Kapitel 8
Die Zeit verflog und bald war das neue Jahr angebrochen.
Zusammen mit Erkenbrand feierte sie in ihrem Gemach Weihnachten und Silvester. Sie hatte ihm die Bräuche bei ihr daheim erklärt und bereitwillig ließ er sich darauf ein.
Auch hatte es ein oder zwei Mal geschneit, aber der Schnee war nicht weiß sondern dreckig grau und hob nur wenig die Stimmung der Mannen.
Gweneth übte derweil fleißig mit Gamling den Schwertkampf und die Wunden rissen nicht mehr auf. Auch verheilten ihre Seelischen Wunden, denn dank des Traumes war sie sich gewiss, dass ihre Eltern damit umgehen konnten. Ohnehin konnte sie ja eh wenig für sie tun.
Ehe sie sich versah war schon Februar und es schneite erneut. Doch dieses Mal fielen dicke Flocken, die eine zwanzig Zentimeter Schicht bildeten und die Bauarbeiten mussten unterbrochen werden. Es fehlte nur noch ein kleines Stück des Grabens, aber der Boden war gefroren und somit viel zu hart.
Mit leuchtenden Augen saß Gweneth auf ihrem Stammplatz der Brustwehr und sah hinab auf das leere, nun gräuliche Feld. Erkenbrand gesellte sich zu ihr und er blies seinen weißen Atem in die kalte Luft.
„Zu ärgerlich… der Schnee hält alles auf. Dabei müssten wir uns doch beeilen!“
Gweneth zuckte nur mit den Schultern und wischte sich Schneeflocken aus ihrem Gesicht.
„Dagegen kann man nun mal nichts machen. Aber Gamling versicherte mir, dass sich so ein Wetter nicht lange halten und es bald wärmer wird. Aber so lange sollten wir doch die Zeit nutzen.“
Ihre Augen wanderten zu Erkenbrand.
„Wollen wir uns etwas im Schnee vergnügen?“
„Wie meinst du denn das?“
„Naja, so was wie Schneemänner bauen, Schneeengel machen und eine Schneeballschlacht.“
Verständnislos sah er sie an.
„Bei den Valar! Du kennst so was nicht!?“
Er schüttelte nur den Kopf und sie sah ihn entgeistert an.
„Komm mit!“
Sie sprang von der Brustwehr und lief zielstrebig die Treppe hinunter. Er folgte ihr bis zu den Toren, die sie mit einem Handzeichen öffnen ließ. Sechs Männer betätigten den Öffnungsmechanismus und das Tor wurde mit lautem Knirschen geöffnet und die Zugbrücke herunter gelassen.
„Lasst sie ruhig auf! Wir kommen bald wieder rein!“
Rief sie mit einem Grinsen auf ihrem Gesicht und zog Erkenbrand auf das Feld hinunter.
Sie blieb mit schnellem Atem stehen und strich sich das dicke blaue Kleid glatt. Darunter trug sie eine dicke Hose und über dem Kleid einen dicken Pelzumhang mit Kapuze. Sie stemmte ihre Hände, gehüllt in Handschuhen, in die Hüfte und sah in kurz an.
Dann bückte sie sich blitzschnell und pfefferte ihm einen Schneeball mitten ins Gesicht. Verdutzt stand er da und sah sie aus großen Augen an. Sie jedoch lachte nur vergnügt und ballte erneut den Schnee zu einer Kugel. Dieses Mal verfehlte sie ihn jedoch nur knapp, da er schnell zur Seite getreten war.
Ein Grinsen huschte auch nun auf sein Gesicht und er nahm schnell Schnee in die Hand. Damit war die Schneeballschlacht eröffnet. Laut lachend und wild umher rennend bewarfen sich die beiden. Die Schneekugeln flogen nur so umher und dank Gweneths miserable Wurftechnik, blieb Erkenbrand verschont, während sie bald vollkommen mit Schnee bedeckt war.Doch das sollte sich bald ändern. Eothin hatte die Gelegenheit ergriffen und half ihr nun dabei Erkenbrand einzuseifen. Er schrie auf, als sie eine Ladung Schnee in seinen Nacken kippte und ließ ihn dann schwer keuchend und mit einem dicken Grinsen auf dem Gesicht los.
„Danke, Eothin.“
Kicherte sie und klopfte sich den Schnee von den Kleidern. Erkenbrand kniete noch im Schnee und wischte sich den Schnee aus dem Nacken.
„Waffenstillstand?“
Fragte sie und reichte ihm die Hand. Er jedoch sah zu ihr auf, packte blitzschnell ihre Hand und zog sie hinunter. Eine dicke Ladung Schnee landete in ihrem Ausschnitt und sie schrie laut vor Schreck und Kälte.
„Jetzt haben wir Waffenruhe.“
Keuchte auch er und ließ sie los. Wie von der Tarantel gestochen sprang sie auf und hüpfte im Kreis herum, bemüht den Schnee los zu werden.
„Ok, das hatte ich verdient. Aber meinst du nicht, dass noch jemand eine Abreibung gebrauchen könnte?“
Beide sahen zeitgleich Eothin an, der verstand was gleich geschehen würde und lief langsam ein Paar schritte rückwärts. Dann drehte er sich um und sprintete davon. Doch Gweneth war schon los gelaufen und packte ihm am Kragen. Währenddessen stopfte Erkenbrand ihm eine Ladung Schnee unter seine Rüstung.
Eothin fluchte laut und lief kurz panisch umher. Sowohl Gweneth als auch Erkenbrand lachten, bis sie Bauchschmerzen hatten und ihnen Tränen in die Augen stiegen.
Sie lachten sogar noch mehr, als er den Schnee nicht raus bekam und eilig hoch in die Burg lief. Da erst bemerkten sie die Zuschauer, die das Theater mit einem Lächeln auf dem Gesicht beobachtet hatten.
Gweneth fing sich langsam wieder und lehnte sich an ihn.
„Komm, bauen wir einen Schneemann!“
„Und wie geht das?“
„Wir müssen drei Kugeln formen. Jede muss etwas kleiner sein als die vorige.“
Gweneth bückte sich und schob den Schnee zu einem Haufen zusammen. Dann kugelte sie den Haufen und eine große Schneekugel entstand. Erkenbrand sah ihr lächelnd zu und machte sich an die nächste Kugel. Beide kugelten vor sich hin, bis Gweneth meinte es würde reichen. Dann positionierte sie ihren großen Ballen vor dem Eingang zum Grad und Erkenbrand hievte seine obendrauf.
Sie war schon bei der nächsten, kleinsten Kugel und setzte diese dann auf die anderen beiden Schneekugeln.
„Und jetzt?“
„Jetzt fehlen nur noch die Arme und eine Nase.“
Sie knüllte Schnee in ihrer Hand und platzierte eine Knollnase mitten in das Gesicht. Dann bohrte sie mit den Fingerspitzen Augen und einen Grinsemund in den kalten Schnee. Schließlich klebte sie noch Armstummel an die Schultern und betrachtete den mannshohen Schneeman. Ein Grinsen konnte sie sich nicht verkneifen und auch Erkenbrand schmunzelte.
„Das sollte ich mir für die Zukunft merken. Meine zukünftigen Kinder hätten ihren Spaß daran. “
Gweneth ging ein paar Schritte zurück und ließ sich in den Schnee fallen. Sie starrte in den gräulichen Himmel und fing an ihre Arme und ihre Beine zu bewegen.
Als sie ein paar Mal mit den Armen und Beinen gerudert hatte, half ihr Erkenbrand stirnrunzelnd auf.
Leicht lächeln betrachtete sie den Schneeengel und fing dann leicht an zu frösteln.
„Ist das… ein Schneeengel?“
„Ja… bei mir daheim haben wir so was jeden Winter gemacht.“
„Sag mal… was ist eigentlich ein Engel?“
Tief atmete sie ein und überlegte wie sie ihm das deutlich machen konnte.
„Nun… das sind die Diener von Gott oder von Eru, wie ihr ihn nennt. Man könnte sie vielleicht so ähnlich beschreiben, wie ihr die Valar. Nur sind die Engel nicht ganz soooo mächtig.
Wir stellen sie uns immer als schöne Menschen mit weißen Schwingen vor. Sie tragen weiße Gewänder und strahlen eine herzerwärmende Aura aus. Güte und Reinheit verkörpern sie.
Auch gibt es verschiedene Typen von Engel. Zum einen die, die Gott am nächsten stehn und wirklich so etwas wie die Valar sind. Dann gibt es die weniger Mächtigeren, wenngleich auch wichtigen. Zum Beispiel der Schutzengel.
Jeder Mensch hat einen Schutzengel, der auf einen Acht geben und einen Schützen soll.“
„Hat jemand schon mal einen Engel gesehen?“
Kurz zögerte, als sie an all die Berichte von Nahtoderfahrungen dachte.
„Noch nicht… direkt. Aber ich persönlich glaube daran, denn ist der Gedanke nicht tröstlich nie alleine zu sein? Dass immer jemand bei einem ist, der einem beschützt?“
„Schon.“
Beide sahen auf das Gebilde im Schnee hinab und ein Zittern lief durch Gweneths Körper. Die nassen Kleider klebten an ihrer Haut und der kalte Wind blies durch ihre Kleider hindurch.
„Ich glaub ich geh lieber rein. Ist doch ganz schön kalt geworden.“
Erkenbrand nickte und begleitete sie hinauf in die Burg und sogar bis vor die Tür ihres Gemachs.
„Ich warte in der Halle auf dich.“
Sie nickte und er drehte sich um zu gehen, doch dann stockte er plötzlich.
„Ich habe noch etwas auf dein Bett legen lassen. Ich hoff es gefällt dir.“
Mit den Worten sprang er schnell die Stufen hinunter und ließ eine neugierige Gweneth zurück.
Schnell drückte sie die Klinge runter und trat in ihr Zimmer ein. Als ihr Blick auf ihr Bett viel und erkannte, was darauf lag, fiel ihr fast die Kinnlade herunter.