Kapitel 57
Die Sonnenstrahlen wärmten ihr angenehm das Gesicht, während der kühle Wind ihre Haut liebkoste und sie sanft erfrischte. Obwohl die Sonne bereits den Zenit passiert hatte, war Gweneth noch immer müde von vergangener Nacht. Erst bei Sonnenaufgang war sie zu Bett gegangen und somit erst recht spät erwacht.
Sie reckte ihr Gesicht zur Sonne und genoss mit geschlossenen Augen die Wärme auf ihrem Gesicht, ehe ihre Gedanken zu Éowyn wanderten, die sie schon wegen der Hochzeitsvorbereitungen quälen wollte. Doch ihre Mutter war so erpicht darauf zu helfen, dass sie Gweneth die ganze Arbeit abnahm und Gweneth so die Gelegenheit nutzte, um sich davonzustehlen.
Sie hatte eine abgelegene Bank seitlich der Königshalle gefunden und genoss für einen Moment die Ruhe um sich herum. Denn momentan war jeder zu sehr beschäftigt, als dass man sie hatte stören können und so erholte sie sich von gestriger Feier. Ihre Gedanken glitten zu ihrem Vater und zu Éomer und sie musste dann leicht schmunzeln. Ihr Vater hatte sich zusammen mit Éomer zu den Pferden begeben und Gweneth war sich sicher, dass ihr Vater Éomer besser kennenlernen wollte und die Reitstunden nur ein Vorwand waren. Kurz öffnete sie ihre Augen und sah hinunter auf die Stadt zu ihren Füßen, dessen strohgedeckte Dächer im Sonnenlicht golden funkelten. Ihr Blick glitt über das rege Treiben der Stadtbewohner und mit einem Mal wurde ihr bewusst, dass sie über all die Menschen bald herrschen würde und eigentlich keine Ahnung hatte, wie das Leben der normalen Menschen aussah. Neugierde wallte in ihr hoch und mit einer geschmeidigen Bewegung war sie auf den Beinen. Sie strich ihr dunkelgrünes, kostbar mit Goldfäden durchwirktes Kleid glatt, ordnete mit flinken Fingern ihre typisch rohirrische Frisur und straffte dann ihre Schultern.
´Dann lasst uns mal beginnen!´
Bei diesen Gedanken lief sie zur Vorderseite der goldenen Halle, raffte ihr Kleid und glitt elegant die steinernen Stufen hinunter. Die Wachen begrüßten sie mit einer respektvollen, kleinen Verbeugung, während Gweneth ihnen als Erwiderung lächelnd zunickte und ihren Weg hinunter zu den einfachen Häusern fortsetzte. Je näher sie ihnen kam, desto nervöser wurde sie und ihr Herz schlug aufgeregt in ihrer Brust. Doch bevor sie die Häuser erreichte, erklang ganz in ihrer Nähe fröhliches Kinderlachen, gefolgt von einem Lachen, das ganz und gar zu schön klang, als dass es von einem Menschen stammen konnte. Überrascht blieb sie stehen, lauschte und folgte dann neugierig den fröhlichen Stimmen. Sie lief den steinernen Weg weiter hinunter und als sie beim ersten Haus ankam, fiel ihr Blick auf solch eine überraschende Szenerie, dass sie verblüfft stehen blieb. Haldir saß lächelnd auf einer alten Bank und war umringt von einer kleinen Kinderschar, die ihm lachend ein Klatschspiel beibrachten. Ein breites Grinsen legte sich auf ihre Lippen, als sie zusah, wie die Kinder ihm das Lied und die Bewegungen dazu beibrachten. Als die Kinder ihn dann lachend auf seine Beine zogen und zeigten, wie er sich richtig drehen musste, konnte Gweneth nicht mehr an sich halten und fing an, laut loszulachen. Haldir hob seinen Kopf und wurde mit einem Schlag so rot, dass Gweneth nur noch mehr lachen musste. Schließlich fing auch er an zu grinsen und die Röte legte sich in seinem Gesicht. Erst dann konnte sich Gweneth beruhigen und schritt näher zu ihm und den Kindern. Die Kinder sahen sie mit großen Augen an und neigten ihre Köpfe, als Gweneth bei ihnen war.
„Seid gegrüßt, Heryn Gweneth“, sprach Haldir, legte seine rechte Hand auf seine Brust und verbeugte sich vor ihr.
„Seid auch Ihr gegrüßt, Herr Haldir“, sprach sie mit einem Schmunzeln und neigte auch ihr Haupt, um ihn zu begrüßen
„Wie ich sehe, amüsiert Ihr Euch“, meinte sie und sah in die vielen neugierigen Gesichter der Kinder, die Gweneth mit großen Augen zu mustern schienen.
„Das sah sehr lustig aus, was ihr dem Herrn Elb beigebracht habt. Wollt ihr mir das Spiel auch beibringen?“, fragte Gweneth mit einem strahlenden Lächeln und die Kinderaugen weiteten sich erstaunt.
„Seid Ihr auch eine Elbe?“, fragte leicht schüchtern ein kleines Mädchen mit Engelslocken und ihre großen, blauen Augen waren auf Gweneth gerichtet.
„Nein, ich bin ein Mensch, auch wenn ich auf den ersten Blick nicht danach aussehen mag“, antwortete Gweneth wahrheitsgemäß und die Kinder warfen sich untereinander einen schnellen Blick zu.
„Könnt ihr es mir also beibringen?“, fragte Gweneth weiter und nur schüchtern wurde ihr zugenickt.
Dann setzte sich Gweneth mit Haldir auf die Bank und langsam fingen die Kinder an, ihr den rohirrischen Reim beizubringen. Die Zeit verstrich und je länger sie spielten, desto mehr verloren sie die Scheu vor Gweneth. Sie amüsierte sich köstlich und auch Haldir lächelte unentwegt. Sie konnte spüren, dass er die quirligen Kinder mochte und sie in sein Herz geschlossen hatte. Während sie zusammen spielten, fragte Gweneth vorsichtig die Kinder über ihr Leben und über die Probleme ihrer Eltern aus. Die Kinder hatten jedoch keine Scheu, ihr von all den Problemen in Edoras zu erzählen und Gweneth wurde immer mehr mit der fast unverschämten Wahrheit konfrontiert, die den Kindern zu eigen war.
Gweneth war erstaunt, wie sehr die Kinder von den Problemen ihrer Eltern wussten und spürte, dass man ihnen nichts vormachen konnte.
Auch erzählten ihr die Kinder, dass viele von ihnen weder lesen noch schreiben konnten obwohl sie es gerne würden. Doch ihre Eltern konnten es ebenfalls nicht und so gab es niemanden, der es ihnen beibringen konnte. Je länger Gweneth mit den Kindern sprach, desto mehr reifte der Gedanke in ihr, etwas dagegen zu tun.
Der Tag ging langsam zur Neige und die Kinder mussten zurück, um ihren Eltern bei der Arbeit oder beim Vorbereiten des Abendessens zu helfen. So machte sich Gweneth zusammen mit Haldir auf den Weg zur goldenen Halle.
„Ich dachte nicht, dass du so gut mit Kindern umgehen kannst“, meinte Gweneth, während sie den steinernen Weg hinauf liefen und sie ihm einen Seitenblick zu warf.
Er lächelte bei ihren Worten und von der Seite aus konnte sie erkennen, wie seine tiefblauen Augen strahlten.
„Nicht nur Euch überrascht mein Verhalten“, hauchte Haldir und neugierig sah sie ihn an.
„Bisher hatte ich noch nicht das Vergnügen, Kindern zu begegnen, da es bei den Elben sehr selten ist, Nachwuchs zu bekommen. Es ist schon sehr lange her, das mir eins begegnet ist.“
„Und doch hast du dich bei ihnen wohl gefühlt“, stellte Gweneth fest und musste daran denken, wie glücklich er war, als die Kinder mit ihm gespielt hatten.
„Ai, das habe ich“, gab Haldir zu und sie musste bei seinem glücklichen Gesichtsausdruck schmunzeln.
„Sind Menschenkinder anders als Elbenkinder?“, fragte Gweneth neugierig.
Inzwischen hatten sie schon die Hälfte des Wegs zurückgelegt und die ersten aus dem Schönen Volk begegneten ihnen, wie sie auf Bänken sitzend die abendliche Sonne genossen.
„Nur wenig Zeit blieb mir, um das Elbenkind besser kennenzulernen, doch würde ich behaupten, dass Menschenkinder lebhafter sind, als die unsrigen. Doch das trifft nicht nur auf die Kinder zu.“
„Wie meinst du das?“, hakte Gweneth neugierig nach und Haldir lächelte sanft.
„Durch den Tod getrieben, leben Menschen intensiver, als die Elben. Dies begriff ich erst, als ich in der Obhut der Menschen war und ich den Todeskampf der Menschen mit ansah“, murmelte Haldir und Gweneth verstand, was er meinte.
Mit einem Mal beschlich sie ein vager Gedanke, der ihr Herz freudig schneller schlagen ließ, doch spürte sie, dass sie zuerst mit Éomer darüber sprechen müsse, ehe sie Haldir fragen konnte. Deswegen schwieg Gweneth, während sie weiter über ihren Gedanken brütete und selbst Haldir schien über etwas intensiv nachzudenken, denn auch er sprach kein Wort, bis sie in der goldenen Halle waren. Kaum dass Haldir ihr die Tür geöffnet hatte, schlug der Geruch von Essen Gweneth entgegen und ihr Magen grummelte hungrig bei dem leckeren Geruch. Mit hungrigem Magen betrat sie die Halle und stellte erfreut fest, dass über die ganze Längsseite der Halle Tische aneinander geschoben waren, auf denen sich Speisen aller Art zu stapeln schienen. Gegenüber der Tische wurde gegessen und als sie ihren Blick über die Tische schweifen ließ, entdeckte sie zwischen der elbischen Gesellschaft die Hobbits, Gimli und Legolas, die alle eifrig zu Abend aßen und daneben saß ihre Mutter mit Éowyn, die leise miteinander zu diskutieren schienen.
Dann nahm sie sich einen Teller vom Stapel und fing an, sich Essen darauf zu legen. Mühselig quetschte sie gedämpftes Sommergemüse, Hähnchenbrust und –keule, Bratkartoffeln, Kartoffelsalat, grünen Salat und Klöße auf ihren Teller und goss Bratensoße darüber, in der Hoffnung, den Salat nicht einzuweichen.
„Darf ich Euch behilflich sein, Heryn Gweneth?“, fragte Haldir amüsiert, als er beobachtete, wie Gweneth mit Müh und Not den Teller in der einen Hand balancierte und mit der anderen zwei Scheiben dunkles Vollkornbrot aus einem Weidenkorb nahm und das Besteck dazwischen quetschte.
„Geht schon, danke“, meinte sie, den Blick auf den Essenstapel in ihrer Hand gerichtet.
Haldir zog seine Augenbrauen zweifelnd nach oben, ließ ihr jedoch ihren Willen und gesellte sich dann zu seinen Landsleuten.
Mit kleinen, langsamen Schritten steuerte sie den Tisch ihrer Freunde an, ohne die Augen von ihrem Teller zu nehmen, in der Angst, sie würde ihn fallen lassen. Plötzlich fing Gimli an, schallend zu lachen und Gweneth erschrak so sehr, dass sie die Balance von ihrem Teller verlor. Der Teller kippte schon, als mit einem mal eine schlanke, kräftige Hand in ihr Blickfeld schoss und den Teller am Rand auffing. Überrascht sah sie auf und direkt in die tiefen, hellblauen Augen von Legolas. Er lächelte sie strahlend an und für einen Moment war sie kurz gefangen in seinen leuchtenden, wunderschönen Augen. Dann lächelte auch sie und nahm den Teller wieder an sich.
„Danke“, murmelte sie mit einem Grinsen, das Legolas erwiderte und sie setzte sich gegenüber von Gimli auf die Bank, da neben ihm bereits die Hobbits saßen.
„Da hat aber jemand Hunger“, sprach mit einem Lachen Gimli und als Gweneth aufsah, zwinkerte er ihr kurz zu.
Sie grinste und während sie an der Hühnerkeule kaute, warf sie einen Blick zu den Hobbits, die Rücken an Rücken saßen und schläfrig ihre Pfeifen rauchten.
„Was ist mit ihnen?“, fragte Gweneth mit vollem Mund und brachte Gimli zum Lachen.
„Sie haben den ganzen Tag nichts anderes getan, als zu essen“, antwortete Gimli mit funkelnden Augen und biss dann selber in eine riesige Schweinshaxe.
„Manche vertragen es nicht, viel zu essen“, brummte Gimli mit vollem Mund und riss ein weiteres Stück aus dem Fleischberg.
Gweneth grinste bei dem Anblick der Hobbits, bei denen die Hosenknöpfe geöffnet waren, um ihren prallen Bäuchen Platz zu machen. Dann glitt ihr Blick zurück zu Gimli, der sein Gesicht im Fleisch versenkte und sie musste deswegen so heftig lachen, dass sie sich verschluckte. Nur dank Legolas‘ kräftiger Schläge auf ihren Rücken konnte sie wieder frei atmen und fiel erneut in Gelächter als Gweneth nicht mal mehr Gimlis Augenbrauen sehen konnte. Auch Legolas stimmte glockenhell in ihr Lachen ein, bis Gimli wieder aus der Haxe aufzutauchen schien, mit den Augenbrauen voller Fleischreste. Erst langsam konnte sie sich erholen und setzte ihr eigenes Mahl fort, darauf bedacht, Gimli nicht mehr beim Essen zu beobachten.
„Besprechen die beiden immer noch die Hochzeit?“, fragte Gweneth an Legolas gewandt, der neben ihr saß und deutete mit einem Kopfnicken an das andere Ende des langen Tisches, an denen Éowyn und ihre Mutter saßen.
„Schon den ganzen Tag“, antwortete er mit gesenkter Stimme und ein Schmunzeln umspielte seine perfekt geschwungenen Lippen.
Gweneth seufzte leise und widmete sich wieder ihrem Essen.
„Wirst du dich ihnen nicht anschließen?“, fragte Legolas und in seiner Stimme schwang leise Neugierde mit.
Gweneth schüttelte leicht den Kopf und schluckte den Bissen Brot hinunter, ehe sie antwortete.
„Es war schon immer ein Graus für mich, Feiern und Veranstaltungen zu planen, deswegen bin ich auch froh, dass meine Mutter hier ist. Sie weiß, was ich will und was mir gefällt und vor allem macht es ihr ungemein Spaß. Also haben wir beide was davon“, meinte sie mit einem kurzen Lächeln, ehe sie sich mit der Gabel eine Bratkartoffel in den Mund schob.
„Wo sind eigentlich mein Vater und Éomer? Sie sind gewiss nicht mehr unten bei den Pferden, oder? Und der Rest der hohen Gesellschaft, wo befindet sich der?“, fragte Gweneth mit vollem Mund und brachte Legolas zum Schmunzeln.
„Dein Vater befindet sich unten auf dem Übungsfeld, zusammen mit Herrn Faramir. Soweit ich es gesehen habe, ist er recht erpicht darauf, so viel, wie es in der kurzen Zeit möglich ist, zu lernen. Anscheinend bereitet es ihm besondere Freude, Bogenschießen, Schwertkampf und Reiten zu erlernen.“
´Ja, das klingt nach meinem Vater. Schon immer konnte er nie ruhig irgendwo rumsitzen, wenn es doch so viel zu entdecken und zu lernen gab.´
„Herrin Arwen studiert die Kräutergärten und bringt den Kräuterfrauen neues Wissen bei. Herr Elrond, Frau Galadriel, Herr Celeborn, Gandalf, Aragorn und König Éomer befinden sich mit dem Fürst von Dol Amroth seit geraumer Zeit im Gemach von König Éomer.“
„Was machen sie denn da?“, fragte Gweneth und zog fragend ihre Augenbrauen hoch.
„Es schien mir politischer Natur zu sein“, meinte Legolas, der fasziniert beobachtete, wie sich Gweneth einen Berg von Kartoffelsalat auf die Gabel schob und ihn gierig verschlang.
„Hm“, brummte Gweneth während sie kaute und nachdachte.
´Stimmt ja, ich habe sie gestern Abend bei politischem Gerede gestört… wahrscheinlich sprechen sie über die Lage im Süden des Landes… wenn die mit ihrem politischen Zeugs fertig sind, könnten wir doch eigentlich die Geschenke verteilen… immerhin wären dann schon die meisten im Zimmer und alle anderen sind nahe beisammen. Ich werde gleich mal sehen, wie weit die mit ihrer politischen Diskussion vorangekommen sind.´
Gweneth kratzte die Reste auf ihrem Teller zusammen und schlang sie hinunter. Legolas beobachtete sie mit großen Augen und mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen.
„Du hast es eilig?“, fragte er zaghaft und Gweneth nickte leicht, als sie den letzten Bissen hinunter würgte.
„Eigentlich nicht wirklich, aber es gibt da etwas, das ich gerne erledigen würde“, meinte sie, während sie aufstand und den Teller samt Gabel einem der Diener übergab.
„Bis gleich!“, rief sie, während sie schnellen Schrittes sich auf den Weg zu ihrem Gemach machte.
Sie verlangsamte erst ihren Schritt, als sie in ihren Gang einbog und dann vor der Holztür stehen blieb. Mit flinken Fingern strich sie ihr Kleid glatt, ordnete ihre Haare und klopfte dann drei Mal laut an die Tür. Sie musste nur kurz warten, ehe die Tür sich öffnete und sie in die stahlblauen Augen von Gandalf sah. Bei ihrem Anblick musste er leicht lächeln und seine Augen strahlten vor Freude.
„Ah, Gweneth. Was führt dich hier her?“, fragte er und trat einen Schritt beiseite, so dass sie in das Zimmer blicken konnte.
Ganz am anderen Ende des großen Raumes befand sich Éomers riesiger, massiver Schreibtisch mit den vielen Bücherregalen drum herum und den großen Fenstern im Rücken. Éomer stand mit verschränkten Armen ans Fenster gelehnt und warf ihr ein flüchtiges Lächeln zu. Die letzten Strahlen der Sonne ließen sein offenes Haar golden leuchten und es ließ ihr Herz kurz einen Schlag aussetzen. Aragorn war über eine Karte auf dem Schreibtisch gebeugt und richtete sich auf, als sich ihre Blicke kreuzten. Etwas dahinter standen Galadriel, Elrond und Celeborn, wie wunderschöne Statuen und hatten sich halb zu Gweneth umgedreht. Der Fürst von Dol Amroth lehnte mit einer Hand am mannshohen Kamin, in dem ein Feuer knisterte und angenehme Wärme verbreitete.
„Ich wollte eigentlich nur fragen, wann ihr mit euren politischen Themen fertig seid, denn ich würde einigen gerne noch etwas geben. Jetzt würde sich nämlich eine gute Gelegenheit bieten, da ein Großteil sich hier schon versammelt hat.“
Gandalfs Augen blitzten neugierig auf und auch der Rest sah interessiert drein.
„Es wird nicht mehr lange dauern“, sprach Aragorn mit einem tiefen Seufzen, doch dann hielt er kurz inne.
Er hob seinen Blick und seine sturmgrauen Augen sahen direkt in ihre.
„Doch… mich würde deine Meinung hierzu interessieren“, meinte Aragorn langsam und senkte seinen Blick wieder auf die Karte vor sich.
„In politischen Angelegenheiten bin ich aber nicht besonders gewandt“, meinte sie leicht stirnrunzelnd.
„Deine Meinung würde mich dennoch interessieren“, sprach Aragorn mit leichtem Nachdruck und in seinem Blick lag solche Entschlossenheit, der sie sich nicht entziehen konnte.
Geschlagen gebend trat sie daraufhin ein, umrundete eine Sitzgruppe von Sofa und Sesseln und gesellte sich zu Aragorn, während Gandalf geräuschvoll die Tür hinter ihr schloss.
Neugierig warf sie einen Blick auf die Karte und als sie die Städtenamen las, stellte sie fest, dass dies eine Karte von Mittelerde sein musste.
„Um was geht es denn?“, fragte sie zögernd und unsicher, während sie leicht nervös ihr Gewicht von einem auf den anderen Fuß verlagerte.
Sie konnte die Blicke aller auf sich spüren und dies war ihr ziemlich unangenehm. Nur Éomers leichtes Lächeln konnte ihr ein wenig von ihrer Anspannung nehmen.
„Die Haradrim waren eins der Völker, die unter dem Befehl von Sauron standen. Nachdem wir über sie siegten, begnadigte ich jene und sandte sie zurück in ihre Heimat. Denn sie waren verführt worden von Saurons schwarzer Zunge, die ihnen erzählte, welch grausames Volk wir waren. Einen Friedensvertrag möchte ich mit ihnen aushandeln, auch wenn andere dies weniger gut finden“, und bei seinen Worten glitt Aragorns Blick kurz zu Éomer, der ziemlich missmutig weiterhin die Arme verschränkt hielt.
„Wie denkst du, sollen wir mit dem Süden verfahren?“, fragte nun Aragorn direkt Gweneth und sie fing an, zu überlegen.
Ihre Gedanken schweiften in die Menschenwelt zurück, sie verglich ähnliche Situationen und überlegte, was am besten für Mittelerde wäre.
„Nun… es ist nicht einfach“, gab sie zu und seufzte schwer.
„Ich denke, dass ein reiner Friedensvertrag nicht funktionieren wird, denn Menschen neigen dazu, ihn zu brechen, wenn es keine schlimmen Konsequenzen gibt. Die Furcht vor dem stärkeren Land wird nur noch mehr Abneigung in ihren Herzen schüren und womöglich wollen sie eines Tages Rache für die Niederlage.“
„Was schlägst du stattdessen vor?“, fragte Aragorn sanft.
„Naja, ich würde den Friedensvertrag nicht komplett verwerfen, sondern ihn um einen Handelsvertrag erweitern.“
„Mit welchem Zweck?“, fragte nun Gandalf, der sich neben Galadriel eingefunden hatte und in Gedanken an seinem Bart zwirbelte.
„Ein Land wirtschaftlich von einem anderen abhängig zu machen, sichert den Frieden der beiden Länder. Wir geben ihnen etwas, das sie gerne von uns hätten und umgekehrt“, meinte Gweneth und wartete ab, was die hohen Herren dazu zu sagen hatten.
„Ein guter Gedanke“, meinte mit einem Mal Éomer und brachte Gweneth zum Lächeln.
„In der Tat“, raunte Gandalf und zwinkerte Gweneth zu, die ganz glücklich war, dass man ihren Vorschlag nicht gleich verworfen hatte.
„Ich werde deinen Rat nicht vergessen“, sprach Aragorn und Gweneths Herz wurde noch ein klein wenig leichter.
Ihr Blick glitt wieder zur Karte und sie fragte sich, was es über den Kartenrand hinaus noch gab.
„Was verbirgt sich hinter den Kartenrändern östlich und südlich?“, fragte Gweneth neugierig. „Ich meine, das Land geht im Osten und im Süden weiter, oder?“
„Bisher hat es noch niemand gewagt, über die Grenzen der Karte hinaus zu gehen“, säuselte mit einem Mal Galadriel mit tiefer, sanfter Stimme.
„Vielleicht wird bald jemand die Grenzen der Karte erkunden, immerhin gibt es die Bedrohung im Osten nicht mehr“, meinte Gweneth und ein sanftes Lächeln legte sich auf die Lippen von Galadriel.
Einen Moment schwiegen alle, während ihre Augen auf der Karte hingen. Aragorn seufzte schwer und faltete dann die Karte sorgsam zusammen.
„Orks werden bald keine große Gefahr mehr für Mittelerde darstellen, doch ein Krieg mit dem Süden oder Osten ist durchaus wahrscheinlich“, sprach Aragorn mit schwerer Stimme und sie konnte die Last seines Amtes in seinem Gesicht sehen.
„Spione, Verräter und Ränkeschmiede werden nun aus der Versenkung kriechen, da nun uns kein gemeinsamer Feind mehr eint“, sprach auch nun der Fürst und sah in das knisternde Feuer im Kamin. „Solche Sitzungen, wie sie gerade gehalten wurde, sind wichtig, doch ist es unmöglich, sich stets zu treffen und Informationen auszutauschen. Einen sicheren Weg gibt es nicht.“
„Ihr könntet doch unsichtbare Tinte verwenden“, schlug Gweneth leicht verwundert vor, denn sie war sich sicher, dass dies auch in Mittelerde bekannt sein würde.
Jedoch wandten sich ihr alle Augenpaare zu, die sie verwirrt oder mit hochgezogenen Augenbrauen neugierig ansahen.
„Unsichtbare Tinte?“, fragte Gandalf und trat etwas näher heran, seine blauen Augen auf Gweneth gerichtet.
Erneut hatte sie das Gefühl, durchleuchtet zu werden.
„Kennt man dies hier nicht?“, fragte sie überrascht, doch nach den ratlosen Mienen der Umstehenden zu urteilen, hatten sie noch nie etwas davon gehört.
Vor allem der Fürst sah sie verwundert an und da bemerkte sie erst, in welche Gefahr sie sich selber gebracht hatte. Er wusste nichts von ihrer Herkunft und schnell suchte sie nach einer logischen Erklärung für ihr Wissen.
„Ich habe das per Zufall herausgefunden, aber ich denke, es ist besser wenn ich es euch zeige. Wenn ihr mich also kurz entschuldigen würdet“, meinte Gweneth schnell, schnappte sich einen Bogen Pergament, der auf dem Schreibtisch lag und eilte durch den Raum, hinaus in den Gang.
Schnellen Schrittes eilte sie durch die Gänge, bog um mehrere Ecken, bis sie vor einer schlichten doppelseitigen Tür innehielt. Ohne zu zögern, öffnete sie die großen Türen und der köstliche Geruch gebratenen Essens schlug ihr entgegen. Die komplette Küche war aus grauem Stein gefertigt und überall hingen Töpfe und Pfannen an Haken an den Wänden. Getrocknete Kräuter stapelten sich auf einem steinernen Tisch und in tiefen Töpfen blubberten wohlriechende Soßen vor sich hin. Über einer der vielen Feuerstellen wurde ein ganzes Schwein gedreht und verbreitete einen köstlichen Geruch und ehe sich Gweneth weiter umsehen konnte, schob sich eine dickbauchige Frau mit weißer Küchenschürze und weißem Kopftuch in ihr Blickfeld.
„Wie kann ich Euch helfen, Herrin?“, fragte die ältere Frau mit rosigem Gesicht und glänzenden, blauen Augen.
„Könnte ich etwas Milch haben?“, fragte Gweneth, worauf sich die Frau leicht verbeugte.
„Ganz wie Ihr wünscht. Bitte wartet einen Augenblick“, und mit den Worten drehte sie sich um und eilte durch eine Aussparung in der Wand in den nächsten Raum.
Gweneths Blick wanderte in der Zwischenzeit über die Einrichtung und beobachtete die vielen Köchinnen bei der Arbeit. Alle trugen blaue Kleider, weiße Schürzen und weiße Kopftücher und jede warf Gweneth hin und wieder einen neugierigen Blick zu. Ein Geräusch ließ Gweneth den Kopf drehen und sie sah gerade noch, wie die dickbäuchige Frau wieder das Zimmer betrat, mit einem silbernen Kelch in der Hand.
„Hier bitte, Herrin“, sprach die Frau und überreichte den Kelch mit einer kleinen Verbeugung.
„Habt vielen Dank!“, bedankte sich Gweneth mit eines ihrer breitesten Lächeln und nahm den Kelch in ihre Hand.
Die Frau war kurz bei dem Anblick von Gweneths Lächeln erstarrt und sah sie mit großen Augen an. Gweneth nickte ihr schnell zu und verließ dann die warme Küche. Dann ging sie ein paar Schritte weit, sah sich kurz um, ob sie auch niemanden sah und ging dann in die Hocke. Schnell legte sie den Bogen Pergament auf den Boden, tunkte ihren Finger in die noch warme Milch und zeichnete ein Dreieck auf das Pergament. Den Rest trank sie in einem Zug aus und ließ die Milch auf dem Pergament trocknen. Erst dann erhob sie sich und eilte in die Richtung des Gemachs. Dort angekommen, riss sie, ohne vorher anzuklopfen, die Tür auf und wäre beinahe in Gandalf hinein gelaufen.
„Oh“, hauchte Gweneth, doch Gandalf lachte nur und trat einen Schritt beiseite, so dass sie abermals ungehindert in den Raum sehen konnte.
Die hohen Elben standen noch immer beim Arbeitstisch von Éomer und schienen sich leise über etwas unterhalten zu haben, doch hielten sie inne, als Gweneth herein kam. Aragorn stand mit verschränkten Armen ans Bücherregal gelehnt, während Éomer ins Feuer starrte und der Fürst hatte seinen Blick aus dem Fenster gerichtet. Gweneth lächelte alle an, durchschritt den Raum, stellte den Becher auf den Schreibtisch und legte das Pergament daneben. Von der Milch war inzwischen nichts mehr zu sehen und so zog Gweneth eine Kerze auf Éomers Schreibtisch näher heran. Neugierig waren alle etwas näher gekommen und Gweneth hielt inne, bevor sie das Pergament in ihre Hände nahm.
„Wenn Ihr wirklich die unsichtbare Tinte verwenden wolltet, so darf dieses Geheimnis niemals den Raum verlassen“, sprach Gweneth leise und nahm dann das Pergament zur Hand.
Vorsichtig hob sie es vor die Flamme und hoffte, nicht das Pergament in Brand zu stecken. Es dauerte nur einen kurzen Moment, bis sich die getrocknete Milch braun verfärbte und das Dreieck sichtbar wurde. Ein Raunen ging durch den Raum, als Gweneth allen das Dreieck zeigte und sie wie Kinder es bestaunten.
„Was ist das für ein Hexenwerk?“, fragte der Fürst und Gweneth musste leicht schmunzeln.
Da er der Einzige in dem Raum war, der nicht wusste, woher sie kam, musste es tatsächlich für ihn aussehen wie Magie.
„Kein Hexenwerk, sondern einfache Milch. Einst verschüttete ich Milch über ein Pergament und hängte es zum Trocknen an den Kamin. Ich ließ es jedoch zu lange hängen und die Milch verfärbte sich braun“, erklärte Gweneth und der Argwohn in den Augen des Fürsten legte sich.
„Man könnte auf die Rückseite eines Briefes geheime Informationen schreiben, ohne dass es jemand wüsste. Selbst, wenn der Brief in die falschen Hände gerät, so ist er wertlos, ohne das Wissen um die unsichtbare Tinte“, meinte Gweneth und erntete von allen ein überzeugtes Nicken.
„Dies wird uns wahrlich helfen. Ich danke dir für dein Wissen, Menschenkind“, sprach Galadriel und als sich ihre Blicke kreuzten, waren Galadriels Augen voller Liebe und Dankbarkeit, dass es Gweneth ganz warm ums Herz wurde.
Plötzlich weiteten sich die Augen der Herrin ein klein wenig und ein kaum merkbares Lächeln legte sich auf ihre Lippen.
„Du brachtest etwas von deiner Heimat mit dir… doch kannst du nur im Vertrauen darüber sprechen“, stellte Galadriel in ihrem wunderschönen Singsang leicht überrascht fest und Gweneth nickte kaum merklich.
„Dann ist dies wohl der Moment, sich für heute Abend zurückzuziehen“, sprach der Fürst und für einen kurzen Moment bekam Gweneth ein schlechtes Gewissen.
Sie wollte nicht, dass er sich ausgeschlossen fühlte und doch war er nun mal ein Außenseiter in ihrem Kreis.
„Verzeiht“, raunte Gweneth schnell, doch der Fürst lächelte sie nur breit an.
„Kein Grund zu verzeihen, gehabt Euch wohl“, sprach er abschließend, verbeugte sich vor allen und verließ dann ihr Gemach.
Gweneth sah ihm hinterher, bis er die Tür zugezogen hatte und drehte sich wieder zu den anderen herum.
„Ist es nicht gefährlich, Dinge aus deiner Heimat in diese Welt zu bringen?“, fragte Aragorn besorgt und Gweneth schüttelt leicht den Kopf.
„Jene Dinge, die ich mitgebacht habe, stellen für diese Welt keine große Gefahr dar. Selbst wenn ein Außenstehender sie sehen würde, würde er eher an Magie denken, als an Gegenstände aus einer Parallelwelt“, meinte Gweneth lächelnd.
„Dann sollte ich die anderen mal holen gehen“, und bei den Worten nickte sie den anderen kurz zu, drehte sich dann um und verließ in großen Schritten das Gemach.
Sie eilte durch die Gänge in die große Halle und war erleichtert, dass ihre Freunde und ihre Mutter noch am selben Platz wie zuvor waren. Inzwischen hatte Gimli die Haxe verschlungen und sah nun genauso schläfrig aus, wie die Hobbits, während sich Legolas mit Éowyn und ihrer Mutter unterhielt. Leicht atemlos blieb sie vor dem langen Tisch stehen und Gimli sah sie aus kleinen Knopfaugen müde an.
„Da bist du ja wieder, Mädchen“, brummte Gimli und Gweneth lächelte ihn an.
„Nur für kurze Zeit. Denn meine Eltern und ich haben Mitbringsel für Euch alle mitgebracht und ich würde sie euch gerne geben“, meinte sie und sogleich wurden Gimli und auch die Hobbits wach.
„Wo habt ihr sie denn hin?“, fragte Gweneth ihre Mutter, die endlich den Blick von den Pergamentbögen hob, die den ganzen Tisch zu bedecken schienen.
„Wo haben wir was hin?“, fragte sie leicht verwirrt und Gweneth musste innerlich seufzen.
„Die Geschenke“, sprach Gweneth mit leichtem Nachdruck und das Gesicht ihrer Mutter hellte sich augenblicklich auf.
„In unserem Schlafzimmer“, gab ihre Mutter zur Antwort und lächelte.
„Geschenke?“, fragte Merry mit leuchtenden Augen und rappelte sich, wie die anderen Hobbits, langsam auf.
„Genau, Geschenke“, antwortete Gweneth mit einem kleinen Lachen und wandte sich dann an Legolas, der sie neugierig ansah.
„Befinden sich Faramir und mein Vater noch immer auf dem Übungsplatz?“, fragte Gweneth ihn und er bejahte mit einem Kopfnicken.
„Dann werde ich sie holen gehen. Kannst du bitte Arwen suchen und dann euch in Éomers Gemach begeben?“
„Ai“, säuselte Legolas mit einem leichten Kopfnicken, stand elegant auf und ging großen Schrittes davon.
„Und was ist mit uns?“, brummte Gimli, der sich unter Ächzen leicht aufrichtete.
„Ihr seid natürlich auch herzlich eingeladen“, meinte Gweneth lächelnd und sah sowohl Gimli als auch die vier Hobbits an.
Deren Augen fingen augenblicklich an zu funkeln und mit einem Lachen sprangen die Hobbits von der Bank und tapsten los.
„Hey, wartet auf mich!“, rief Gimli, rutschte mit einem Plumps von der Bank und trottete ihnen dann hinterher.
Auch ihre Mutter und Éowyn packten die Bögen zusammen.
„Holst du die Sachen? Ich muss noch kurz etwas erledigen; komme gleich nach“, fragte Gweneth ihre Mutter, die daraufhin nickte.
„Ich werde Euch helfen“, sprach Éowyn zu ihrer Mutter, die daraufhin dankend lächelte.
„Dann bis gleich“, meinte Gweneth, drehte sich bei den Worten um und eilte Richtung Ausgang.
In wenigen Schritten hatte sie die Halle durchquert, riss die Tür der Halle auf, raffte ihren Rock und eilte die steinernen Stufen hinunter. Im leichten Laufschritt eilte sie den steinernen Weg entlang, bis sie endlich den Übungsplatz erreicht hatte. Gweneth verlangsamte ihren Schritt und stellte erfreut fest, dass die beiden Männer schon dabei waren, die Übungsgeräte in ihre Halterungen zu stecken. Sie schienen sich gut miteinander zu verstehen, denn sie konnte förmlich die freundliche und warme Atmosphäre zwischen den beiden spüren. Faramir schien Gweneth zu bemerken, denn er warf ihr einen kurzen Blick zu und als er erkannte, wer sie war, lächelte er sie augenblicklich an.
„Herrin Gweneth, was führt Euch hierher?“, fragte Faramir mit einer kleinen Verbeugung und ihr Vater drehte sich überrascht zu seiner Tochter um.
„Ich suche euch zwei, denn es ist Zeit, die Geschenke aus meiner Heimat zu verteilen“, sprach Gweneth und auf das Gesicht ihres Vaters legte sich ein wissendes Lächeln.
„Es ist also soweit. Kommt, lasst uns gehen“, meinte er fröhlich und klopfte Faramir freundschaftlich auf die Schulter.
Faramir hingegen runzelte seine Stirn und in seinen grauen Augen lag die Verwirrung.
„Geschenke?“, fragte er, folgte aber dennoch den beiden langsam hinauf zur königlichen Halle.
Gweneth gesellte sich an Faramirs Seite und senkte soweit ihre Stimme, dass nur Faramir und ihr Vater sie hören konnten.
„Wie du von Éowyn weißt, komme ich ursprünglich aus einer Welt, die parallel zu dieser existiert und ich dank der Macht des Ringes zwischen den Welten hin und her wandeln kann.“
Faramir nickte bei ihren Worten und Gweneth fuhr weiter fort, während sie den steinernen Weg hinauf schritten.
„Als ich meine Eltern in diese Welt holte, überlegte ich Geschenke für jene, die über mich Bescheid wissen und brachte sie mit“, erklärte Gweneth zu Ende und in Faramirs Gesicht legte sich große Freude.
„Dann brachtet Ihr mir auch etwas mit?“, fragte er freudestrahlend und brachte Gweneth zum Grinsen.
„Ja, auch Euch, doch es ist wirklich nur eine Kleinigkeit“, versuchte Gweneth ihm ein wenig die Vorfreude zu nehmen, doch wirkte Faramir dennoch glücklich.
Die drei erreichten die königliche Halle, betraten diese und begaben sich auf den Weg zum königlichen Gemach. Ohne vorher anzuklopfen, riss Gweneth erneut die Tür auf und war erfreut, dass nun alle bereits anwesend waren. Es stimmte sie nur ein wenig traurig, dass Erkenbrand nicht dabei sein konnte, da er auf dem Weg nach Helms Klamm war, um nach dem Rechten zu sehen und sie ihm sein Geschenk noch nicht geben konnte. Schnell schüttelte sie den traurigen Gedanken von sich ab und sah sich dann etwas um.
Die Hobbits saßen bereits in einem der vielen braunen Ledersofas vor dem großen Kamin und rauchten grinsend ihre Pfeifen. Auch Gandalf zückte seine Pfeife, nachdem Gweneth die Tür geschlossen hatte und stützte sich mit dem Ellenbogen am Kaminsims ab.
Ihr Vater begab sich zu dem Sessel, in dem bereits seine Frau saß und setzte sich auf dessen Lehne. Faramir gesellte sich zu Éowyn, die auf einem der Sofas saß und beobachtete dann amüsiert die herumalbernden Hobbits. Gimli hatte es sich in einem Sessel nahe beim Kamin bequem gemacht und rauchte ebenso seine Pfeife, während Legolas dahinter stand und den Blick auf Gweneth gerichtete hatte. Die hohen Elben und auch Aragorn und Éomer waren noch bei Éomers Arbeitsplatz versammelt, doch näherten sie sich, als sich Gweneth neben Éowyn niederließ und alle mit einem breiten Lächeln ansah.
„Was hast du uns denn mitgebracht?“, fragte Merry als Erster und hüpfte freudig auf und ab und Gweneth konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
„Ich habe für jeden von euch etwas mitgebracht, auch wenn es mir bei manchen schwerer gefallen ist, als bei anderen. Ich hab auch möglichst versucht, etwas zu finden, dass euch nützlich sein und euer Gefallen finden könnte und ich hoffe sehr, dass meine kleinen Mitbringsel euch gefallen werden“, meinte Gweneth unsicher, doch ihre Mutter lächelte ihr aufmunternd zu.
„Ich denke, du hast die richtige Wahl getroffen“, erwiderte mit einem Mal ihr Vater und dankend lächelte sie ihn an.
„In Ordnung, dann fangen wir mal an“, sprach Gweneth mit einem kleinen, nervösen Seufzer, stand auf, nahm den Rucksack an sich und setzte sich wieder auf das Sofa.
Sie konnte deutlich spüren, wie alle Blicke auf ihr lagen und das erhöhte ihre Nervosität deutlich. Mit klammen Fingern öffnete sie die Verschlüsse und griff wahllos hinein. Heraus beförderte sie ein flaches, in weißes Leinen eingeschlagenes Bündel, das sie sofort zuordnen konnte und reichte es Gandalf.
„Für dich“, meinte sie nur und in Gandalfs Augen blitzte die Neugierde auf.
„Es war ziemlich schwer, etwas für dich zu finden, wo doch ein Zauberer eigentlich nichts braucht und alles hat. Aber es könnte vielleicht ganz nützlich sein und es nimmt nicht viel Platz weg“, fügte Gweneth hinzu, als Gandalf das Geschenk annahm und es auspackte.
Zum Vorschein kam ein dunkelgrüner Stoff und als Gandalf es ausschüttelte, kam ein Regenumhang zum Vorschein.
„Ein solches Material habe ich noch nie gesehen“, sprach Gandalf und befühlte den Plastikstoff.
„Man nennt es Plastik und er wird dich für lange Zeit trocken halten, da er alles Nasse abweist“, erklärte Gweneth, „du kannst ihn anlegen, wenn es regnet und er wird dich trocken halten. Probiere es ruhig aus“, ordnete sie an und deutete auf einen der Wasserkelche.
Etwas zögernd griff Gandalf danach und spritzte etwas Wasser auf den Umhang, doch perlte es an ihm ab.
Erneut ging ein Raunen durch den Raum und Gandalf sah sie mit großen Augen an.
„Ich danke dir“, sprach er mit einem Lächeln und Gweneth erwiderte den Dank.
„So, das Nächste“, meinte sie freudig und setzte fort, ihre Geschenke zu verteilen.
Als nächstes bekam Gweneth das Geschenk für Legolas in die Hände und dieser war sogleich fasziniert von dem kleinen Taschenmesser mit den vielen Funktionen. Danach schenkte sie Gimli ein Sturmfeuerzeug und nachdem sie ihm erklärte, wie es funktionierte, ließ er vor Schreck das Feuerzeug fallen, als die Flamme heraus kam. Doch nachdem der Schreck vergangen war, freute er sich, wie ein kleines Kind und spielte ständig damit herum. So überreichte sie ihm auch noch einen kleinen Gastank, mit dem er das Feuerzeug neu befüllen konnte. Schließlich bekam sie Frodos Geschenk in die Hände und überreichte es ihm. Neugierig öffnete er die hölzerne Schatulle und ein Füller mit Konverter kam zum Vorschein, worüber er sich sehr freute, nachdem sie erklärt hatte, wozu es denn gut sei. Denn sie wusste, dass er ein Buch über sein Abenteuer schreiben wollte und somit würde es wesentlich schneller und angenehmer sein. Sam bekam ein Damastmesserset, sowie Samen der Kakaopflanze und Gweneth versprach ihm bei den Valar, dass sie ihm zeigen würde, wie man daraus leckere Schokolade machen konnte. Alle bewunderten die schönen Damastklingen, doch die Samen blieben für alle ein Rätsel, denn sie wussten noch nicht, was Schokolade war. Für Merry und Pippin hatte sie eine wunderschöne, zweischläuchige Wasserpfeife mit Apfeltabak und sie erklärte ihnen, wie man den Tabak dafür selbst herstellen konnte. Die beiden waren sofort begeistert und nachdem Gweneth ihnen gezeigt hatte, wie man sie anmachte, war der angenehme Geschmack der Pfeife bei vielen sehr schnell gefragt. Ein Marmorschachspiel hatte Gweneth für Faramir bestimmt, mit zugehörigen Regeln und dem Versprechen, dass sie mit ihm spielen würde. Éowyns Geschenk war für alle Mittelerdebewohner etwas aufregendes, denn Gweneth schenkte ihr eine hölzerne Spieluhr, die beim Öffnen das Lied „Noir“ spielen würde. Fast hätte Éowyn beim Öffnen der Spieluhr sie fallen lassen, wenn Legolas sie nicht rechtzeitig aufgefangen hätte. Gweneth hatte für Aragorn ein Fernrohr mitgebracht, von dem er sogleich begeistert war und sah damit gleich vom Fenster aus hoch in den Nachthimmel. Von Gweneth bekam Arwen nur eine Kleinigkeit, die sie jedoch sehr verblüffte, als sie den blauen Moodring über ihren Finger streifte. Kaum angezogen, änderte er nämlich seine Farbe in ein dunkleres Blau und als Gweneth erzählte, dass in dem runden Stein ein flüssiger Kristall war, der auf Wärme und Kälte reagierte, fing Arwen glücklich an zu strahlen. Fast wäre Gweneth in Arwens Aura gefangen gewesen, wenn sie nicht wohlweislich weggesehen hätte. Schließlich war Galadriel an der Reihe und Gweneth übereichte ihr Geschenk mit einem kleinen Grinsen. Einst hatte Gweneth in Galadriels Spiegel sehen dürfen, nun sah Galadriel in einen Menschenspiegel, eingefasst in Kristallglas. Selbst die Elben waren verblüfft von dem klaren Spiegelbild und Gweneth nutzte die Gelegenheit und überreichte Celeborn ihr Geschenk an ihn. Für Gweneth war es besonders schwer gewesen, etwas für ihn zu finden, denn mit ihm hatte sie kaum gesprochen, doch wollte sie ihm auch etwas schenken. So hatte sie sich nach langem Überlegen für eine Ecosphere entschieden. Die mit Wasser, Sand und kleinen Krebstieren gefüllte Glaskugel bestaunte jeder und als Gweneth noch die beiden Magnete zeigte, mit denen man die Kugel von innen reinigen konnte, sprachen die Hobbits schon von Magie. Gweneth erklärte ihnen aber, warum die Tiere in dem Wasser bis zu 10 Jahre leben konnten, ohne zu sterben und sie sahen sie mit großen Augen an. Ebenso für Elrond war es schwer gewesen, ein Geschenk zu finden, denn er war weise, klug und besaß bereits alles, was man sich wünschen konnte. So entschied sie sich für ein Medizinbuch über Chirurgie und das Basiswissen über den menschlichen Körper und auch wenn er ihre geschriebene Sprache nicht verstehen konnte, war sie fest entschlossen ihm diese beizubringen. Hinzu schenkte sie ihm noch einen großen Ballen sich auflösender Fäden, die ihm gewiss nützlich sein würden. Letzten Endes war nur noch Éomer übrig, der sie fragend und zugleich neugierig ansah.
„Verzeih, wenn dein Geschenk dir nicht allzu besonders erscheint. Doch hier, dies ist für dich“, sprach sie mit einem kleinen Lächeln und reichte ihm ein ledernes Säckchen.
Neugierig öffnete er die Verschnürungen und ließ auf die Handfläche ein silbernes Medaillon mit feinen Gravuren darauf gleiten. Neugierig drehte er es in den Händen und besah es sich von allen Seiten.
„Du schenktest mir einst die goldene Kette und ich wollte dir etwas im Gegenzug schenken, das du überall hin mitnehmen kannst. Es wird dich an mich erinnern, wenn ich nicht bei dir bin… öffne es“, flüsterte Gweneth und Éomer öffnete auf ihren Wunsch hin das Medaillon.
„Oh“, raunte er und sah sie dann breit lächelnd an.
Seine braunen Augen waren voller Wärme und dann sah er wieder auf das Bild von Gweneth herab, wie sie im kleinen Bild ihn breit anlächelte.
„Was ist darin?“, fragte Pippin und auch die anderen reckten schon neugierig ihre Hälse.
„Sie ist darin“, antwortete er breit grinsend und legte das geöffnete Medaillon auf das Tischchen, so dass alle auf das Bild von Gweneth blicken konnten.
„Ein wahrer Meister der Farben hat dich darin festgehalten. Auch wenn es nicht gemalt erscheint“, meinte Legolas und kam neugierig näher.
„Es ist auch nicht gemalt, sondern fotografiert. Also wurde von mir quasi ein Abbild gemacht und auf Papier festgehalten“, versuchte Gweneth zu erklären, doch merkte sie anhand der ratlosen Gesichter, dass sie keiner verstanden hatte.
„Mit einer Maschine wird das, was man sieht, eingefangen und auf ein Blatt gepresst“, versuchte ihre Mutter es den Hobbits näher zu bringen, doch auch ihr Erklärungsversuch schlug fehl.
„Wir hätten vielleicht eine Sofortbild-Kamera mitbringen sollen“, meinte ihr Vater nachdenklich und Gweneth nickte seufzend.
„Ja, das wäre klug gewesen, aber halt, ich hab ja noch für alle etwas“, sprach Gweneth schnell und sah grinsend ihre Eltern an.
Diese erhoben sich und verteilten aus den Stofftaschen große, lederne Beutel, die prall gefüllt waren mit verschiedenen Süßigkeiten. Sie hatten extra bei jedem die Plastikverpackung entfernt und in Brotpapier eingewickelt. Neugierig öffneten sie alle die ledernen Beutel und schnupperten vorsichtig daran. Gweneth nahm ihren in die Hand und fischte die unterschiedlichen Arten daraus hervor.
„Wir haben euch Bitterschokolade, Vollmilchschokolade mit ganzen Haselnüssen, Schokobonbons, Kokos-Mandel-Konfekt, Marzipanpralinen, Nougat, Gummibärchen, Saure Drops und eine kleine Tüte Chips mitgebracht“, meinte Gweneth und deutete, während sie sprach, immer auf das jeweilige Essen.
„Das ist ja richtig lecker!“, rief Merry und schob sich ein zweites Schokobonbon in den Mund.
Die anderen griffen nun auch beherzt zu und alle machten erstaunte Gesichter über das ungewöhnliche Essen. Mit einem dicken Grinsen im Gesicht sah Gweneth nun zu, wie ihre Freunde in kindlicher Freude die Süßigkeiten aßen und dabei weiter ihre Geschenke bestaunten. Die Geschenke wurden auch herumgereicht und dabei viel gelacht. Interessant wurde es dann noch einmal für Gweneth, als ihre Eltern einen großen Bildband über ihre Welt herauszogen und auf dem Sofatisch öffneten. Sowohl die größten und schönsten Naturwunder als auch Tiere und Menschen in ihren Städten von allen Kontinenten waren darin abgebildet und ernteten großes Staunen. Nicht nur, weil sie solche Bilder noch nie gesehen hatten, sondern auch die Art und Beschaffenheit des Papiers faszinierte sie. Der Bildband ging durch alle Hände und ihre Eltern und auch Gweneth versuchten so gut es ging, die Fragen aller zu klären. Oft kamen sie an ihre Grenzen, denn es gab Dinge, die sich nur schwer erklären ließen, ohne das Wissen der Menschen aus ihrer Welt. Lange zog sich der Abend dahin, bis die Ersten in ihren Sitzen einschliefen und sich die Elben im Morgengrauen entschuldigten. Die schlafenden Hobbits wurden mit ihren Geschenken in ihre Unterkunft gebracht, bis am Ende nur noch Gweneth und Éomer übrig waren. Doch beide waren so müde, dass sie sich nur auszogen, ins Bett fielen, um dann wenige Atemzüge später tief einzuschlafen.