Kapitel 9
Vorsichtig ging sie ein paar Schritte näher und betrachtete die Rüstung, die auf ihrem Bett lag. Zu Oberst thronte ein Helm, den sie vorsichtig in die Hand nahm. Er war aus dunklem Metall und wog schwer in ihrer Hand. Er war recht schlicht gehalten und gefiel ihr dadurch umso mehr. Die Ränder des Helms waren golden und Gravuren von Pferden und Reitern, als auch Linien und Buchstaben waren in ihm kunstvoll eingeprägt. Die Augen und der Mund waren unbedeckt und als sie mit der Hand hinein griff, fühlte sie weiches Leder. Vorsichtig zog sie den Helm auf und er passte recht gut.
Dann nahm sie ihn wieder ab und legte ihn beiseite. Nun lag der Brustpanzer vor ihr, den sie ebenfalls in die Hand nahm. Er war genauso schwer, wobei er aus dicken Leder war. Ebenso wie ihr Helm, war auch die Vorderseite kunstvoll gearbeitet und Symbole, die sie nicht kannte, rankten sich über das Leder.
Vorsichtig öffnete sie ihn und schlüpfte hinein. Der lederne Brustpanzer schmiegte sich sanft an ihre weiblichen Formen und konnte an der Seite mit Schnallen verschlossen werden. Er ging ihr fast bis zu den Schlüsselbeinen hoch und ging dann in breiten Träger über. Erst jetzt merkte sie, dass er viel zu steif war, um nur aus Leder zu bestehen und als sie sich bewegte, konnte sie die Eisenplatten spüren, die vermutlich zwischen den Lederschichten eingearbeitet waren. Sie sah an sich hinunter und sah, dass er angenehm anliegend über ihrem Brustkorb lag und hinunter bis zu den Knien reichte. Links und rechts an der Seite ihrer Beine waren zwei Schlitze, die bis zur Hüfte gingen. Somit konnte sie auch in die Hocke gehen, ohne dass er sie einschränkte. Auch hier waren die Ränder des Panzers im Goldton gehalten.
Sie sah wieder auf den Haufen hinab und zog den Panzer wieder aus. Sie legte die Last neben dem Helm. Dann nahm sie die Schulterpanzer in die Hand, die bis zu den Ellenbogen ging und man an den Trägern des Brustpanzers festmachen konnte.
Daneben lagen Oberschenkel- und Schienbeinschoner. Alle drei waren aus dunklem Leder, verstärkt mit Metall und auch hier waren die Ränder golden und Symbole eingedruckt. Gerührt legte sie auch die beiseite und betrachtete dann die Kleider. Dort lag eine dunkle Lederhose, die sie mit Knöpfen verschließen konnte und sich weich anfühlte.
Darunter lag ein hellgrüner dünner Pullover mit V-Ausschnitt und einen dunkelgrünen dickeren Wams, der kurze Ärmel hatte und ihr bis zu den Knien ging.
Ganz als letztes kam ein dunkelgrüner Umhang zum Vorschein, der sie ebenso mit Schnallen an ihrem Brustpanzer befestigen konnte.
Gerührt sah sie auf die Kostbarkeiten hinab und fuhr noch einmal mit den Fingerspitzen über das dunkle Metall ihres Helms.
´Noch werde ich es nicht anprobieren, aber die Zeit wird vermutlich bald kommen, in der ich sie brauchen werde.´
Sie öffnete vorsichtig ihre Truhe und ihr Blick viel auf das Schwert, das sie von Gamling geschenkt bekommen hatte.
Es war ein schönes Breitschwert, dessen Parierstange kunstvoll geschmiedet war. Die goldenen Enden waren leicht nach oben gebogen und bildeten Pferdeköpfe. Das Heft war aus Leder und fühlte sich geschmeidig in ihrer Hand an. Im Knauf waren Edelsteine und filigrane Gravuren eingelassen. Die Schwertscheide war aus dem gleichen Leder wie das Heft und war kaum verziert. Dafür war das Scheidenmulchblech reich an Verzierungen und kleinen Edelsteinen. Es war an einem ledernen Gürtel befestigt, dessen goldene Schnalle gut zum Schwert passte.
Sie konnte sich noch gut an den Tag erinnern, als er ihr das Schwert gegeben hatte.
Er hatte es ihr nach einer besonders intensiven Trainingseinheit überreicht. Erst wollte sie es nicht annehmen, da das Schwert viel zu kostbar war, doch erst als Gamling Anstalten gemacht hatte es in den großen See der glitzernden Höhlen zu werfen, nahm sie es an.
Vielleicht wusste er damals schon, dass sie von Erkenbrand eine Rüstung bekommen sollte und schenkte es ihr deswegen.
Schnell packte sie die Rüstung zusammen in die Truhe und zog gleichzeitig ein dunkelblaues, schlichtes aber dennoch dickes Kleid heraus.
Schon wollte sie warmes Wasser holen um zu baden, um endlich den Schüttelforst loszuwerden, als sie sah, dass jemand schon heißes Wasser in ihren Zuber geschüttet hatte. Gerührt sah sie auf das heiße Wasser und entledigte sich schnell ihrer Kleider. Ordentlich legte sie ihr Kleid, Unterwäsche und Pelzmantel auf ihr Bett und stieg in das heiße Wasser.
Eine angenehme Gänsehaut breitete sich auf ihrem Körper aus und mit einem Lächeln tauchte sie kurz unter.
Das heiße Wasser weckte wieder ihre Lebensgeister und vergnügt schloss sie ihre Augen, bis ihre Haut anfing zu schrumpeln und das Wasser kalt wurde.
Mit einem leisen seufzen stieg sie wieder hinaus, trocknete sich schnell ab und schlüpfte in ihre neuen, trockenen Sachen.
Glücklicherweise hatte sie ein Paar Unterhosen von den Frauen bekommen und legte die nassen Sachen in einen Eimer.
Jemand würde sich dann darum kümmern.
Mit einem wohligen seufzen umarmte sie sich kurz selbst und ging dann hinunter in die Halle, in der Erkenbrand schon auf sie wartete.
Er hatte sich auch frisch gemacht und aß gerade ein Teller Suppe.
Schnell umarmte sie ihn von hinten und drückte ihn fest.
„Danke, danke, danke!“
Er lachte kurz auf und dreht leicht den Kopf zu ihr.
„Bitte und gern geschehen.“
Sie ließ sich neben ihm auf der Bank nieder und strahlte ihn an.
„Aber warum schenkst du mir so etwas kostbares?“
„Nun… Ich weiß, dass du dir die Gelegenheit nicht nehmen lassen wirst selbst mitzukämpfen, da Gamling dir ja das kämpfen beigebracht hat.“
Er warf einen strengen Blick zu seinem Tischgegenüber, den Gweneth erst jetzt bemerkte.
Gamling saß ihnen gegenüber und aß leicht grinsend seine Suppe.
„Sie hat mich gefragt… was hätte ich denn tun sollen?“
Antwortete er hilflos und zwinkerte ihr kurz zu.
„Nein sagen, zum Beispiel.“
Brummte er und sie kicherte in sich hinein.
„Jetzt nimm ihm das nicht übel. Ich hätte ja dich gefragt, aber du warst Mal wieder auf Orkjagt. Außerdem wusste ich was du davon hieltest.“
Kurz warf er einen schnellen Blick zu ihr, sagte darauf aber nichts.
„Gefällt die deine Rüstung?“
Fragte Gamling und konnte ein schiefes Grinsen nicht verbergen.
„Jaaahhh, seehr.“
Hauchte sie und fing wieder an zu strahlen.
„Es gibt keine schönere und bessere als diese.“
Fügte sie noch hinzu und sah dann begierig auf die Suppe von Erkenrband.
„Woher hast du die?“
Er deutete auf einen Kessel, der nicht weit entfernt stand und fröhlich vor sich hin dampfte. Ungelenk stand sie auf, schnappte sich Löffel, Brot und Schüssel und schöpfte sich eine Portion ein. Die Augen auf die schwankende Suppe gerichtet balancierte sie die Schale zurück und ließ sich wieder auf ihren Platz nieder.
Die Flügeltür wurde kurz geöffnet und ein eisiger Windhauch drang von draußen herein.
Gweneth wünschte sich, dass es langsam wärmer werden sollte, doch das würde anscheinend auch nicht mehr lange dauern, laut Gamling.
Da sollte er nicht unrecht behalten.
Schon eine Woche später schmolz der Schnee und die Arbeiten konnten fortgesetzt werden. Somit hatte sie auch wieder viel zu tun und zusammen koordinierte sie mit Eothin, Gamling und manchmal auch Erkenbrand, die Baustellen.
Die Arbeiten des Grabens und des Flusses waren nahe der Vollendung, während die Zugbrücke und die Umbauten dazu schon längst beendet waren.
Zufrieden saß sie auf der Brustwehr und ein frischer, dennoch wärmerer Wind strich über ihr Gesicht. Sie sah hinab in den Graben, in dem gerade der letzte Pfahl verankert wurde.
Morgen konnten sie damit beginnen Wasser hinein zu lassen und alle hofften, dass es gut gehen würde.
Insbesondere wünschte es sich Gweneth, denn immerhin war es ihre Idee gewesen auch wenn alle anderen mitgezogen hatten. Leicht seufzte sie und beobachtete die Männer, die müde von ihrer Arbeit in die Feste kamen. Sie alle hatten großartige Arbeit geleistet und niemand hatte gerechnet, dass sie so früh fertig werden würde. Doch anscheinend war es gerade spät genug, denn Orkbewegungen wurden wieder vermehrt gemeldet und jedes Mal sank ihr Herz vor Sorge in die Hose.
Mit dem Gedanken an die bevorstehende Schlacht sah sie zu, wie die Sonne langsam versank und der Wind rauer und kälter wurde. Fröstelnd zog sie ihre Pelzkaputze auf und mummelte sich tiefer in ihren Umhang.
Sie saß noch eine ganze Weile so dar, bis ihr fast die Augen zu vielen und die Kälte ihr zu sehr zusetzte. Müde schwang sie ihre Beine hinunter, sprang und landete sanft auf den kalten Boden.
Zügig durchquerte sie die belebte Feste, wurde hier und da respektvoll gegrüßt und zog sich dann in ihr Gemach zurück. Schnell schlüpfte sie unter die Decke, da ihr Fenster kein Laden hatte und somit die Nachtluft hereinströmen konnte. Deswegen war es fast so kalt wie draußen und sie zog die Daunendecke bis zur Nasenspitze hoch.
Sie kauerte sich zusammen und viel dann voller Erwartung auf morgen in traumreichen Schlaf.