traurigen Gedanken. Voller Eifer stürzte sich Éowyn in die Planung und ließ Gweneth fast keine Ruhe. Fast befürchtete Gweneth, dass Éowyn die Trauer nur tief in sich vergrub, doch brachte sie es nicht übers Herz, Éowyn darauf anzusprechen, denn sie wirkte stets lebhaft, wenn sie an der Planung der Hochzeit arbeitete. Zwar war es noch nicht offiziell verkündet worden, doch dies sollte sich nach der Beisetzung ändern. Gweneth freute sich schon sehr auf ihre Hochzeit, wobei sie bei dem Gedanken stets nervös wurde. Immerhin würde sie dann Königin sein und sie fürchtete sich vor der bevorstehenden Verantwortung, die ihre Position mit sich brachte. Auch schmerzte ihr Herz bei dem Gedanken, dass an dem wichtigsten Tag ihres Lebens ihre Eltern nicht dabei sein würden. Sie wussten ja noch nicht einmal, dass Gweneth lebte, geschweige denn verlobt war.
Die Tage glitten nur so dahin und es waren schon elf Tage vergangen, seit ihrem Aufbruch in Minas Tirith, als Éomer eines Abends sie auf ihre Eltern ansprach.
„Fehlen sie dir?“, fragte er sanft, als sie ihr Kleid vom Körper strich und sich schnell zu ihm unter die warme Felldecke kuschelte.
Sie rutschte nahe zu ihm heran und legte sich dann auf den Rücken, ehe sie mit schwerem Herzen antwortete.
„Manchmal schon… gerade wenn ich an die Hochzeit denke. Immerhin werden sie nicht dabei sein, wenn ich den wichtigsten Menschen in meinem Leben heirate.“
Éomer küsste sanft ihre Schulter und er schwieg kurz, während Gweneths Gedanken zu ihren Eltern wanderten.
„Wie heiratet ihr in deinem Land?“, fragte er mit einem Mal und Gweneth sah ihn verwundert an.
Bisher hatte sie darüber nur mit Éowyn gesprochen und es verwunderte sie nun, dass er davon sprach, dennoch antwortete sie wahrheitsgemäß.
„In meiner Welt gibt es viele verschiedene Traditionen, so wie auch in meinem Land. Es gibt keine wirklich festen Regeln, denn in der Zeit, aus der ich komme, werden oft alte Traditionen verworfen oder in Frage gestellt, so auch mit der Heirat. Viele heiraten dennoch nach alt bekanntem Brauch, in dem eine Frau ein weißes Hochzeitskleid trägt, während der Mann in einen schwarzen Anzug gekleidet ist.“
Sie sah in das fragende Gesicht von Éomer und das brachte Gweneth zum Lächeln.
„Ein Anzug ist in unserer Welt eine besondere Art von Jacke mit passender Hose und unter der Jacke wird meist ein weißes Hemd getragen“, erklärte sie kurz und Éomer nickte leicht.
Dann hielt Gweneth inne und überlegte einen Moment, denn es gab viele Dinge, die sie nicht recht erklären konnte. Schließlich gab es in Mittelerde nicht den Glauben, den es in ihrer Welt gab, geschweige denn einen Pfarrer oder ein Standesamt. So versuchte sie nur beim Wesentlichen zu bleiben.
„Wenn der Tag der Heirat gekommen ist, führt der Vater der Braut sie zum zukünftigen Mann und übergibt symbolisch seine Tochter in die Obhut des künftigen Gemahles. Das zeigt, dass der Brautvater einverstanden ist mit der Hochzeit. Dann werden einige Zitate aus einem besonderen Buch zitiert und die beiden Heiratenden sagen sich noch einmal, warum sie den anderen lieben. Derjenige, der die beiden vermählt, fragt noch einmal, ob sie wirklich den jeweils anderen aus freiem Willen ehelichen möchten und nachdem sie beide ihr Einverständnis gegeben haben, werden sie gesegnet und tauschen Ringe untereinander aus, damit jeder erkennt, dass man zu jemand anderen gehört. Schließlich wird der Bund durch einen Kuss besiegelt und dann ist man miteinander verheiratet. Danach gibt es noch ein großes Freudenfest und am Ende verlassen Frau und Mann die Feier und fahren in die Flitterwochen. Das bedeutet, dass sie zusammen an einen schönen Ort fahren und die Gesellschaft des jeweilig anderen genießen, ohne an die Verpflichtungen ihres Berufes zu denken“, endete sie und sah dann neugierig Éomer an, der seine Augenbrauen zusammen gezogen hatte und intensiv nachzudenken schien.
„Was ist?“, fragte sie und riss ihn aus seinen Gedanken.
„Deine Welt ist wesentlich komplizierter, als die meine“, antwortete Éomer und brachte Gweneth zum Lachen.
„Oh ja, das ist sie. Vielleicht kann ich dir ja eines Tages die Wunder und Schönheit, als auch das Hässliche meiner Welt zeigen.“
Éomer lächelte sanft bei ihren Worten und küsste sie federleicht auf ihre Stirn.
„Nichts würde ich lieber tun. Doch sag, würdest du es nicht gerne mal versuchen, deine Eltern in unsere Welt zu holen?“, fragte er sanft und bei seinen Worten seufzte sie tief.
„Daran hab ich auch schon mal gedacht… doch… ich habe noch nie probiert, jemanden mit mir zu nehmen. Was ist, wenn ich nur stark genug für mich selber bin?“, sprach sie leise ihre Zweifel aus und Éomer zog sie enger in seine Umarmung.
Sanft küsste er sie auf die Stirn und sie vergrub ihr Gesicht an seiner breiten Brust.
„Dann wirst nur du zurückkommen, doch warum sollte es ein Versuch nicht wert sein?“
Gweneth nickte und die Gedanken, dass ihre Eltern bei ihrer Hochzeit dabei sein könnten, erfüllte sie mit tiefer Freude.
„Dann werde ich es versuchen“, flüsterte sie, kuschelte sich enger an Éomers nackte Brust und schlief mit einem Lächeln auf den Lippen ein.

Schon am darauf folgenden Tag beschloss Gweneth, voraus zu reiten, um ihre Eltern für die Hochzeit nach Mittelerde zu holen. Schnell war das Nötigste gepackt und auch vier ihrer engsten Freunde hatten beschlossen, mit ihr zu reiten. So verließen die fünf vormittags zusammen das Trauergeleit und obwohl es Gweneth schmerzte, Éomer zurückzulassen, fühlte sie sich mit jedem Atemzug freier, denn die traurige und manchmal schon deprimierende Stimmung hatte Gweneth schwer auf dem Gemüt gelegen. Bald konnte sie wieder frei durchatmen und Fröhlichkeit rann durch ihre Adern.
Die Fünf ritten über saftige, grüne Wiesen und die ersten, leichten Witze kamen schon über ihre Lippen, je weiter sie ritten. Die Späße wurden immer weiter getrieben, denn jeder der Fünf genoss es, wieder frohen Herzens zu sein und ehe sie sich versahen, spornten sie ihre Pferde an und galoppierten im Wettstreit über die weite Ebene.
Der Wind peitschte durch Gweneths offene Haare, als sie lachend im Jagdgalopp über die grünen Wiesen ritt und sie neben ihr die donnernden Hufschläge von Legolas und Erkenbrands Pferde vernahm.
„Musst du so schnell reiten! Ich werde noch vom Pferd fallen und mir alle Knochen brechen!“, brüllte Gimli, der hinter Legolas auf Arod saß und mit seinen Worten Legolas zu einem glockenhellen Lachen brachte.
„Er kommt eh nicht nach!“, rief Erkenbrand mit seiner tiefen Stimme, in der Belustigung mitschwang und zügelte sein Pferd, so wie es auch Legolas tat.
„Brrr“, sagte nun auch Gweneth und zügelte Kolfreyja soweit, dass sie nur noch galoppierte und schließlich in den Trab verfiel.
Langsam drehte sie sich um und musste heftig lachen, als der helle Punkt allmählich immer näher kam und man schließlich Pippin erkennen konnte, der lachend näher ritt. Gweneth musste sich festhalten, um nicht vor Lachen vom Sattel zu rutschen und wischte sich die Tränen aus den Augen, während Erkenbrand neben ihr rau lachte. Pippin kam immer näher und der Anblick war so drollig, dass Gweneth sich stark am Sattel festhalten musste, um nicht von ihm zu rutschen.
„Ich denke, du hast verloren!“, rief Gweneth zwischen ihren Lachern und Pippin sah gespielt zerknirscht drein.
„Ich wusste doch, dass dein Pony viel zu langsam ist!“, rief Gimli mit einem kleinen Lachen und Pippin streckte ihm spielerisch die Zunge heraus.
Endlich schloss er zu ihnen auf und Gweneth musste nur noch mehr lachen, als sie die kleinen Streitereien zwischen Gimli und Pippin mitanhören musste, wie sie über die Vorzüge von Pferden und Ponys diskutierten. Währenddessen kontrollierte Erkenbrand die beiden Lasttiere, die am Sattel vom Pony festgebunden waren. Doch war Pippin so langsam gewesen, dass die Pferde kaum außer Atem waren oder etwas verloren hatten. Mit einem Nicken von Erkenbrand konnten sie ihre kleine Reise fortsetzen und Gweneth musste sich Mühe geben, um sich von ihrem Lachanfall zu beruhigen, was jedoch dank Pippin und Gimli ihr recht schwer fiel. Sie fanden nämlich großen Gefallen daran, sie zum Lachen zu bringen, bis sie fast aus dem Sattel rutschte.
Schließlich erreichte sie nach einigen Pausen ihr Ziel, einen kleinen Wald, der laut Éomer frei von Orks war, weil er schon nahe an Rohan angrenzte und sicher sein würde. So sattelten sie an dem Waldrand ab und während sich Erkenbrand um die Pferde und Gweneth um Feuerholz kümmerte, packten Pippin und Gimli die Pfeifen aus und rauchten, während Legolas das Essen zubereitete. Lange musste Gweneth nicht nach Feuerholz suchen, denn es war genug trockenes Holz vorhanden, dennoch ließ sie sich Zeit, denn gleich würde sie das tun, weswegen sie hier waren. Allein der Gedanke daran, was alles schief gehen konnte, wenn sie ihre Eltern nach Mittelerde brachte, ließ Gweneth vor Furcht erzittern. In Gedanken malte sie sich schon aus, wie ihre Eltern womöglich zu Schaden kommen würden, wenn sie nicht konzentriert genug war. Sie würde alle beide einschließlich sich selber in Gefahr bringen, auch wenn sie wusste, dass es möglich war. Immerhin hatte bereits Mallos Gandalf und Galadriel in ihre Welt und wieder zurück gebracht, doch sie war nur ein Mensch und keine Elbe.
Tief atmete Gweneth ein, klammerte sich an das Holz in ihren Armen und lief langsam zurück zu ihren Freunden. Legolas hatten bereits das Essen gerichtet und fing an, es zu verteilen, während Gweneth das Feuerholz ablegte und sich zu ihnen setzte. Sie verspürte jedoch keinen Hunger, sondern nur Übelkeit vor der bevorstehenden Aufgabe. Langsam drehte sie ihre Wurst und die Scheibe Brot in ihren Händen, während sie Erkenbrand beobachtete, wie er mit geübten Handgriffen ein Lagerfeuer errichtete und es in wenigen Atemzügen zum Brennen brachte. Seufzend sah sie wieder auf das Essen in ihren Händen und biss versuchsweise von beidem einen kleinen Bissen ab, doch schien es nach nichts zu schmecken. Dennoch würgte sie es hinunter und aß gezwungen das Essen in ihren Händen. Je mehr sie aß, desto nervöser wurde sie und die Gespräche der vier um sie herum rauschten nur leise und undeutlich in ihren Ohren. Schließlich hatte sie aufgegessen und sie wusste, dass es an der Zeit war zu gehen. Tief atmete sie durch, hob ihren Blick und hielt verdutzt inne. Alle vier Augenpaare waren auf sie gerichtet und unweigerlich richtete sie sich etwas auf.
„Was ist?“, fragte sie leise und erntete von allen Vieren ein sanftes Lächeln.
„Es ist soweit“, raunte Erkenbrand mit seiner tiefen Stimme und Gweneth nickte mit zitterndem Herzen.
„Es wird alles gut werden, Mädchen“, brummte Gimli und nickte ihr mit einem warmen Blick zu.
„Du schaffst es“, meinte nun auch Pippin zu ihrer Linken und legte beruhigend eine Hand auf ihren Unterarm.
„Wir werden hier bleiben und auf eure Rückkehr warten!“, sprach Legolas mit einem zuversichtlichen, sanften Lächeln und Gweneth nickte leicht.
„Ja, es wird alles gut“, flüsterte sie leise, jedoch mit Zweifel in ihrem Herzen.
Schritte ertönten mit einem Mal neben ihr und als sie aufsah, war Erkenbrand neben sie getreten, mit ihrem Rucksack in den Händen.
„In drei Tagen erwarten wir euch!“, meinte er und übergab den schweren Rucksack in ihre Hände, in dem sowohl ihr Hab und Gut als auch Kleider für ihre Eltern waren.
Ehe sie jedoch den Rucksack ergriff, beugte er sich hinunter und küsste ihr den Scheitel.
„Komme wohlbehalten wieder“, raunte er leise und sie spürte seinen warmen Atem auf ihrer Kopfhaut.
Dann nahm sie den Rucksack mit kalten Fingern und zog ihn auf ihren Rücken, während Erkenbrand sich ihr wieder gegenüber setzte. Sie erwiderte den Blick seiner grauen Augen und darin lag so viel Vertrauen und Überzeugung, dass ihr Herz ein klein wenig ruhiger wurde.
´Ja, ich schaffe es! Ich muss es schaffen!´
Mit diesem Gedanken atmete sie tief aus und schloss ihre Augen. Ihre Gedanken wanderten zu dem Garten hinter ihrem Haus und sie schloss die Geräusche des Waldes, des knackenden Feuers, als auch das Atmen ihrer Gefährten aus. Wie ein Mantra wiederholte sie das Bild des Gartens in allen Einzelheiten in ihrem Geist, bis es wie eingebrannt vor ihren geistigen Augen erschien. Die Geräusche um sie herum verblassten und den Wind auf ihrer Haut spürte sie nicht mehr, als ihr Geist emporstieg. Erneut spürte sie die unsichtbare Wand, die ihre und Mittelerde trennte, doch noch immer war dort dieses Loch, das sie eigenhändig hinein gerissen hatte. So wanderte sie zu diesem Loch und stemmte sich, so fest wie sie konnte dagegen. Schmerz zuckte durch ihren Körper, doch unerbittlich zwängte sie sich durch das kleine Loch, bis sie spürte, wie sie allmählich hindurchglitt und schließlich die Barriere passierte. Mit einem Mal flogen weit unter ihr zahllose Hausdächer hinweg, doch waren ihre Gedanken noch immer auf den einen Ort gerichtet. Immer schneller flog sie und immer tiefer, bis mit einem Mal das Haus in Sichtweite kam und ehe sie sich versah, sank ihr Geist auf das saftige Gras des Gartens und innerhalb eines Wimpernschlags verließ ihr Körper Mittelerde und landete in der Menschenwelt.

Kapitel 1-10

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

Kapitel 11-20

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

Kapitel 21-30

21

22

23

24

25

26

27

28

29

30

Kapitel 31-40

31

32

33

34

35

36

37

38

39

40

Kapitel 41-50

41

42

43

44

45

46

47

48

49

50

Kapitel 51-60

51

52

53

54

55

56

57

58

59

60

Cookie Consent Banner von Real Cookie Banner